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10 Jahre Smartphones: Wearables - die Zukunft trägt Smart

Immer mehr elektronische Hilfsmittel etwa zur Kommunikation oder Datenerfassung trägt man direkt am Körper. Wo führen Smartwatches oder Fitnessbänder uns hin?
Torso einer sportlich gekleideten Frau, im Vordergrund Arm mit Smartwatch am Handgelenk. (der Körper ist vermutlich vollständig und unbeschädigt, der Rest ist nur außerhalb des Bildausschnitts)

Der gelbe Mantel flattert im Wind; Polizeiinspektor Dick Tracy ist in Eile. Sein Alltagsgeschäft ist die Verbrecherjagd in den Straßen Chicagos. Dann vibriert seine Uhr, ein Anruf in einem ziemlich unpassenden Moment. Der Comic-Held Dick Tracy war wohl die erste Person, die eine "Smartwatch" besaß. Seine Abenteuer druckten Zeitungen in den 1930er Jahren erstmals ab, die legendäre Zweikanal-Funkuhr ist seit 1946 mit dabei – das wohl coolste Gimmick für eine ganze Generation Heranwachsender.

Computersysteme, die man direkt am Körper trägt, fasst man unter dem Begriff "Wearables" zusammen. Dazu gehören neben den beschrieben "schlauen Uhren" zum Beispiel Fitnessarmbänder, die insbesondere gesundheitsrelevante Daten aufzeichnen. Ferner Kleidungsstücke, in die elektronische Hilfsmittel eingearbeitet sind, etwa Jacken, die Musik wiedergeben können, oder Shirts, ausgestattet mit GPS-Modul und Pulsmesser. Es gibt Bikinis mit eingearbeiteten Sensoren, die vor einer Überdosis Sonnenlicht warnen, und Joggingschuhe, die den Laufstil analysieren.

Smart und smarter

Den Anfang machte 2015 Apple-CEO Tim Cook. Als er die Smartwatch seiner Firma der Öffentlichkeit präsentierte, erinnerte er sich an die Uhr seines Helden aus Kindertagen: Seit er ein fünfjähriger Junge gewesen sei, habe er so etwas herstellen wollen wie Dick Tracys Kult-Gadget. Doch die Applewatch kann viel mehr. Bei ihr handelt es sich nämlich um einen Minicomputer mit einem eigenem Betriebssystem und Touchscreen, dessen Anzeige der Nutzer ganz nach seinen persönlichen Vorlieben gestalten kann. Nicht nur Apple hat solch ein Produkt in der Palette, auch viele andere Hersteller produzieren heutzutage Smartwatches. Im Allgemeinen können sie verschiedene Apps ausführen, und der Träger kann damit etwa seine Mails abrufen, seinen Facebook-Status checken oder sogar verschiedene Körperdaten messen, wie Puls oder Anzahl der verbrannten Kalorien.

Noch etwas "smarter" ist die Datenbrille Google Glass, ein Minicomputer, der wie ein Brillengestell getragen wird. In der Peripherie des Sichtfelds befindet sich ein optisches Display, das beispielsweise die neueste E-Mail einblendet. Eine integrierte Digitalkamera filmt bei Bedarf die Umgebung. Aus dem Internet unmittelbar bezogene Daten stellen wiederum Informationen über die aufgenommene Umwelt zur Verfügung. Bislang ist Google Glass aber nicht offiziell im Handel und wird es womöglich auch nie sein. Denn die Online-Verkäufe im Rahmen eines Testprogramms blieben stark hinter den Erwartungen zurück.

