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Exotisches Material: Wasserstoff in der Schraubzange

Unter Extremdruck wird Wasserstoff fest. Eine neu entdeckte Phase könnte den Weg zu atomarem metallischem Wasserstoff weisen - einem technologisch hochinteressanten Material.
Experiment zur Erzeugung atomaren metallischen Wasserstoffs

Supraleitung bei Raumtemperatur ist eines der großen Ziele in der Energieforschung. Ein erstaunlich simpler Kandidat – der chemisch sogar absolut einfachste – hierfür ist atomarer metallischer Wasserstoff. Das Problem dabei: Wasserstoff ist ein hochreaktives Element und liegt deshalb molekular gebunden vor. Auch in einer reinen Wasserstoffatmosphäre verbinden sich die Wasserstoffatome zu H2-Molekülen. Kühlt man ein reines Wasserstoffgas ab, so kondensiert es gut 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt zu einer Flüssigkeit. Noch ein wenig kälter, und es bildet einen Festkörper. Dabei bleibt aber die starke Bindung zwischen den Wasserstoffatomen erhalten; man spricht deshalb von molekularem Wasserstoff.

Um diese starke Bindung aufzubrechen, benötigt man entweder eine hohe Temperatur oder extrem hohen Druck. Vor allem hohe Drücke interessieren die Forscher, denn unter diesen Bedingungen bleibt der Wasserstoff fest, und man hätte ein ganz neues Material: atomaren metallischen Wasserstoff. Nun sind diese Zusammenhänge bereits seit mehr als 80 Jahren theoretisch bekannt. Experimentell nachweisen ließ sich diese Form des Wasserstoffs bislang aber selbst trotz großer Anstrengungen nicht. Ein Wissenschaftlerteam von der University of Edinburgh konnte jetzt aber einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg dorthin erzielen.

Mit Hilfe einer Diamantstempelzelle konnten die Forscher Wasserstoff unter einen so hohen Druck setzen, wie er im Zentrum der Erde besteht. Bei solchen Diamantstempelzellen sitzen zwei geschliffene Diamanten genau gegenüber und werden aufeinandergepresst. An der schmalen Stirnseite lassen sich so außerordentlich hohe Drücke erzielen. Diamant eignet sich aus zwei Gründen hervorragend für solche Experimente. Zum einen ist es eines der härtesten bekannten Materialien, und zum anderen ist es transparent. Man kann die Probe im Innern der beiden Stempel also von außen beleuchten und spektroskopisch untersuchen. Dabei sind solche Diamantstempelzellen erstaunlich klein. "Sie passen in eine Handfläche", erklärt Philip Dalladay-Simpson, Erstautor der neuen Studie.

Metallische Phase könnte stabil sein

Wie die Wissenschaftler herausfanden, änderten sich bei Drücken jenseits von 320 Gigapascal und bei Raumtemperatur die Eigenschaften des Wasserstoffs, er nahm eine neue Phase an. Diese Phase V zeigte bereits Anzeichen des erwünschten metallisch-atomaren Wasserstoffs. "Aber unsere Forschung gibt nur einen ersten Blick auf den Beginn metallischen Wasserstoffs", so Dalladay-Simpson. Erst kürzlich wurde Phase IV entdeckt, die eine Mischung aus molekularem und atomarem Wasserstoff darstellt. Bei Raumtemperatur waren dafür 230 Gigapascal notwendig.

Was sich mit der neuen Substanz machen lässt, wenn sie erst einmal nachgewiesen ist, ist allerdings noch offen. Theoretische Berechnungen machen Hoffnung: Atomar-metallischer Wasserstoff sollte metastabil sein. Reduziert man den Druck, könnte er seine Eigenschaften behalten – ähnlich wie Diamant, der auch nur bei sehr hohen Drücken aus Kohlenstoff entsteht. Allerdings ist es schwierig, den Druck einfach so zu reduzieren, ohne die unter extremer Spannung stehenden Diamanten zu zerstören. Die Forscher wählten deshalb einen anderen Weg und erhöhten die Temperatur um 200 Grad. Dabei blieb die Phase V stabil.

Mit heutigen Methoden lassen sich in den Diamantstempelzellen jedoch nur sehr kleine Mengen solchen Wasserstoffs erzeugen. "Das typische Volumen entspricht nur etwa dem einer roten Blutzelle", so Dalladay-Simpson. Insbesondere für Planetenforscher werden die Ergebnisse aber sehr interessant sein. Denn im Innern großer Planeten könnten sich große Mengen von Wasserstoff in genau solchen Aggregatzuständen befinden.

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