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Evolution: Wechselnde Brutzeiten fördern Artbildung

Madeira-Wellenläufer
Der Madeira-Wellenläufer könnte sich in der nächsten Zeit in mehrere neue Arten aufspalten, weil sich einzelne Populationen zwar den exakt selben Brutplatz teilen, ihn aber zu völlig unterschiedlichen Perioden belegen. Damit würde eine alte Hypothese von Charles Darwin aus dem Jahr 1859 bestätigt, nach der sich nahe verwandte Spezies auch ohne geografische Barrieren am gleichen Ort ausbilden können.

Vicki Friesen und ihr Team von der Queen's-Universität im kanadischen Kingston haben nun aber erstmals bei Vögeln nachgewiesen, wie sich Arten rein durch zeitlich unterschiedliche Brutgeschäfte auseinander entwickeln. Sie verglichen DNA-Proben von Madeira-Wellenläufern (Oceanodroma castro), die rund um die Welt auf ozeanischen Inseln wie Galapagos, den Kapverden oder Japan in Erdhöhlen nisten, die sie Jahr für Jahr neuerlich aufsuchen. Eine Hälfte der Seevögel besetzt dabei den Brutplatz stets im Sommer und zieht darin seine Jungen groß, bevor er den Winter auf See verbringt – der andere Teil nutzt dagegen das Nest im Winter und bleibt während des Sommers auf dem Meer.

Sommer- und Winterbrüter | Die Sommer- und Winterbrüter der Madeira-Wellenläufer auf den Azoren unterscheiden sich auch schon körperlich: Die Vögel, die in der heißen Jahreszeit nisten, sind kleiner, legen leichtere Eier und haben längere Flügel und Schwanzfedern.
Die analysierten Blutproben bestätigen, dass beide Gruppen sich genetisch deutlich unterscheiden und folglich kaum mehr miteinander paaren. In mindestens zwei der untersuchten Archipele pflanzen sich die saisonal getrennten Populationen sogar überhaupt nicht mehr untereinander fort. Maximal reichte die genetische Trennung bis zu 180 000 Jahre zurück, die jüngste Auseinanderentwicklung begann vor immerhin tausend Jahren.

Frühere Untersuchungen von Wellenläufern auf den Azoren haben zudem gezeigt, dass sich die dortigen Sommer- und Winterbrüter bereits äußerlich unterscheiden: Erstere wiegen weniger und legen kleinere Eier, besitzen aber längere Flügel und Schwanzfedern. Womöglich wichen sie auf die heiße Jahreszeit aus, weil sich im Winter zu viel Konkurrenz um gute Brutplätze drängelte. Die Vögel erkauften dieses Ausweichen allerdings mit einem knapperen Nahrungsangebot, was längere und häufigere Flüge zu den Fanggründen nötig macht und womöglich die körperlichen Anpassungen verursachte. Alle Tiere sind jedoch bislang noch so eng miteinander verwandt, dass sie theoretisch gesunde und fruchtbare Nachkommen zeugen könnten, weshalb sie noch keinen eigenen Artstatus erhalten. (dl)

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