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Bildgebendes Verfahren: Wenn das WLAN die Wohnung ausspioniert

Zwei Münchner Wissenschaftler verwandeln einen handelsüblichen WLAN-Router in ein Mini-Radar, das Gegenstände im Umfeld sichtbar macht.
Kreuz aus Aluminiumfolie - per WLAN sichtbar gemacht

Die meisten Menschen dürften ein positives Verhältnis zu ihrem WLAN-Router haben: Einmal eingerichtet, verbindet die kleine Box die Computer des heimischen Netzwerks drahtlos mit dem Internet. Ein Laborexperiment Münchner Physiker zeigt nun jedoch, dass sich das Gerät auch anders nutzen lässt – als eine Art Mini-Radar, mit dessen Hilfe Außenstehende die räumliche Umgebung des Routers ausspionieren könnten.

Möglich machen das die Funkwellen, die der WLAN-Router in alle Richtungen aussendet. Treffen sie auf ein Hindernis, werden sie teilweise umgelenkt. Gelänge es jemandem, die Wellen nach einigen Metern wieder aufzufangen und ihre Eigenschaften zu analysieren, könnte er Rückschlüsse über etwaige Objekte zwischen Sender und Empfänger ziehen. Auf diese Weise ließe sich von außen in eine Wohnung schauen. Geheimdienste könnten sogar die Bewegungen der Bewohner in Echtzeit verfolgen.

Theoretisch zumindest. Die Realisierung der Idee stellt Wissenschaftler seit Längerem vor eine Herausforderung. WLAN funkt, anders als Radar, nur in einem recht schmalen Frequenzbereich. Das erschwert die Auswertung der reflektierten Signale. Auch wird die Mikrowellenstrahlung des Senders von etlichen Oberflächen umgelenkt – aus dem resultierenden Wellenchaos lässt sich nur mit großem Aufwand etwas Sinnvolles herauslesen.

Versuchsaufbau WLAN-Holografie | Mit Hilfe zweier Antennen rekonstruierten Forscher das Umfeld eines WLAN-Senders.

Bisherige Versuche, mit WLAN-Wellen Bilder zu schießen, setzten daher auf spezielle Versuchsarrangements, zum Beispiel stark fokussierte Mikrowellenstrahlung oder kurze Pulse mit größerer Frequenzbreite. Philipp Holl und Friedemann Reinhard von der Technischen Universität München bedienten sich nun eines anderen Tricks: Sie erzeugten ein so genanntes Hologramm der Mikrowellenstrahlung. Darunter verstehen Physiker ein zweidimensionales Bild, das präzise Informationen über die Veränderungen der Welleneigenschaften auf dem Weg vom Sender zum Empfänger enthält.

Hologramme sind eigentlich der Traum von Leuten, die Bildern eine dritte Dimension geben wollen. Dazu erfassen Experimentatoren die so genannte Phase der von einem Objekt umgelenkten Lichtwellen. Sie gibt Auskunft über den Schwingungszustand der Wellen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Punkt im Raum. Aus der Überlagerung der Wellen mit nicht veränderten "Referenzwellen" ergibt sich ein charakteristisches, zweidimensionales Muster – das Hologramm. Bescheint man es anschließend mit Licht, dessen Eigenschaften denen der Referenzwellen gleichen, erscheint ein dreidimensionales Bild des aufgenommenen Gegenstands im Raum.

Ein Lichtbild-Hologramm wird in der Regel auf einer Fotoplatte festgehalten (dort wird für jedes Pixel neben der Farbe und Lichtintensität auch die Phasenverschiebung gespeichert). Für Funkstrahlung, deren Wellenlänge viel größer ist, kommen Fotoplatten nicht in Frage. Holl und Reinhard nutzen stattdessen zwei Empfangsantennen, die sie für ihren Versuch in einigen Metern Abstand des WLAN-Senders aufstellten. Einer dieser Empfänger war verschiebbar, befand sich aber stets hinter einem Kreuz, das die Physiker testweise in den Raum gestellt hatten. Mit der Antenne erfassten die Forscher Amplitude und Phase der Funkwellen, die das Kreuz passiert hatten. Die zweite Antenne wiederum stand abseits, sie fing die unverfälschten Referenzwellen auf.

Kreuz aus Aluminiumfolie – per WLAN sichtbar gemacht | Münchner Forscher machen ein Kreuz mit Hilfe von WLAN-Strahlung sichtbar.

Ein Algorithmus rekonstruierte anschließend, was sich zwischen Router und Antenne befand – auf den Bildern ist das Kreuz deutlich zu sehen. In einer Computersimulation untersuchten die Forscher außerdem, was für ein Signal Antennen außerhalb eines zwölf Meter hohen Lagerhauses empfangen würden. Auf der dreidimensionalen Rekonstruktion könne man beispielsweise Metallkisten und Stangen im oberen Stockwerk erkennen, berichten die Forscher im Fachmagazin "Physical Review Letters". Mit ihrer Methode könne man in Zukunft also möglicherweise den Bestand von Lagerhallen überwachen.

Reinhard und Holl räumen auch ein, dass man sich mit Blick auf ihre Technik Sorgen um die Privatsphäre machen könne. "Dass das Verfahren in naher Zukunft für den Blick in fremde Schlafzimmer genutzt wird, ist aber eher unwahrscheinlich", sagt Reinhard einer Mitteilung der TU München zufolge. Man müsse dazu eine große Antenne um das Gebäude herumfahren, was kaum unbemerkt bleiben dürfte. "Da gibt es einfachere Möglichkeiten", so Reinhard.

Nicht an der Studie beteiligte Experten geben derweil zu bedenken, dass sich die Technik außerhalb des Labors erst noch bewähren muss. In einem Umfeld mit vielen Hindernissen stoße die Methode möglicherweise an ihre Grenzen, sagte etwa Neal Patware von der University of Utah der Zeitschrift "Science". Aber der Forschungszweig hat aus seiner Sicht definitiv Zukunft: In fünf bis zehn Jahren wird WLAN seiner Einschätzung nach dazu genutzt werden, die Bewegungen von Menschen in Gebäuden zu erfassen.

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