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Coronavirus: »Mit der Vernichtung von Ökosystemen sind Pandemien wahrscheinlicher«

Die beste Pandemie-Prophylaxe? Konsequenter Schutz der natürlichen Vielfalt, sagen zwei Biologen. Im Interview erklären sie, wie Corona-Krise und Umweltzerstörung zusammenhängen.
Brennender Regenwald im Amazonasgebiet.

Politik und Öffentlichkeit haben derzeit vor allem eine Aufgabe: die Coronavirus-Epidemie einzudämmen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Ursprung des neuartigen Erregers zu finden. Denn nur wenn der bekannt ist, lassen sich künftige Pandemien vorbeugen. Was Forscher bislang wissen, welche Vermutungen es gibt und warum der Schutz der natürlichen Vielfalt auch für den Seuchenschutz entscheidend ist, erklären Josef Settele, Vizevorsitzender des Weltbiodiversitätsrats (IPBES), und der Biologe, Ökologe und Wirtschaftswissenschaftler Joachim Spangenberg im Interview.

»RiffReporter«: Über den Ursprung der Pandemie gibt es bereits verschiedene Hypothesen, wie das Coronavirus Sars-CoV-2 aus Wildtieren auf den Menschen übergesprungen ist. Wie beurteilen Sie diese Hypothesen?

Settele: Es gibt aktuell vor allem zwei Szenarien oder Hypothesen, die den Ursprung des neuartigen Virus plausibel erklären können: Zum einen könnte das Virus durch natürliche Selektion in einem tierischen Wirt entstanden sein, bevor die Übertragung von Tier auf Mensch stattgefunden hat. Oder zum Zweiten könnte die natürliche Selektion im Menschen stattgefunden haben, nachdem der Transfer stattfand. Da ich selbst kein Virologe bin, vermag ich nicht zu beurteilen, was von diesen Hypothesen zu halten ist. Allerdings ist unbestritten, dass ein detailliertes Verständnis davon, wie ein tierisches Virus die Artgrenzen überbrückt und Menschen so effizient infizieren kann, sehr wichtig ist. Das müssen wir wissen, damit künftig Krankheitsübertragungen von Tieren auf Menschen vermieden werden können.

Josef Settele | Als Co-Chair hat der Biologe den »Global Assessment Report« des Weltbiodiversitätsrats mitverantwortet.

Was halten Sie für den wahrscheinlichsten Ursprung der Pandemie? Oder kann man das noch nicht sagen?

Spangenberg: Da die chinesischen Behörden den Ursprung der Pandemie zum »Wet Market« in Wuhan zurückverfolgt haben, ist es wahrscheinlich, dass das Virus aus Wild- oder Zuchttieren auf den Menschen übergegangen ist. Wet Markets sind Märkte, auf denen lebende Tiere angeboten, vor Ort geschlachtet und dann portionsweise verkauft werden, oft unter mangelnden hygienischen Bedingungen.

Wie tödlich ist das Coronavirus? Was ist über die Fälle in Deutschland bekannt? Wie kann ich mich vor Sars-CoV-2 schützen? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unserer FAQ. Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Schwerpunktseite »Ein neues Coronavirus verbreitet sich weltweit«.

Settele: Viele Studien gehen davon aus, dass das Virus von Fledermäusen oder dem Chinesischen Schuppentier stammt und es wohl nur ein Übertragungsevent auf den Menschen gegeben haben könnte. Danach wurde es demnach von Mensch zu Mensch weitergegeben. Im Fall einer natürlichen Selektion in einem tierischen Wirt geht man davon aus, dass höchstwahrscheinlich Fledermäuse das natürliche Reservoir von Sars-CoV-2 darstellen, da es dem Coronavirus der Fledermäuse am ähnlichsten ist. Bislang gibt es aber keine dokumentierten Fälle einer direkten Übertragung von Fledermäusen auf Menschen. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Zwischenwirt eine Rolle spielt.

Joachim Spangenberg | Der Biologe ist Vizepräsident des Sustainable Research Institute in Köln.

Was würde das bedeuten?

