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News: Wanzen-Rosenkrieg

Die Fortpflanzung von Bettwanzen endet für Weibchen mit traumatischen Verletzungen. Mit einem spezialisierten Organ überlebt es diese ohne Probleme - und liefert so ein Beispiel für die Balance des biologischen Geschlechterkampfes.
Bettwanzensex ist nichts für dezente Gemüter und beinhaltet ein paar sehr bizarre Spielarten. Etwa, Vorhang auf für die so genannte traumatische Insemination der offensichtlich gewaltbereiten, kopulationslüsternen Bettwanzenmänner beim Paarungsakt: Sie kümmern sich dabei üblicherweise nicht um die durchaus vorhandene Geschlechtsöffnung ihrer Bettgenossin, sondern durchbohren stattdessen – mit Hilfe ihres spitzen Begattungsorgans – penetrant eine weiche Schwachstelle der Unterleibsegmente des Weibchens.

Spermien und Samenflüssigkeit landen so am Ende inmitten der Körperhöhle der Auserwählten. Von dort aus kämpfen die Samenzellen sich durch die weibliche Körperflüssigkeit bis zu spezialisierten Spermienspeicherorganen – erst aus deren Inhalt rekrutiert sich dann das letztlich eizellenbefruchtende Spermium.

Doch keine Gewalt ohne Gegengewalt im Tierreich: Wanzenweibchen entwickelten im Laufe der Evolution offenbar eine passende Antwort auf die gezielten Attacken der Männchen gegen ihren Unterleib. Zum Beispiel sorgen Führrillen im Bauchpanzer dafür, dass die verletzenden männlichen Begattungsorgane stets nur eine bestimmte Stelle der Körperwand durchdringen.

Und just dort bilden weibliche Bettwanzen ein spezialisiertes Organ aus, die Spermalege. Offenbar dient diese Spermalege als Insekten-Immunorgan: Um sie herum finden sich stets große Mengen von Hämocyten – Abwehrzellen, die in der Insektenkörperflüssigkeit zirkulieren und beispielsweise Fremdkörper angreifen, aufnehmen und zerstören.

Fremdkörper im Wanzenweibchen ist nun auch männliches Ejakulat: Die Komponenten eingedrungener Samenflüssigkeit werden von den lokal massierten Abwehrzellen ebenso attackiert wie die Spermien selbst. Für diese entbrennt damit ein Wettlauf ums Überleben, den nur die besten und fittesten durchstehen. Und dies ist wiederum ganz im Sinne des Weibchens: Statt Paarungspartner selektiert sie so geeignete Spermien, um ihrer Eizelle und damit ihren Kindern auf diese Weise die bestmögliche genetische Ergänzung mitzugeben.

Spermienselektion ist aber offenbar nicht die einzige Aufgabe der Spermalege weiblicher Bettwanzen, wie Klaus Reinhardt von der Universität Sheffield und seine Kollegen nun verdeutlichen. Sex der Bettwanzen, so erkannten die Forscher, ist schließlich eine zutiefst schmutzige Angelegenheit: Über größere Zeiträume des Tages quetschen sich die Insekten, nahe der Bettstatt ihres nächtlichen Opfers, in engste Ritzen und Verstecke, umgeben von einem Schmierkitt aus erbrochenen Blutresten, Verdauungsendprodukten und Wanzenleichen. Anheimelnd ist derartiges Milieu zumindest für Bakterien, die hier prächtig und in großer Zahl gedeihen.

Jeder körperverletzende Begattungsakt der Wanzenmänner schleust so natürlich notgedrungen auch große Mengen von Keimen ins Körperinnere der Weibchen. Wie das Team um Arbeitsgruppenleiter Michael Siva-Jothy in stichhaltigen Experimentreihen nun ermittelte, überleben Weibchen wiederholtes Beimpfen mit typischen Bakteriendosen nur dann über einen längeren Zeitraum, wenn die traumatischen Keiminjektionen in der für männliche Kopulationsversuche auserkorenen Stelle nahe der Spermalege erfolgten.

Weibchen, die an anderer Stelle des Körpers durch ähnliche Einstiche verletzt wurden, starben dagegen früher als gewöhnlich. Die Immunfunktion der Spermalege hätte sich demnach, schlussfolgern die Wissenschaftler, auch aus Gründen der Sexualhygiene entwickelt [1].

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die Bettwanzenforscher Edward Morrow und Göran Arnqvist von der schwedischen Universität Uppsala: Für sie ist die Spermalege sogar eines der bestdokumentierten Beispiele für eine effiziente evolutive Gegenmaßnahme von Weibchen gegen ein sexuelles, für sie negatives männliches Verhaltensmuster.

Zudem aber würde eine Kosten-Nutzen-Rechnung des auf den ersten Blick abgründig erscheinenden Geschlechterkampfes ein durchaus angemessenen Verhältnis von Aufwand und Ertrag ergeben – für beide Geschlechter. Selbst die Bettwanzenmänner, so die Forscher, wählten ihre eigenwillige Begattungspraktik wohl aus evolutiv durchaus noch vertretbaren Gründen. Eine Schädigung der Weibchen über jedes Maß sei schließlich auch nicht in ihrem Sinne: Männchen einer Spezies, deren Weibchen jung sterben, berauben sich gleichzeitig ja endgültig eigener Chancen [2].

Und somit gilt auch für männliche Bettwanzen, dass ein endgültiger Sieg im Rüstungswettlauf der Geschlechter zugleich die finale Niederlage der ganzen Art bedeutet.

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