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News: Was Odysseus nicht wußte

Bestimmte natürliche Toxine können dazu führen, daß Jungetiere mit nur einem Auge und einem mißgebildeten Gehirn zur Welt kommen. Der Grund dafür ist, daß die Toxine embryonale Zellen daran hindern, auf ein entscheidendes molekulares Signal zu reagieren. Forscher vermuten, die Toxine stören die Bewegung des Cholesterins innerhalb der Zelle. Diese Erkenntnis läßt einige Wissenschaftler darüber spekulieren, ob Cholesterin der Schlüssel zur Bekämpfung ähnlicher Geburtsfehler bei Menschen sein könnte.
Die Mißbildung-auslösenden Substanzen oder Teratogene erlangten in den frühen 60igern eine traurige Berühmtheit, als die Geburt vieler zyklopischer Lämmer die Forscher zu einer Teratogen-reichen Pflanze führte, der kalifornischen Kornlilie (Veratrum californicum), welche die Mutterschafe gefressen hatten. In einer Laborstudie, deren Ergebnisse in Science vom 5. Juni 1998 präsentiert werden, untersuchten Forscher unter der Führung von Philip Beachy von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, wie diese Teratogene ein Entwicklungssignal, das Sonic hedgehog (Shh), beeinflussen, welches die Entwicklung des Vorderhirns und des Gesichts steuert. Zellen, die mit den Toxinen behandelt worden waren, ignorierten das Shh-Protein, so daß dieses nicht die Gene an- und auszuschalten kann, die es normalerweise steuert. "Es ist ein aktives Signal vorhanden, aber keine Reaktion", bemerkt Beachy.

Eine Erklärung dafür könnte die Verteilung des Cholesterins in den behandelten Zellen sein. Die Forscher fanden erhöhte Konzentrationen auf der Zelloberfläche und einen Mangel im endoplasmatischen Retikulum (ER) – dem Zellkompartiment, in dem Cholesterin erzeugt wird. Es macht Sinn, daß eine defekte Cholesterin-Bewegung die Shh-Signalwirkung stört, sagt Beachy. Ein Protein mit Namen Patched bindet Shh und spielt eine entscheidende Rolle bei dessen Signalwirkung. Zudem enthält es eine vergleichbare Aminosäuresequenz, wie sie in Cholesterin-regulierenden Proteinen vorkommt. Diese Proteinen nutzen die spezifische Aminosäuresequenz zur Messung der Cholesterin-Konzentration in der Zelle. Beachy spekuliert, daß ein Mangel an Cholesterin im ER, der vom Patched-Protein bemerkt wird, das Protein in einen inaktiven Zustand verbleiben läßt und es daran hindert, das Shh-Signal zu übertragen. Das könnte dazu führen, daß die Zell-Entwicklung fehlerhaft abläuft und Zyklopie (Gesichtsmißbildung) bewirkt.

Beachys Szenario ist umstritten, aber die Arbeit führt zu einer neuen Betrachtungsweise des Cholesterins. "Diese Arbeit eröffnet eine völlig neue Rolle für Cholesterin und wirft eine Menge interessanter Fragen auf", sagt Yvonne Lange, Zellbiologin am Rush-Presbyterian-St. Luke's Medical Center in Chicago. Eine der interessantesten ist: Spielen die Ernährung der Mutter und der Cholesterin-Stoffwechsel eine Rolle bei der Festlegung der Schwere von Geburtsfehlern bei Menschen, die von einem subtilen Fehler – einem oberen Schneidezahn anstelle zweier – bis hin zur Zyklopie reichen können?

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