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Illegaler Elfenbeinhandel: Weißes Gold im Schredder

Etliche Staaten haben in letzter Zeit große Mengen Elfenbein öffentlich zerstört. Sie wollen damit ein Zeichen gegen die grassierende Elefanten-Wilderei setzen.

Ein Stück nach dem anderen verschwindet im Schredder. Es rumpelt und quietscht, dann kommt ein Pulver ans Licht. Auf den ersten Blick sieht es aus, als würden die Arbeiter hier den Abfall der jüngsten Baumpflegemaßnahmen entsorgen. Doch was sie in die Maschinen werfen, ist kein Holz, sondern eines der teuersten Materialien der Welt: Mehr als sechs Tonnen Elfenbein lässt die chinesische Regierung an diesem 6. Januar 2014 in der Stadt Dongguan zerstören – Stoßzähne, Statuen und Schnitzereien im Wert von etlichen Millionen Euro, die der Zoll als Schmuggelware beschlagnahmt hatte.

Ähnlich öffentlichkeitswirksame Aktionen hat es in letzter Zeit auch in anderen Ländern gegeben. In den USA ließen die Behörden im November ebenfalls rund sechs Tonnen des "weißen Goldes" vernichten, die sich im Lauf von etwa 25 Jahren beim dortigen Zoll angesammelt hatten. Und auch die Philippinen, Gabun und Kenia haben in den letzten Jahren große Mengen Stoßzähne und daraus gefertigte Produkte zerstört. Die Begründung war jedes Mal ähnlich: Man wolle ein deutliches Zeichen gegen den illegalen Elfenbeinhandel und die ständig zunehmende Elefanten-Wilderei setzen.

Doch helfen solche symbolischen Aktionen? Hätte man die wertvolle Ware nicht lieber verkaufen und die Einnahmen in einen besseren Dickhäuterschutz stecken sollen? Solche Ideen werden immer wieder diskutiert. Die meisten Naturschützer halten sie allerdings nicht für Erfolg versprechend.

Elefanten im Fadenkreuz

Einig sind sich alle Experten darin, dass vor allem die afrikanischen Elefantenbestände derzeit in einer verzweifelten Lage sind. Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) kennt das Problem aus eigener Anschauung. Seit Jahrzehnten setzt sich seine Organisation für die großen Schutzgebiete Afrikas ein. Und in letzter Zeit beobachten die ZGF-Mitarbeiter dort immer häufiger, dass die Elefanten ihr Verhalten ändern: Sie ziehen sich ins Zentrum des riesigen Savannengebietes zurück, das vom Norden Tansanias bis in den Süden Kenias reicht – dorthin, wo der tansanische Serengeti-Nationalpark zumindest einen gewissen Schutz vor Wilderern bietet. Früher waren die grauen Riesen häufig auch außerhalb der Parkgrenzen unterwegs. "Da ist es ihnen aber in letzter Zeit wohl zu gefährlich geworden", meint Christof Schenck.

Auch in anderen Regionen haben die Tiere etliche ihrer früheren Hochburgen geräumt und sind abgewandert. "Gebiete, in denen man früher Tausende von Elefanten gesehen hat, sind jetzt leer", erzählt Schenck. Für ihn sind solche Verhaltensänderungen ein deutliches Indiz für den Wildereiboom, der über viele Savannen und Wälder Afrikas hereingebrochen ist: Die Tiere fühlen sich nicht mehr sicher. Und das ist auch kein Wunder. Denn derzeit werden so viele Elefanten illegal getötet, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Dabei schien die große Krise der Dickhäuter eigentlich schon überwunden zu sein. In den 1970er und 1980er Jahren hatte die große Nachfrage nach Elfenbein die Wilderei schon einmal massiv angefacht. Auf dem Höhepunkt des Gemetzels Ende der 1980er Jahre sollen nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF bis zu 100 000 Elefanten pro Jahr illegal getötet worden sein. Im Jahr 1989 aber stellte die internationale Staatengemeinschaft die afrikanischen Elefanten unter den Schutz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). Damit war der internationale Handel mit Elfenbein zunächst komplett verboten. Und prompt begannen sich die Elefantenbestände zu erholen. So hatten Wilderer die Zahl der Dickhäuter im North-Luangwa-Nationalpark in Sambia im Jahr 1987 auf gerade einmal 300 dezimiert, 2010 trotteten dort wieder 1500 Tiere über die Savanne.