Settele: In diesem Fall der Evolution im Tier würde die Epidemie sich schnell ausgebreitet haben, sobald Menschen infiziert wurden, da das Virus bereits die Eigenschaften gehabt hätte, die es pathogen machten und in die Lage versetzten, sich schnell von Mensch zu Mensch auszubreiten. Für den Fall, dass natürliche Selektion im Menschen stattfand, also nach dem Transfer vom Tier, könnte dem Schuppentier eine zentrale Rolle zukommen, zumal einige seiner Coronaviren zumindest in Teilen ihrer genetischen Struktur denen des Sars-CoV-2 sehr ähnlich sind. Ein Coronavirus eines Schuppentiers könnte also auf Menschen übertragen worden sein, entweder direkt oder durch Zwischenwirte wie etwa Zibetkatzen oder Frettchen.

»Auch eine Chimäre aus zwei davor existenten Viren könnte zu Sars-CoV-2 geführt haben«
Josef Settele

Die Autoren der diesen Aussagen zu Grunde liegenden Studie schreiben selbst, dass es fast unmöglich ist, zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu sagen, welches Szenario das wahrscheinlichste ist. Mittlerweile gibt es neuere Angaben, wonach auch eine Chimäre aus zwei davor existenten Viren zu Sars-CoV-2 geführt haben könnte.

Auf welchen Wegen können gefährliche Erreger aus Wildtieren zum Menschen gelangen?

Spangenberg: Wenn Menschen in neue Gebiete eindringen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie mit Arten konfrontiert werden, die ihnen neu sind und gegen die deshalb bisher keine Immunabwehr besteht. Noch höher ist die Wahrscheinlichkeit aber da, wo Wildtiere und Menschen in großer Dichte zusammenkommen, also bei Marktlieferanten, Züchtern und Kunden wie Mitarbeitern der Viehmärkte.

Wie kann man beweisen, dass ein Erreger aus einer ganz bestimmten Tiergruppe zum Menschen gelangt ist? Mit welchen Methoden gehen Wissenschaftler dabei vor?

Settele: Hier kommen praktisch ausschließlich genetische Methoden zum Einsatz. Über so genannte Sequenzierungsverfahren kann man auf die Herkunft von Viren wie zum Beispiel Sars-CoV-2 schließen. Die so genannte Receptor-Binding-Domain (RBD) eines bestimmten Proteins spielt hierbei eine besondere Rolle.

Wie schätzen Sie die gegenwärtige Pandemie im Vergleich zu Ausbrüchen wie der Vogelgrippe in China ein?

Spangenberg: Einerseits ging die Verbreitung schneller, andererseits war sie globaler, zudem sind die Folgen schwerwiegender. Das wird teilweise an den Charakteristika des Virus liegen, wird aber auch durch Faktoren wie die Globalisierung von Wirtschaft und Tourismus unterstützt. Die Tiroler Skitouristen, die sich in großer Zahl infiziert haben, sind da nur ein Beispiel, auch dafür, dass einzelne öffentliche und private Akteure ihre finanziellen Interessen über Gemeinwohl und Gesundheit gestellt haben. Andererseits haben Länder wie Singapur, Korea oder Vietnam ihre Lektionen aus früheren Epidemien wie Vogelgrippe, Sars oder Mers gelernt und waren organisatorisch, technisch und politisch vorbereitet. Der Erfolg gibt ihnen Recht.

Schon 2011 haben Sie, Herr Settele, gemeinsam mit Ihrem Kollegen Volker Hammen darauf aufmerksam gemacht, dass Naturzerstörung zu Epidemien und Pandemien führen kann. Wo genau liegt da der Zusammenhang?

Settele: Studien haben gezeigt, dass schrumpfende Lebensräume und damit einhergehende Verhaltensveränderungen von Tieren zum Risiko der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen beitragen. Die große Mehrheit an Krankheitserregern harrt noch der Entdeckung, wir kratzen da erst an der Oberfläche. Viele Fachleute – und selbst nicht ganz so eng am Thema tätige Zeitgenossen wie wir – sind aber vom Ausbruch des Coronavirus nicht wirklich überrascht.

