Direkt zum Inhalt

News: Wenn die Hydrozoen nichts mehr hält

Das Fischen mit Schleppnetzen hat schon in manchen einst fischreichen Gebieten das ökologische Gleichgewicht empfindlich gestört. Vor der Ostküste der USA wird nun eine weitere mögliche Folge dieser Technik zum ernsten Problem: Unzählige Hydrozoen, die eigentlich seßhaft sein sollten, treiben durch das Wasser und bedrohen die letzten Reste der Fischbestände.
Millionen winziger mit Tentakeln versehener Meerestierchen, die normalerweise nicht frei im Ozean treiben, wurden in den letzten Jahren vor der Küste New Englands entdeckt, genauer gesagt vor der Georges Bank. Sie bedrohen wertvolle Kabeljau- und Schellfischbestände, die ohnehin schon durch Überfischen in diesem Gebiet dezimiert wurden.

Die gefräßigen Tierchen, Hydrozoen genannt, sind normalerweise auf dem Meeresgrund verankert. Neuerdings wurden sie jedoch frei treibend im Meer gesichtet. Oftmals sind es bis zu 30 Tiere pro Liter Wasser, sagte Steve Bollens, Professor für Biologie an der San Francisco State University und Leiter eines Teams, das sich mit dieser Tiergattung beschäftigt. Jedes Tierchen hat einen Durchmesser von ca. 25 mm; sie fressen den Großteil der Tagesproduktion an kleinen Krustentieren, oder Ruderfüßern, von denen die Fischlarven sich ernähren. Dadurch wurden die Hydrozoen zu einem der Hauptkonkurrenten jener Fische, die für den Wochenmarkt bestimmt sind. Es ist zu befürchten, daß sie nunmehr sogar deren Überleben gefährden, sagte Bollens.

Darüber hinaus scheinen die Hydrozoen die jungen Fische direkt anzugreifen. „Wir haben gesehen, wie sie mit ihren Fangarmen den Kopf von jungen Fischen umschlangen”, sagte Bollens. Er präsentierte die neuesten Informationen über die Hydrozoen der Georges Bank während eines Seminars des Southwest Fisheries Center of the National Marine Fisheries Service, das am 12. November in Tiburon im Bundesstaat Kalifornien stattfand.

Die Hydrozoen sind mit den Quallen verwandt. Ihr Leben ist in zwei Stadien unterteilt: eine seßhafte und eine treibende Phase. Doch obwohl die räuberischen Hydrozoen der Georges Bank durch das Meer treiben, befinden sie sich eindeutig in ihrer seßhaften Lebensphase. Einige schleppen immer noch die Ranken hinter sich her, mit denen sie sich normalerweise auf dem Meeresgrund festkrallen. Das Hauptziel der Forschung des Teams konzentriert sich nun auf die Frage: Wodurch und wie sind die Hydrozoen zu frei treibenden, entwurzelten Armeen geworden?

Bisher hatte niemand dieses Verhalten und die Folgen für lokale Fischbestände untersucht. „Als wir zum ersten Mal bemerkten, wie viele Hydrozoen im Wasser treiben, fragten wir uns, wieso dies nicht bereits früher untersucht wurde”, sagte Bollens. „Wir fragen uns, ob diese Art räuberischen Verhaltens auch in anderen Gebieten bedeutende Folgen hat.”

Die Hydrozoen wurden möglicherweise durch saisonale Stürme aus ihrer Verankerung gerissen; möglicherweise auch – und das wäre noch verhängnisvoller – durch kommerzielle Schleppnetz-Fischerboote, erklärte Bollens. Jeder Quadratmeter der gewaltigen Georges Bank wurde von den schweren Ketten der Schleppnetze durchpflügt. Es ist denkbar, daß die Ketten auch für einen großen Teil der „entwurzelten” Hydrozoen verantwortlich sind, die zu einer Gefahr für die Fische und deren primäre Nahrungsquelle werden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.