Vielleicht liegt das an der ungewöhnlichen Erscheinung der Computerbrille. Wohl auch deshalb arbeiten verschiedene Firmen bereits an so genannten Smart Lenses. Diese würde man wie Kontaktlinsen direkt auf dem Auge tragen. Zum einen könnten sie ähnliche Funktionen wie die Datenbrille übernehmen, zum anderen die Sicht über das normale Maß hinweg verbessern. An der University of Michigan forschen Wissenschaftler an einer Variante, die es uns ermöglichen soll, bei Dunkelheit zu sehen. Zudem ist denkbar, dass die Smart Lenses gesundheitsrelevante Daten aufzeichnen. Verily Life Sciences – ursprünglich einmal eine Abteilung von Google X, einer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung des Suchmaschinenriesen – arbeitet etwa an Modellen, die bei Diabetespatienten permanent den Blutzucker messen.

Fit und fitter

Ohnehin ist die Gesundheit der Menschen bereits jetzt vielen Herstellern von Wearables wichtig, zumindest wenn man ihren Produktbeschreibungen glaubt: Apple wirbt etwa für das neueste Modell folgendermaßen: "Die neue Apple-Watch ist perfekt, um gesund zu bleiben." Und bei den Fitnessarmbändern ist das sowieso offenkundig; sie existieren nur aus dem Grund, den körperlichen Zustand des Trägers zu überwachen und sein Trainingsprogramm zu optimieren.

Google Glass | Ihrer Zeit voraus oder einfach unbrauchbar? Googles Datenbrille floppte.

Ähnlich verhält es sich mit anderen elektronisch aufgerüsteten Gegenständen wie Shirts, Laufschuhen oder gar Ohrstöpseln mit integrierten Sensoren. Die permanente Selbstvermessung hat anscheinend zum Ziel, das eigene Leben effizienter und gesünder zu gestalten. Und die Wissenschaft bestätigte bereits den Nutzen. So berichten Forscher um den Mediziner Michael Snyder von der Standford University School of Medicine in einer Veröffentlichung vom Januar 2017, dass die tragbaren Sensoren beispielsweise Entzündungen früh identifizieren können. Gemäß den Autoren werde diese Technik vielleicht eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsversorgung von bestimmten Gruppen spielen, die aus sozioökonomischen oder geografischen Gründen nicht die übliche Standardversorgung bekommen. Ihr Resümee: "Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass tragbare Biosensoren nützliche Informationen über persönliche Aktivitäten und Physiologie liefern."

Am Willen, solche körper- und umweltbezogenen Daten aufzuzeichnen, mangelt es in der Bevölkerung nicht. Laut den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder dokumentiert schon knapp ein Drittel der Deutschen ab 14 Jahren auswertungsfähige Körperdaten entweder mittels Wearables oder Apps auf dem Smartphone . Am weitesten führt den Drang zur individuellen Vermessung die so genannte Quantified-Self-Bewegung. Das ist ein Zusammenschluss von Personen weltweit, deren Mission gemäß der Internetseite quantifiedself.com folgende ist: "… neue Entdeckungen über uns selbst und unsere Gemeinschaft zu unterstützen, die auf genauen Beobachtungen basieren und von einem Geist der Freundschaft belebt sind" (… to support new discoveries about ourselves and our communities that are grounded in accurate observation and enlivened by a spirit of friendship).

Immer mehr Daten

Diese fast schon sektenhaft anmutende Mission bedeutet vereinfacht nichts anderes, als durch exakte Aufzeichnung von körperrelevanten und umweltbezogenen Daten (self-tracking) mehr über sich selbst zu erfahren. Ziel ist es, die Entwicklung gewissermaßen zu steuern – hin zu einem verbesserten körperlichen und emotionalen Zustand. Begonnen haben diese Bewegung die beiden amerikanischen "Wired"-Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly. 2007 gründeten sie die Website, ein Jahr später fand bereits das erste Treffen mit Gleichgesinnten in Kalifornien statt. In den darauf folgenden Jahren entstanden Quantified-Self-Gruppen auf der ganzen Welt. Seit 2011 tauschen sich ihre Mitglieder, Entwickler und Vertreter aus der Gesundheitsbranche auf internationalen Konferenzen aus.

