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Evolution: Weniger ist manchmal mehr

Nicht alle Primatenlinien machten den Trend zu größeren Gehirnen mit.
Zwerg-Mausmaki
Bislang glaubten Forscher, Primaten hätten im Laufe der Evolution generell immer größere Gehirne entwickelt. Ein Team um den britischen Zoologen Stephen Montgomery von der University of Cambridge widerspricht nun dieser Annahme: Es gebe zwar allgemein einen evolutionären Trend zu mehr Masse. In manchen Entwicklungslinien habe das Hirnvolumen im Lauf der Zeit jedoch auch abgenommen.

Die Wissenschaftler werteten die verfügbaren Daten zu 37 lebenden und 23 ausgestorbenen Primatenarten aus und ermittelten jeweils die Hirn- und Körpermasse der Spezies. Ergebnis: Die Gehirne legten im Durchschnitt tatsächlich zu, sowohl absolut als auch im Verhältnis zum übrigen Körper. In einigen Zweigen der Primatenfamilie, etwa bei Maus-Lemuren, schrumpften die Denkorgane allerdings. Die Veränderungen von Körper- und Hirnvolumen unterliegen offenbar unterschiedlichem Selektionsdruck, so die Forscher. Einige Primaten wie etwa Gorillas legten gegenüber ihren Vorfahren vor allem an Körpermasse zu, um bessere Karten im Überlebenkampf am Boden zu haben. Gibbons oder Colobuaffen hingegen, die eine andere ökologische Nische besetzten, wurden schlanker – und damit wendigere Kletterer.

Möglicherweise helfen die Ergebnisse auch zu klären, ob der "Homo floresiensis" eine eigene Art darstellt oder nicht. Überreste dieses menschenähnlichen, nur gut einen Meter großen Primaten wurden 2003 auf der indonesischen Insel Flores entdeckt. Während manche Forscher glauben, dass es sich dabei um eine eigene Art handelt, bezweifeln andere dies unter anderem wegen des extrem kleinen Gehirns. Demnach gehörten die Knochen zu dem Vertreter einer anderen, bereits bekannten Art, der etwa krankheitsbedingt von geringem Wuchs war. Laut Montgomery stellen menschenähnliche Spezies mit mickrigen Gehirnen jedoch keinen entwicklungsgeschichtlichen Widerspruch dar. (ja)


Montgomery, S. H. et al.: Reconstructing the Ups and Downs of Primate Brain Evolution: Implications for Adaptive Hypotheses and Homo floresiensis. In: BMC Biology 10.1186/1741-7007-8-9, 2010.

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