Direkt zum Inhalt

Sieg von AlphaGo: Meinung: Es war nur ein Spiel

Das Go-Spiel ist eines der leichteren Anwendungsgebiete für die künstliche Intelligenz. Der Sieg eines Computers sagt wenig darüber aus, ob diese Technologie in Zukunft komplexere Probleme des echten Lebens lösen kann, meint Eva Wolfangel.
Go

Nun ist es also passiert: Die Software AlphaGo hat den weltbesten Spieler Lee Sedol im Go zum dritten Mal in Folge besiegt und damit das Match für sich entschieden. Anders gesagt: Ein Computer hat ein Spiel gewonnen. Und manche Kommentatoren klingen so, als stehe der Untergang der Zivilisation bevor. Übernehmen die Maschinen nun die Macht?

"Das Brettspiel Go galt lange Zeit als einer der letzten Bereiche, in denen Menschen Computerprogrammen überlegen waren", liest man so oder ähnlich in diversen Medien. Andere fragen, ob die Menschen noch eine Chance haben? Die Antwort lautet: Ja! Die Menschen haben noch eine Chance! Wenn vielleicht auch nicht im Go.

Aber das Spiel ist mitnichten eine der letzten Bastionen unserer Überlegenheit. Maschinen scheitern aktuell noch an den einfachsten Dingen: Steht beispielsweise jemand am Straßenrand, weigert sich ein autonomes Auto weiterzufahren – auch wenn gar niemand über die Straße will. Menschen einschätzen? Fehlanzeige. Und schon eine Fortbewegung auf unebenem Gelände bringt die meisten Roboter zu Fall – jedes Kleinkind kann das besser, auch wenn sich die Roboter dabei stetig verbessern. Wer Forscher, die Robotern genau das beibringen wollen, nach der drohende Vorherrschaft der Maschinen fragt, erntet ein müdes Lächeln.

Auf der anderen Seite soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bereich der künstlichen Intelligenz gerade enorme Fortschritte gemacht werden. Noch vor wenigen Jahren hätte fast niemand gedacht, dass man mit Deep Learning je einen Blumentopf gewinnen kann – diese kuriose Idee, das menschliche Gehirn nachzuahmen! Jetzt gewinnt man mit dieser Methode das schwierigste Spiel der Welt.

Dennoch darf uns das nicht dazu verleiten, diese Leistung überzubewerten. Brettspiele wie Go kommen den Fähigkeiten der Computer entgegen. Die Regeln sind klar und einfach. Die Menschen handeln mit ihren Zügen vorhersehbar. Die Folgen aktueller Spielzüge müssen für einen langen Zeitraum in der Zukunft vorher berechnet werden. Darin sind die Menschen schlecht, im Computerbereich hingegen wächst die Rechenpower stetig.

Wie lösen das die Menschen? Mit Intuition, sagt die Go-Community. Und schon wieder steigt in manchem die Furcht auf: Jetzt können Computer Intuition, sie werden uns immer ähnlicher! Aber die nachgeahmte Intuition von AlphaGo hat wenig gemein mit menschlicher. Im Gegenteil, im aktuellen Match war sie den Menschen sogar hinderlich: sie beruht nicht nur auf Spielerfahrung, sondern auch auf kulturellen Regeln. Manch offensive Spielzüge der Software würde ein Mensch nie so machen, sagen Go-Spieler: "Unser Lehrer hätte uns auf die Finger geklopft. So etwas tut man nicht." Kulturelle Gepflogenheit wie "das macht man nicht" werden eine der letzten Bastionen sein, die Computer verstehen. In manchen Bereichen verschafft ihnen das einen Vorteil. In vielen Fällen aber wird das ein Problem sein.

Und auch unter anderen Gesichtspunkten ist Go eine der leichter zu lösenden Aufgaben für die künstliche Intelligenz: Gerade beim überwachten maschinellen Lernen sind Daten das A und O: Der Algorithmus lernt nicht aus vorgegebenen Regeln, sondern anhand von Beispielen. Sind diese so genannten Trainingsdaten repräsentativ für die später vom Computer zu lösende Aufgabe, so lernt die Software umso präziser, je mehr Daten sie zur Verfügung hat. Die Herausforderung ist häufig, geeignete Trainingsdaten zu finden und diese so aufzubereiten, dass sie auf das Problem passen. Das war in diesem Fall leicht: AlphaGo hatte Millionen Spielzüge aus bisherigen Go-Partien genutzt, um zu lernen, wie das Spiel funktioniert. Ein anderes Netz hatte derweil unzählige Male gegen sich selbst gespielt und so gelernt, wie erfolgreiche Strategien aussehen.

Die Voraussetzungen, daraus einen KI-Algorithmus zu entwickeln, sind quasi optimal. Was auf die meisten anderen Probleme, die wir künftig mit KI lösen wollen (DeepMind-Gründer Hassib Demis denkt beispielsweise an den Gesundheitsbereich oder persönliche Assistenten, die sich auf den Menschen einstellen), nicht zutrifft. Die Trainingsdaten sind meist nicht rein und längst nicht so eindeutig. In vielen Fällen können nicht einmal die Entwickler nachvollziehen, ob der Computer richtigliegt. Bei Go ist das ganz einfach: Wer gewinnt, hat recht. Google hat zudem die besten Köpfe, Geld für riesige Rechenpower und Daten ohne Ende: Wäre auf dieser Grundlage ein Sieg im Go über die Menschen nicht möglich gewesen, wäre es Zeit für den nächsten KI-Winter. Inwiefern künstliche Intelligenz in Zukunft "real-life"-Probleme lösen kann, wie Demis sagt, steht dennoch in den Sternen. Das echte Leben ist viel komplexer als Go.

Schreiben Sie uns!

7 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.