Warum?

Settele: Die Menschheit schafft geradezu die Bedingungen dafür, dass sich Krankheiten ausbreiten. Wir reduzieren die Barrieren zwischen dem Menschen und den Wirtstieren, in denen solche Viren natürlicherweise zirkulieren. Wir mussten von der Ausbreitung einer pandemischen Influenza ausgehen, genauso wie von vielen Todesfällen. Und wir können damit rechnen, dass es weitere Erreger mit zum Teil noch gravierenderen Auswirkungen geben wird. Große Änderungen in der Landnutzung führen zum Verlust von Lebensräumen, was zu höheren Populationsdichten einiger Arten und auch zu mehr Kontakten zu Menschen führt. Die Arten, die überleben, ändern ihr Verhalten und teilen sich in zunehmendem Maß Lebensräume mit anderen Tieren und eben mit dem Menschen.

Ist ein konsequenter Schutz der natürlichen Vielfalt also die beste Pandemie-Prophylaxe?

Spangenberg: Das ist auf alle Fälle eine essenzielle Komponente der Vorbeugung, idealerweise in Kombination damit, den Verzehr von Tieren zu unterbinden, die zum Beispiel auf »Wet Markets« angeboten werden.

Es sieht gegenwärtig aber nicht so aus, als würde Biodiversitätsschutz ausreichend ernst genommen; das Thema findet politisch kaum Beachtung. Nicht zuletzt Ihr IPBES-Bericht zeigt, dass die allermeisten Regierungen weit davon entfernt sind, entschlossen gegen Naturzerstörung vorzugehen. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass wir mit einer Häufung von Pandemien rechnen müssen?

Spangenberg: Dieser Umkehrschluss ist richtig – die Wahrscheinlichkeit von Pandemien steigt mit zunehmender Vernichtung von Ökosystemen und Biodiversität.

Settele: Es stimmt mich aber auch hoffnungsvoll, dass unser IPBES-Bericht bei vielen Bevölkerungsschichten und nicht zuletzt bei politischen Entscheidungsträgern klar vernommen wurde und auch Initiativen gestartet werden, der Beeinträchtigung der Natur entgegenzuwirken – nicht zuletzt im Einklang mit Aktivitäten wie »Fridays for Future«, aber auch mit anderen regional getragenen Initiativen, etwa mit der Landwirtschaft oder auch dem Lebensmittelhandel.

»Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist offensichtlich«
Josef Settele

Was erhoffen Sie sich davon, wenn Forscher wie Sie jetzt den Zusammenhang von Naturzerstörung und Pandemien in die Öffentlichkeit bringen?

Settele: Dafür gibt es zwei wesentliche Motivationen. Erstens ist es wichtig, dass man diesen Zusammenhang erkennt, damit wir verstehen, was die indirekten und oft wichtigsten Ursachen der Pandemien sind. Das versetzt uns in die Lage, auch hier das Vorsorgeprinzip anzuwenden, anstatt abzuwarten und dann an den Symptomen zu arbeiten – wozu wir derzeit gezwungen sind. Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist offensichtlich, weshalb ich zweitens hoffe, dass das Wissen und Erfahren solcher Zusammenhänge zu einer wesentlich höheren Bereitschaft beitragen, einen transformativen Wandel unserer Gesellschaft anzugehen, so wie er auch im Globalen IPBES Assessment als Ausweg aus der Krise aufgezeigt wird.

Ausgerechnet in China soll im Herbst der nächste Welt-Biodiversitätsgipfel stattfinden. Ist die von dort ausgehende Pandemie Ironie des Schicksals oder Chance für eine Wende?

Spangenberg: Die Chinesen haben drastische Maßnahmen ergriffen, mit hohen Kosten für das Land, aber die Epidemie so unter Kontrolle gebracht. Die chinesische Führung wird tun, was sie kann, um eine Wiederholung zu vermeiden – es ist zu hoffen, dass sie den Zusammenhang von Epidemien und Naturzerstörung erkennt und nicht nur, wie geschehen, die »Wet Markets« verbietet, sondern auch der Naturzerstörung Einhalt gebietet.