Die grauen Riesen verschwinden

Nun aber droht die neue Entwicklung die Erfolge wieder zunichtezumachen. Aus ganz Afrika berichten Naturschützer über eine massive Zunahme der Wilderei. Und dieser Trend lässt sich mit Zahlen belegen: Ein von CITES eingerichtetes Programm namens MIKE ("Monitoring the Illegal Killing of Elephants") registriert seit dem Jahr 2002 sowohl die Zahl der tot aufgefundenen Elefanten als auch die Todesursachen. Seit 2006 geht dabei ein immer größerer Anteil der Todesfälle auf das Konto von Wilderern. Im afrikanischen Durchschnitt waren im Jahr 2011 rund drei Viertel aller entdeckten toten Elefanten illegal erschossen worden. Allein 2012 sollen dem Gemetzel etwa 22 000 Dickhäuter zum Opfer gefallen sein. Und seither hat sich die Lage nicht verbessert. "Wir schätzen, dass in Afrika weiterhin zwischen 20 000 und 30 000 Elefanten pro Jahr gewildert werden", sagt Christof Schenck.

Die Folgen sind schon deutlich zu sehen. Zu erschreckenden Ergebnissen kommt zum Beispiel die neueste Elefantenzählung im riesigen Selous-Reservat in Tansania, an der neben den tansanischen Schutzgebietsverwaltungen auch das Tanzania Wildlife Research Institute, die ZGF, die Elefantenschutzorganisation "Save the Elephants" und verschiedene internationale Tierzählungsexperten beteiligt waren. Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind sie im Oktober und November ein Gebiet abgeflogen, das mit gut 87 000 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß ist wie die Schweiz. Nun sind die Daten ausgewertet, und die Naturschützer sehen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Von einer der größten Elefantenpopulationen Afrikas, die noch in den 1970er Jahren aus mehr als 100 000 Tieren bestand, sind nur noch etwa 13 000 übrig. Allein in den letzten vier Jahren sind die Bestände um 66 Prozent geschrumpft.

Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte Afrika nicht nur eines seiner charismatischsten Tiere, sondern auch einen wichtigen Landschaftsgestalter verlieren. Schließlich sind Waldelefanten dafür bekannt, dass sie die Samen zahlreicher Baumarten verbreiten. Ebenso haben ihre Kollegen in der Savanne einen deutlichen Einfluss auf die Vegetation ihres Lebensraums. Auch solche ökologischen Zusammenhänge droht die Wilderei zu zerstören. Und ein Ende des Tötens ist derzeit nicht in Sicht.

Das weiße Gold

Die Täter operieren mal mit Schusswaffen, mal mit vergifteten Wassermelonen. Das Fleisch ihrer Opfer lassen sie in der Regel liegen. Es geht ihnen nur um die Stoßzähne. Denn mit illegalem Elfenbeinhandel lässt sich seit einigen Jahren wieder kräftig verdienen. Vor allem in China ist die Nachfrage nach Schmuck und Schnitzereien aus dem kostbaren Material sprunghaft gestiegen. Und es gibt dort immer mehr Menschen, die sich derlei Luxus auch leisten können. "Ein Kilo geschnitztes Elfenbein bringt auf dem chinesischen Schwarzmarkt inzwischen um die 10 000 Euro", sagt Christof Schenck.

Das Geschäft mit den Dickhäutern ist dabei hochprofessionell organisiert und scheint zunehmend in großem Stil stattzufinden. So decken Behörden immer häufiger Fälle auf, in denen Ladungen von mehr als 800 Kilogramm Elfenbein illegal aus Afrika nach Asien geschafft werden sollten. In diesen Dimensionen aber operieren keine Kleinkriminellen, sondern internationale Verbrecherorganisationen, die oft gleichzeitig noch in andere kriminelle Aktivitäten vom Waffen- bis zum Drogenhandel verwickelt sind. "Die haben sich mit dem ähnlich lukrativen Wildtierhandel ein neues Geschäftsfeld erschlossen", meint Schenck. Und der Arm dieser Syndikate reicht weit – durchaus auch bis in die Behörden vom Zoll bis zur Polizei. Wo so viel Geld im Spiel ist, blüht die Korruption. Und wenn dann wegen fehlender Tiere und verschlechterter Sicherheitslage die Touristen ausbleiben, ist das für viele afrikanische Staaten auch noch ein handfestes wirtschaftliches Problem. "Es geht hier nicht nur um Artenschutz", betont Christof Schenck. Die Wilderei droht ganze Staaten zu destabilisieren.

