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Wetter: Warum es in Amerika gerade richtig Winter wird

Rekordverdächtige Minustemperaturen und Schnee satt - der Winter hat Teile Kanadas und der USA fest im Griff. Woher kommt der heftige Kälteeinbruch?
Von Eis umringter Leuchtturm an den Großen Seen

Reihenweise purzelten seit Weihnachten 2017 lokale Kälterekorde in den USA und Kanada: Stellenweise sanken die Temperaturen auf minus 38 bis minus 42 Grad Celsius. Andernorts fiel teilweise mehr als ein Meter Neuschnee. Kurz: Der Winter hat große Teile Kanadas und den US-amerikanischen Nordosten sowie den Mittleren Westen fest im Griff – und es sieht nicht danach aus, als würde er diesen in den nächsten Tagen bis weit hinein ins neue Jahr lockern. Nur der Westen der Vereinigten Staaten entgeht der "Kältepeitsche". Doch was verursacht diese heftige Kältewelle?

Schuld daran ist der Jetstream, der sich seit einigen Tagen über Nordamerika stark nach Süden ausbeult und dieses Strömungsmuster noch einige Zeit stabil aufrechterhalten wird. Dadurch kann Kaltluft ebenfalls ungehindert und konstant weit nach Süden strömen. Sie ist arktischen Ursprungs und zapft auf ihrem Weg die stark ausgekühlten Luftmassen der kanadischen Landmasse an. Manche Prognosen gehen sogar davon aus, dass der stärkste Kälteeinbruch erst noch folgen könnte: Für den Zeitraum um den 4. und 5. Januar 2018 berechnet das europäische Wettermodell einen Einfluss "brutal kalter" Luftmassen aus Kanada, wie es der Meteorologe Ryan Maue von "weather.us" ausdrückt. Darauf folgt ein Ausbruch des Polarwirbels – des Höhentiefs über der Arktis mit extrem niedrigen Werten –, der die Temperaturen endgültig in den Keller rauschen lassen könnte. Die Wetterkonstellation zum 4. Januar erinnert den Meteorologen sogar etwas an den Januar 2014, als zum Kaltlufteinstrom auch ein so genannter Nor'easter auftrat: ein großflächiger Sturm, dessen Winde aus nordöstlicher Richtung kommen und hauptsächlich an der Küste im Nordosten der Vereinigten Staaten und in den atlantischen Provinzen Kanadas auftreten. Sollte es tatsächlich dazu kommen, droht dem Nordosten der USA wieder ein "Snowmaggedon" mit ergiebigen Schneefällen.

Südlich der Großen Seen hat es in den vergangenen Tagen schon stark geschneit, was am Lake-Effekt liegt: Die ursprünglich trockene Festlandsluft strömt über die immer noch relativ warmen Wassermassen der Großen Seen und nimmt so reichlich Feuchtigkeit auf. Die feuchtwarme Luft über dem Wasser steigt dabei rasch auf, es kommt zur Konvektion, und es bilden sich rasch Wolken, die sich aus noch nicht genau bekannten Gründen zu Bändern formieren. Zwischen der Wasseroberfläche und der Luft in etwa 1,5 Kilometer Höhe müssen sich dabei die Temperaturen um mindestens 13 Grad Celsius unterschieden, damit sich die starken und langlebigen Niederschlagsbänder bilden können. Diese ziehen mit der vorherrschenden Windrichtung von Nordwest nach Südost. Treffen sie auf Land, erhöht sich der Reibungswiderstand für die Luftmassen: Es entsteht eine Art Wolkenstau, aus dem es stundenlang kräftig schneien kann – wie es beispielsweise in Erie der Fall war, wo 1,65 Meter Neuschnee in wenigen Stunden fielen. Begünstigt wird der Bandcharakter von der Form des Wasserkörpers, der wie im Fall des Eriesees lang und breit in westöstlicher Richtung verläuft. Unmittelbar außerhalb dieser Bänder, die oft nur wenige Dutzend Kilometer landeinwärts anhalten, kann sogar die Sonne scheinen, während innerhalb die Welt untergeht. Begleitet werden diese Schneestürme mitunter von Blitzen, die wegen der Konvektion in den Wolken entstehen. Lake-Effekte treten am häufigsten und regelmäßigsten an den Großen Seen auf, kommen aber auch an anderen Wasserkörpern vor, über die trocken-kalte Luft streicht. Im März 2013 war zum Beispiel Deutschlands Ostseeküste betroffen.

Mit der aktuellen Kältewelle ist Nordamerika gegenwärtig so etwas wie ein relativer globaler Kältepol: Hier liegen die Temperaturen momentan deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt, während sie in den meisten Regionen der Erde ansonsten klar darüber liegen (die Farben auf der Karte spiegeln keine absoluten Temperaturen wider, sondern Abweichungen vom Mittelwert; intensives Rot bedeutet daher keine Hitze, sondern, dass sich die Werte bis zu neun Grad über dem langjährigen Durchschnitt befinden). Deutschland liegt wie auch der überwiegende Teil des restlichen Europas über Silvester hinweg im Einflussbereich einer zyklonalen Westwetterlage, so der Deutsche Wetterdienst: "Zwischen hohem Luftdruck über dem Mittelmeerraum und tiefem Luftdruck zwischen Neufundland und Skandinavien gelangt mit lebhafter westlicher Strömung milde Atlantikluft nach Zentraleuropa." Kaltes Winterwetter mit guten Wintersportbedingungen finden sich daher auf absehbare Zeit nur in den Hochlagen der Alpen; selbst auf dem Feldberg oder Arber in den Mittelgebirgen muss zumindest zeitweise mit Tauwetter gerechnet werden.

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