Das wäre umso wichtiger, als sie eine wichtige Rolle in der Vorbereitung der Biodiversitätskonferenz spielt und über diese Rolle in den Industrienationen der G20-Staaten und dem Entwicklungsländerzusammenschluss G77 andere Nationen zum Mitmachen bewegen kann.

Sie haben mit Kollegen schon vor zehn Jahren eine Reihe von Szenarien dazu veröffentlicht, wie sich der anhaltende Verlust von natürlicher Vielfalt auf unsere Gesellschaft auswirken könnte. Das düsterste Szenario handelt von einer Pandemie, die außer Kontrolle gerät. Wie sind Sie auf dieses Szenario gekommen?

Spangenberg: Politische Planung basiert oft auf der linearen Fortschreibung bestehender Trends. Das ist zwar unrealistisch, doch so sind die meisten der Modelle aufgebaut, mit denen Szenarien entworfen werden. Wir wollten damals dieses geistige Korsett verlassen und untersuchen, was passieren kann, wenn etwas nicht Eingeplantes passiert – und da war eine Pandemie ein plausibler »worst case«, vor dem ja schon damals die Weltgesundheitsorganisation warnte.

Fühlen Sie sich von der Wirklichkeit überholt?

Settele: Leider eher bestätigt, und wir hoffen sehr, dass es nicht so schlimm kommt, wie es nach unseren Untersuchungen im schlimmsten Fall möglich wäre.

»Wenn sich die Menschen der Logistikbranche zurückziehen, sind die Supermärkte leer, und die Versorgung ist trotz ausreichender Vorräte gefährdet«
Joachim Spangenberg

»Immer mehr Menschen in Krankenhäusern und Quarantäne, aus Paris fliehen die Menschen wie zuvor aus Rom aufs Land und nehmen den Virus mit.« So steht es in Ihrem Szenario. Sie schreiben, dass, wenn mehr als ein Fünftel der Bevölkerung tot oder krank ausfällt oder versucht, eine Infizierung durch Kontaktsperre zu anderen Menschen zu vermeiden, die komplette Volkswirtschaft zusammenbricht. Sehen wir gerade die Vorboten?

Spangenberg: Wir haben das Szenario vor mehr als zehn Jahren entwickelt, da war die elektronische Kommunikation noch nicht so wie heute, wo viele Menschen in Selbstisolation vom heimischen Schreibtisch ihren Job machen können – die müsste man in unseren Berechnungen als »am Arbeitsplatz« zählen. Aber das können eben nicht alle – und so sind inzwischen fast alle Automobilfabriken in Europa geschlossen. Bauernverbände beklagen, dass sie nicht in der Lage sind, die volle Ernte einzufahren, weil die Saisonarbeiter aus dem Ausland fehlen, und die Polizei verfolgt mancherorts nur noch prioritäre Sachverhalte, wegen Personalmangels.

Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn Postboten und Kraftfahrer erkennen, dass ihre Arbeit weit riskanter ist, als sie bisher gedacht haben – das Virus soll sich auf Papier- und Pappe-Oberflächen mehrere Stunden, auf Metall auch zwei Tage halten. Wenn sich die Menschen der Logistikbranche in die Sicherheit ihrer Wohnung, ihres Schrebergartens oder des ländlichen Raums zurückziehen, dann sind die Supermärkte leer und Online-Bestellungen nicht mehr möglich. Die Versorgung ist dann trotz ausreichender Vorräte gefährdet.

Welche Gesundheitsgefahren sehen Sie durch den Klimawandel? Kann die Erhitzung das Risiko neuartiger Epidemien noch verstärken?

Settele: Die Gefahr einer Übertragung von grippeähnliche Viren ist bei feucht-warmem Wetter eher geringer. Aber der Klimawandel macht es Arten, die bisher hier nicht anzutreffen sind, möglich, sich in Deutschland niederzulassen. Ein bekanntes Beispiel ist die eher tropische Tigermücke, die schon in Hamburg gefunden wurde und die ein berüchtigter Überträger von Krankheiten ist.