Bereits lange vor dieser Bewegung war es für chronisch Kranke oder Spitzensportler Alltag, regelmäßig ihre Vitalitätswerte zu messen und Aktivitäten zu dokumentieren. Nun ist diese Selbstkontrolle anscheinend beim Durchschnittsmenschen angekommen. Firmen wie Google oder Apple erhalten damit noch umfangreichere Nutzerprofile. Neben Hobbys, Freunden, politischer Gesinnung und vielem mehr haben sie jetzt auch Zugriff auf den Gesundheitszustand. Es überrascht deshalb nicht, dass Krankenkassen auf den Trend des Self-Trackings aufmerksam geworden sind. Manche testen bereits, ob man mit Hilfe der Fitnessüberwachung Bonusprogramme für die Mitglieder entwerfen kann. Wohl bald wird man anhand der Daten diejenigen Individuen herausfiltern, die viel für ihre Gesundheit tun – und auch die anderen.

Synchronisierende Smart Devices | Immer mehr Geräte sammeln immer mehr Gesundheitsdaten – eine Gefahr für die Gesellschaft?

Darüber hinaus werden Algorithmen berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, und somit Risikogruppen identifizieren. Das kann durchaus positiv eingesetzt werden: Neben Präventionsmaßnahmen und personalisierten Behandlungen sehen manche in den Daten die Chance, Pandemien zügiger einzudämmen. Doch was wären die Konsequenzen? Werden Bewegungsprofile offengelegt, Kontakte mit bestimmten Personen untersagt? Dürften dann manche das Haus nicht mehr verlassen oder nur zu gewissen Zeiten? Andere müssten zur einer Vorsorgeuntersuchung oder gar einer Vorsorgebehandlung?

Dick Tracy, du hast es besser!

Vor solche Szenarien warnen Datenschützer. Sie kritisieren die immer stärkere Einschränkung der Privatsphäre, so geschehen bei der Datenbrille von Google. Es formierte sich breiter Widerstand gegen deren Einführung, weil sie unauffällig die Umgebung des Trägers filmen kann und diese sensiblen Daten auf googleeigene Server überträgt. Auch bei den Fitnessarmbändern und den Smartwatches wird Privatsphäre von den Herstellern anscheinend nicht allzu großgeschrieben. Datenschutzaufsichtsbehörden verschiedener Bundesländer überprüften 2016 insgesamt 16 Wearables von Herstellern, die rund 70 Prozent des Marktanteils in Deutschland abdecken. Ihr nüchternes Fazit: Die meisten Datenschutzerklärungen erfüllen nicht die gesetzlichen Anforderungen. Die Behörden kritisieren etwa, dass der Nutzer oftmals nur pauschale Datenschutzerklärungen vorgelegt bekommt, aus welchen nicht hervorgeht, was mit den Daten passiert und wer Zugang dazu hat.

Laut den Behörden sind viele der Aufzeichnungen aber besonders schützenswert, da sich daraus ein erstaunlich präzises Bild des Tagesablaufs und Gesundheitszustands ergebe. Insbesondere weil man alle Einzelinformationen mit Standortdaten verknüpfe könne. Es ergäben sich die Möglichkeiten, Schlussfolgerungen wie etwa folgende zu ziehen: Der Nutzer schläft unruhig, da er am Vorabend eine Bar besucht und dort vermutlich Alkohol konsumiert hat.

Dick Tracy musste sich vor solchen "unlauteren Spionagetechniken" noch nicht in Acht nehmen. Ihn konnte lediglich ein Anrufer in unpassenden Situationen stören. Das passiert mit den modernen Smartwatches natürlich auch weiterhin. Vor allem da mit ihnen die Erreichbarkeit weiter zunimmt. Doch die Kommunikation an sich wird sich wohl durch Wearables nicht noch einmal grundlegend verändern. Das haben die Smartphones und das Internet bereits getan. Vielmehr machen sie die Menschen und ihr Verhalten quantifizierbar – in einem Ausmaß, wie es bisher nicht möglich war.

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