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Zahlengenerator: Was für ein Zufall!

Falsche Zufallszahlen sind nicht selten so gut getarnt, dass selbst Profis sie nicht entlarven. Dank einer neuen Methode lassen sich nun jedoch zweifelsfrei echte Zufallszahlen generieren.
Auch wenn wir im Alltag oft vom Zufall sprechen: Streng genommen ist ein "Zufall" stets vorherzusehen. Denn "die klassische Physik erlaubt einfach keine echte Zufälligkeit im engeren Sinn", erklärt Chris Monroe von der University of Maryland. Schließlich könne man jedes Ergebnis eines klassischen physikalischen Vorgangs mit genügend Informationen über die Anfangsbedingungen – zumindest theoretisch – genau vorhersagen.

Tatsächlich stellt es selbst gestandene Physiker vor ein Problem, den Zufall walten zu lassen. Zum Beispiel wenn es darum geht, echte Zufallszahlen zu erzeugen. Einen viel versprechenden Ausweg bieten Quantenprozesse: Sie lassen sich nicht vorherbestimmen, gehorchen stattdessen nur bestimmten Wahrscheinlichkeiten. Erst im Zuge einer Messung entscheidet sich das Quantenobjekt für einen der möglichen Zustände – etwa für einen bestimmten Ort.

Tatsächlich haben Physiker Quantenapparate entwickelt, mit denen sie diesen echten Zufall anzapfen können. "Wir müssen dann allerdings darauf vertrauen, dass das Gerät tatsächlich quantenmechanisch arbeitet und keine Überbleibsel der klassischen Physik in ihm stecken", gibt Monroe zu bedenken. Zwar existieren statistische Tests, die nach gewissen Mustern in Zufallszahlen suchen, doch eine hundertprozentige Garantie gibt es letztlich nie – alle möglichen Muster können nicht berücksichtigt werden. Monroe und sein Team haben nun einen eleganten Weg gewählt, um diese Unsicherheit zu umgehen.

Die Grundlage bildet eine Idee aus dem Jahr 1964: Der Physiker John Bell ersann damals eine Methode, um eine zentrale Hypothese der Quantenmechanik zu überprüfen. Denn zu dieser Zeit stritten sich Physiker bereits seit vielen Jahren darüber, ob unter Quantenobjekten eine seltsame Eigenschaft namens Verschränkung existiert und wie diese zu erklären sei. Verschränkte Lichtquanten oder Atome sollten nämlich auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden sein und unabhängig von ihrer Entfernung um den Zustand des anderen wissen.

Versuchsaufbau | Die Wissenschaftler fangen die von den angeregten Atomen emittierten Lichtquanten mit Hilfe von Linsen ein und geben sie an zwei Glasfaserkabel weiter, welche die Photonen von links beziehungsweise von rechts auf einen Strahlteiler leiten. Hier ist es gleich wahrscheinlich für die Lichtquanten entweder reflektiert oder durchgelassen zu werden. In den meisten Fällen löschen sich die Photonen auf einer Seite gegenseitig aus, und nur ein Detektor springt an. Interferieren die Lichtwellen aber in der Art, dass beide Detektoren zur selben Zeit anschlagen, sind die Atome verschränkt. Denn es ist physikalisch unmöglich zu rekonstruieren, von welchem Atom welches Photon stammt.
Veranschaulichen lässt sich dies durch entgegengesetzt polarisierte Photonen – die Schwingungsebene des Lichts ist hier um 180 Grad gedreht –, die aus derselben Quelle stammen und sich voneinander fortbewegen. Solange die Polarisation nicht überprüft wird, schwingen die Lichtteilchen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in einer der beiden möglichen Richtungen – ganz nach Quantenmanier. Misst man nun jedoch die Polarisation bei einem Lichtteilchen, ist diese Eigenschaft nicht nur für das kontrollierte Teilchen, sondern gleichzeitig auch für den verschränkten Partner festgelegt.

Viele Wissenschaftler, insbesondere Albert Einstein, waren mit dieser Anschauung absolut unzufrieden. Er und andere glaubten, dass die später gemessenen Werte den Teilchen bereits als verborgene Variable mit auf den Weg gegeben wurden und das Ergebnis der Messung zu jedem Zeitpunkt feststand. Schließlich würde Gott nicht würfeln.

Mit mathematischen Spielereien gelang es Bell, eine experimentell überprüfbare Eigenart von solchen verschränkten Systemen aufzuspüren: Er leitete eine Ungleichung ab, die erfüllt sein muss, wenn die Messwerte von zwei verschränkten Photonen bereits vor einer Messung festgelegt wären. Tatsächlich konnte einige Jahre später mit polarisierten Photonen gezeigt werden, dass diese Ungleichung verletzt wird und die Quantenmechanik weder lokal noch deterministisch ist.

Und auf die letzte Eigenschaft von Quantensystem hatten es Monroe und seine Kollegen ja gerade abgesehen. Also machten sie sich Bells Ungleichung für ihren Zufallszahlengenerator zu Nutze. "Ein Verstoß gegen die Ungleichheit ist schließlich nur möglich, wenn das System den Gesetzen der Quantenmechanik gehorcht", erklärt Teammitglied Dzmitry Matsukevich.

Die Wissenschaftler brachten zwei Ytterbiumatome in zwei isolierte und einen Meter voneinander entfernte Behälter. Diese Distanz sorgt dafür, dass sich Teilchen nicht gegenseitig beeinflussen. Anschließend verschränkten sie die beiden Atome mit Hilfe einzelner Photonen. Sobald die Verschränkung geglückt war, drehten die Forscher jedes Atom nach dem Zufallsprinzip und kontrollierten das von den Teilchen ausgesendete Licht.

Aus den Messergebnissen generierte das Forscherteam dann eine Reihe von binären Zahlen. Im Lauf eines Monat registrierte es mehr als 3000 Verschränkungsereignisse, wobei sie kein einziges ausließen. Auf diese Weise bewiesen sie nicht nur die Verletzung der Bell´schen Ungleichung, sondern konnten absolut sicher sein, dass in ihren Quantensystemen der echte Zufall herrscht.

Mit der neuen Methode erzeugten die Physiker eine Zeichenfolge von 42 echt zufälligen binären Zahlen – mit einem Konfidenzniveau von 99 Prozent. Die Produktion der Zufallszahlen läuft momentan also noch extrem langsam. "In den kommenden Jahren erwarten wir aber eine um Größenordnungen höhere Geschwindigkeit", berichtet Monroe. Erreichen wollen die Wissenschaftler das durch eine noch effizientere Verschränkung der Atome.

Dann würde der neue Zufallszahlengenerator womöglich auch für die Verschlüsselung von Daten eingesetzt werden können. Denn der große Vorteil der Methode liegt neben der echten Zufälligkeit auch darin, dass die ausgespuckten Zahlen absolut exklusiv sind. Schließlich erscheint die eine oder andere Zahl nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, bis sie tatsächlich ausgeworfen wird – und bis dahin kann sie auch kein Gegenspieler kennen.

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