Dabei sehen die Regierungen etlicher afrikanischer Länder keineswegs tatenlos zu. Südafrika zum Beispiel hat 2010 mit der "National Wildlife Crime Reaction Unit" ein eigenes Kriminalamt eingerichtet, das sich speziell mit der Aufklärung von Wilderei und Artenschmuggel beschäftigt. Es wurde moderne Software angeschafft, spezielle Fahnder haben die Arbeit aufgenommen, und Militär verstärkt die Antiwilderer-Einheiten in den Schutzgebieten. Auch die Armee Tansanias ist immer wieder im Antiwilderer-Einsatz. Doch die Lebensräume der Dickhäuter sind riesig und kaum flächendeckend zu überwachen. Und die Nationalparkverwaltungen der meisten Länder haben mangels Geld, Ausrüstung und Personal wenig Chancen gegen Wildereiprofis.

Ideen gegen Wilderei

Was also tun? Daniel Challender und Douglas MacMillan von der University of Kent beschäftigen sich mit der Frage, warum es trotz großer Anstrengungen bei vielen bedrohten Arten noch nicht gelungen ist, das Wildereiproblem zu lösen. Natürlich sei es wichtig, die Maßnahmen gegen Wilderei und Artenschmuggel zu intensivieren, schreiben die Forscher im Fachjournal "Conservation Letters" [1]. Gerade bei besonders wertvollen Arten, die das organisierte Verbrechen auf den Plan rufen, werde das allein aber nicht genügen. Da seien neue Strategien gefragt. "Wir müssen zum Beispiel die lokale Bevölkerung stärker in die Schutzbemühungen einbinden", betont Daniel Challender. Das ist unter Naturschützern weit gehend unumstritten. Genau wie der Ansatz, durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit die Nachfrage nach Produkten aus bedrohten Arten zu senken. Andere Vorschläge dagegen werden kontroverser diskutiert.

"Bei vielen von Wilderei bedrohten Arten sollten wir längerfristig versuchen, einen legalen und nachhaltigen Handel zu etablieren", meint Douglas MacMillan. Die Steuereinnahmen daraus könne man dann in den Schutz der jeweiligen Arten stecken. Zumal ja auch nicht jedes künftig gehandelte Tier aus freier Wildbahn stammen müsse: Wer die betreffenden Arten in speziellen Farmen züchte, könne zumindest einen Teil der Nachfrage auf diesem Weg befriedigen. Das nehme Druck von den Wildbeständen und senke den Anreiz zur Wilderei.

Tatsächlich haben solche Ansätze in einigen Fällen schon zum Erfolg geführt. Zum Beispiel bei einigen großen Krokodilarten: Nachdem die wachsende Nachfrage nach Krokodilleder die Reptilien massiv dezimiert hatte, wurden sie in den 1970er und 1980er Jahren unter den Schutz von CITES gestellt. Arten wie das Leisten- und das Nilkrokodil erholten sich daraufhin so gut, dass sie vom Anhang I auf den Anhang II herabgestuft werden konnten. Ein kontrollierter Handel war damit wieder erlaubt. Die Nachfrage aber deckten nun zunehmend gezüchtete Tiere, in immer mehr Krokodilfarmen sorgten die Reptilien bereitwillig für Nachwuchs. Insgesamt kommen inzwischen jedes Jahr wieder mehr als eine Million Krokodilhäute aus Farmen oder ungefährdeten Wildbeständen legal auf den Markt.

Viele Experten bezweifeln allerdings, dass diese Strategie auch bei Elefanten klappen könnte. "Gerade Afrikanische Elefanten sind sehr schwierig zu halten", gibt Christof Schenck zu bedenken. Von Zucht ganz zu schweigen. Für den Aufbau von Elefantenfarmen stehen die Chancen also denkbar schlecht. Doch was ist mit dem Elfenbein von Tieren aus freier Wildbahn, die ohnehin schon ums Leben gekommen sind? Warum nicht vom Zoll beschlagnahmte Ware auf den Markt bringen, statt sie zu zerstören?