Ist der Zusammenhang von Naturzerstörung und Epidemierisiko eher eine Sache subtropischer und tropischer Länder oder auch ein reales Risiko bei uns?

Settele: Das reale Risiko bei uns würde ich für sehr gering halten, zumal wir über die theoretisch in Frage kommenden Arten, die ja in aller Regel Wirbeltiere sind, schon sehr gut Bescheid wissen. Unsere Essgewohnheiten sind andere, und das jagdbare Wild ist klar definiert. Wildnis gehört bei uns schon lange der Vergangenheit an, wir leben in einer historisch über große Zeiträume gewachsenen und vom Menschen geprägten Kulturlandschaft.

Was sollten die EU-Kommission und die nationalen Regierungen Ihrer Ansicht nach jetzt tun?

Spangenberg: Natürlich kurzfristig die Behandlungskapazitäten ausbauen und dafür sorgen, dass die Menschen geschützt werden, dass sie keinen Grund sehen, aufs Land zu flüchten. Das gilt nicht nur für medizinisches Personal und Pflegepersonal sowie Polizei oder Feuerwehr, sondern auch für die Mitarbeiter der Logistikbranche, die unsere Versorgung bisher sicherstellen. Diejenigen Ökonomen, die immer noch von einer kurzen Krise mit schneller Erholung ausgehen, sollte man aus verantwortlichen Positionen entfernen und durch Leute ersetzen, die der Realität ins Auge zu sehen bereit und in der Lage sind. Wenn der Kollaps, den wir laut Modellrechnungen für möglich halten, abgewendet werden soll, muss die erstgenannte Maßnahme umfassend angewandt werden. Die zweite dient dazu, erst einmal das Nachdenken darüber zu beginnen, wie denn ein »Notfallplan Kollaps« aussehen könnte und wie man nach so einer tiefen Krise eine komplexe Wirtschaft wieder neu starten kann.

Settele: Für den Neustart sollten wir uns die Frage stellen, ob wir es mit den globalen Lieferketten der Wirtschaft und der Privatisierung vieler Vorsorgeeinrichtungen nicht zu weit getrieben haben.

Und Ihr Rat mit Blick auf den Schutz von Biodiversität? Denn die EU steht ja auch umweltpolitisch vor einer Weichenstellung, nämlich der Reform ihrer künftigen Agrarpolitik. Wie kann die europäische Staatengemeinschaft hier zeigen, dass sie aus der Biodiversitätskrise die richtigen Schlüsse zieht?

Spangenberg: Das hat mit der Corona-Pandemie nichts zu tun – doch wichtig ist es trotzdem. Der Plan für die nächste Periode der EU-Agrarpolitik ist letztes Jahr vom Ministerrat beschlossen worden, und wenn er so bleibt, wie er ist, dann ist das nicht nur schlecht für die biologische Vielfalt, sondern dann ist Frau von der Leyens »European Green Deal« gescheitert, bevor er überhaupt angefangen hat. Schon deshalb ist eine Nachbesserung dringend notwendig, die alle Geldströme strikt an ökologische Vorgaben bindet und die Einhaltung auch kontrolliert. Bisher waren das nur warme Worte und Absichtserklärungen. Den gleichen Restriktionen müssten ebenso die deutsche und die europäische Bioökonomie-Strategien unterworfen werden.

Settele: … und weil Biodiversität ein globales Anliegen ist, muss auch die Außenwirkung bedacht werden, indem etwa die Einfuhr von Biomasse als Futtermittel und Biosprit heruntergefahren wird. Wenn das passiert, kann die EU mit einer ganz anderen Glaubwürdigkeit in die Verhandlungen um ein neues Abkommen zum Biodiversitätsschutz gehen.

Und was erhoffen Sie sich vom Weltnaturschutzgipfel in China im Oktober oder wann auch immer er letztlich stattfindet?

Spangenberg: Den »Paris Moment« analog zum Weltklimavertrag von 2015.

Settele: Aber im Gegensatz zum Paris-Vertrag mit ernsthafter Umsetzung.

Dieser Artikel erschien zuerst im »RiffReporter«-Projekt »Die Flugbegleiter«.

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