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News: Wen es härter trifft

Das Leben steckt voller Schicksalsschläge. Während manche von uns diese scheinbar mühelos wegstecken, fallen andere in tiefe Depressionen. Ein Gen könnte dafür verantwortlich sein, wie robust wir reagieren.
Stress
"Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt! Jener Tag soll finster sein, und Gott droben frage nicht nach ihm! Kein Glanz soll über ihm scheinen! Finsternis und Dunkel sollen ihn überwältigen und düstere Wolken über ihm bleiben, und Verfinsterung am Tage mache ihn schrecklich!"

Es muss einen nicht gleich so hart treffen wie einst Hiob, der an seinem schweren Schicksal schier verzweifelte, das Leben hat auch so manch unliebsame Überraschungen parat: Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, der Verlust eines geliebten Menschen. Mitunter kommt alles auf einmal, und dennoch vermögen viele Menschen schwere Schicksalsschläge mit einer stoischen Gelassenheit zu ertragen. Andere sind da weniger glücklich: Selbst geringfügige Anlässe bringen sie aus dem seelischen Gleichgewicht, schwere Depressionen, ja Selbstmordgedanken können die Folge sein.

Weltweit 121 Millionen Menschen leiden heute nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO an Depressionen. "Wenn der gegenwärtige Trend sich fortsetzt, wird Depression bis zum Jahr 2020 die häufigste Krankheit sein", vermutet die Psychologin Terrie Moffitt vom King's College London.

Doch was sind die Ursachen dieser traurigen Verstimmungen, bei denen die Betroffenen keinen Schlaf finden, die ihnen jegliche Motivation rauben und die jeden klaren Gedanken zu blockieren scheinen? Auch wenn die Wissenschaft hier noch im Dunkeln tappt, gibt es bereits Hinweise, dass der Neurotransmitterhaushalt der Betroffenen gestört ist. Insbesondere der Botenstoff Serotonin scheint im Gehirn depressiver Menschen in zu niedrigen Konzentrationen vorzuliegen.

Aufgrund von Tierversuchen mit Mäusen und Affen hatten Wissenschaftler bereits einen Zusammenhang zwischen Depressionen und einem Transportmolekül für Serotonin vermutet. Deswegen suchte jetzt Moffitt zusammen mit Avshalom Caspi und weiteren Forschern nach Variationen des Gens 5-HTT, das genau für diesen Transporter codiert.

Den Wissenschaftlern kam dabei eine langjährige Studie aus Neuseeland zu Hilfe: Im Rahmen der Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study ist das Leben von über 1000 Neuseeländern, die in den Jahren 1972 und 1973 geboren wurden, über viele Jahre beobachtet worden. Von 847 Studienteilnehmern konnten die Forscher das Gen 5-HTT untersuchen.

Dabei zeigte sich, dass das Gen in zwei Versionen vorkommt: einer kürzeren und einer längeren. 265 Personen hatten von beiden Eltern die längere Variante geerbt, während 147 homozygot, also reinerbig für die kurze Version waren. Die meisten, nämlich 435 Menschen, waren mischerbig oder heterozygot; bei ihnen lag jeweils ein Allel für die kurze und eines für die lange Version vor.

Unabhängig von ihren Genen hatte das Schicksal bei diesen Menschen zugeschlagen: Während ein Viertel zwischen ihrem 21. und 26. Geburtstag von einem harten Schlag wie dem Verlust des Arbeitsplatzes, einer schweren Krankheit oder Liebeskummer getroffen waren, mussten 15 Prozent vier oder sogar noch mehr dieser Krisen bewältigen. 30 Prozent hatten dagegen Glück, ihnen ist innerhalb dieser fünf Jahre nichts Schlimmes zugestoßen.

Wie nicht weiter überrascht, traten bei den Personen, die am meisten mit dem Schicksal haderten, besonders häufig Depressionen auf. Insgesamt 17 Prozent der Studienteilnehmer litten wenigstens einmal unter Depressionen, bei drei Prozent tauchten sogar Selbstmordgedanken auf.

Diese Zahlen spiegeln die normale Verteilung depressiver Störungen wider. Doch als die Forscher diese Werte mit den genetischen Daten korrelierten, erlebten sie eine Überraschung: 33 Prozent der Personen, die heterozygot für das Gen 5-HTT waren und mehrere Schicksalsschläge verkraften mussten, wurden depressiv. Diejenigen, welche von beiden Eltern die lange Version des Gens geerbt hatten, zeigten sich deutlich robuster; nur 17 Prozent von ihnen litten unter Depressionen. Bei dem Personenkreis, der homozygot für die kurze Genversion war, stieg die Anfälligkeit dagegen auf das 2,5fache an: 43 Prozent von ihnen neigten zu depressiven Störungen.

Damit scheint die lange Version von 5-HTT einen gewissen Schutz vor depressiven Störungen nach schweren Lebenskrisen zu bieten. Die Forscher betonen jedoch, dass das Gen nicht die Ursache des Leidens ist. "Wir behaupten nicht, dass ein Gen eine Krankheit auslöst", sagt Moffitt. "Wir glauben vielmehr, dass das Gen dazu beitragen kann, Menschen gegen die negativen psychologischen Effekte der unvorhersehbaren Belastungen des Lebens zu schützen."

Ob diese Genvariante auch Hiob half, seine schweren Schicksalsschläge letztendlich doch noch zu verkraften, ist in der Bibel nicht überliefert. Hier heißt es nur: "Hiob lebte danach hundertundvierzig Jahre und sah Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Glied. Und Hiob starb alt und lebenssatt."

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