Verkaufen oder zerstören?

Die Hoffnung, auf diesem Weg die Preise drücken und so Wilderer demotivieren zu können, hält Christof Schneck für unrealistisch. Dazu sei die Menge zu klein, die Nachfrage zu groß und der Schwarzmarkt zu unberechenbar. "Selbst wenn wir einen gewaltigen Preissturz auf zehn oder zwanzig Prozent des heutigen Werts erreichen könnten, würde das nichts nützen", meint der Zoologe. Denn bei heutigen Preisen von bis zu 10 000 Euro für eine Schnitzerei würde sich das Wildereigeschäft selbst dann noch lohnen. Auch der WWF und viele andere Naturschutzorganisationen halten eine kontrollierte Freigabe des Elfenbeinhandels daher nicht für hilfreich – im Gegenteil: Sie befürchten, dass eine solche Maßnahme mehr schaden als nützen würde.

Ähnlich sehen das auch die Behörden, die im November die große Elfenbeinpulverisierung in den USA organisiert haben. "Es ist extrem schwierig, legales von illegalem Elfenbein zu unterscheiden", argumentiert der US Fish and Wildlife Service in einem Papier zu den Hintergründen der Aktion [2]. Aus kriminalistischen Ermittlungen wisse man, dass der legale Elfenbeinhandel als Tarnung für illegale Machenschaften dienen könne. Wenn die beschlagnahmten Vorräte auf den Markt kommen, könnten Geschäftemacher also leicht versuchen, auch Ware aus dubiosen Quellen dazwischen zu mischen und so zu "legalisieren". Sich ein paar gefälschte Stempel zu besorgen, ist in vielen afrikanischen Ländern offenbar nicht allzu schwierig.

Gelegenheiten für eine solche "Elfenbeinwäsche" gibt es schon heute ab und zu. So dürfen Südafrika, Botsuana, Namibia und Simbabwe unter bestimmten Bedingungen Stoßzähne ausführen, die von natürlich verendeten Elefanten oder aus dem so genannten "Culling" stammen. Darunter versteht man den legalen Abschuss von Elefanten, die sich in einem Schutzgebiet zu stark vermehrt haben. In solchen Ausnahmefällen erlauben die CITES-Bestimmungen einen streng reglementierten Verkauf.

Entschieden wird über solche Genehmigungen auf den Konferenzen der CITES-Mitgliedsstaaten. Und allein schon die Diskussion darüber scheint die illegalen Geschäfte anzukurbeln. "Wenn die Elfenbeinfreigabe auf der Tagesordnung steht, beobachten wir oft schon im Vorfeld der Konferenzen einen Anstieg der Wilderei", sagt Christof Schenck. Da will er sich lieber nicht vorstellen, was eine weitere Lockerung des Handelsverbots bewirken würde. "Um das Problem halbwegs in den Griff zu bekommen, muss man an drei anderen Stellen ansetzen", meint der Experte. Es gelte, das Interesse der Kunden an Elfenbeinprodukten zu verringern, die Handelsrouten durch schärfere Kontrollen und den verstärkten Einsatz von Spürhunden zu unterbrechen und die Tiere vor Ort vor Wilderern zu schützen.

Die ZGF konzentriert sich dabei auf den letzten Punkt. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schafft die Organisation gerade ein mit modernster Überwachungstechnik ausgerüstetes Kleinflugzeug an, das im Lauf des Jahres in Tansania stationiert werden soll. Die für die Schutzgebiete zuständigen Behörden des Landes, aber auch ihre Kollegen aus anderen afrikanischen Staaten können es dann zur Fahndung nach illegal operierenden Jägern anfordern. Das soll helfen, die Einsatzkräfte am Boden auf die richtige Spur zu führen und Wilderer rechtzeitig zu verhaften. Am besten, bevor sie tödliche Kugeln abgefeuert haben.

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  • Quellen
[1] Challender, D. & MacMillan, D.: Poaching is more than an enforcement problem. In: Conservation Letters. Doi: 101111/conl.12082, 2014
[2] U.S. Fish & Wildlife Service: U.S. Ivory Crush: Questions & Answers, 2013

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