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Planetenende: Wenn Welten sterben

Vor rund 4,5 Milliarden Jahren begann die dramatische Geburt unseres Sonnensystems. Und mindestens ebenso bühnenreif - wenn auch ohne menschliches Publikum - dürfte einmal das Ende all unserer Planeten und Monde verlaufen. Sterbende Exoplaneten liefern uns schon heute einen Vorgeschmack.

Zwei Dinge sind sicher: Unser Planet mit seiner Vielfalt höher entwickelten Lebens wird in ferner Zukunft einmal Vergangenheit sein – und wir als Spezies werden das nicht mehr erleben. Denn entweder sind wir längst ausgestorben oder – die optimistische Zukunftsprognose – haben uns rechtzeitig in sichere Bereiche des Alls gerettet.

Was dann genau mit unserem Blauen Planeten geschieht, können wir allerdings heute schon recht gut vorhersagen. Dabei hilft Forschungsarbeit wie die der Exoplanetenexpertin Gongjie Lie von der Harvard-Universität, die den letzten Weg von Planeten bis zum Ende nachverfolgt. Zum Beispiel im Sternbild Schwan, wo das 3000 Lichtjahre entfernte Sonnensystem Kepler-56 liegt. Sein Zentralstern gehört zur Klasse der Roten Riesen und ist etwa viermal so groß wie die Sonne. Er wird von drei Planeten umkreist, deren Größen sich zwischen denen unserer Riesenplaneten Saturn und Neptun bewegen.

Ein schiefes System

Das extrasolare Planetensystem hatte nach seiner Entdeckung Furore gemacht, weil die Rotationsachse des Zentralsterns gegen die Bahnachsen seiner Planeten geneigt ist, und zwar um etwa 45 Grad. Derart hohe Bahnneigungen sind bei Exoplaneten nicht ganz ungewöhnlich, allerdings fand man sie bisher nur in Systemen, in denen auch zumindest ein heißer Jupiter nahe am Stern kreist. Man vermutete also, dass nur ein solcher Planet mit seiner Schwerkraft andere, masseärmere Welten in hoch geneigte Bahnen zwingen kann. Nur war im System Kepler-56 eben – trotz intensiver Suche – kein heißer Jupiter zu finden.

Das Kepler-56-System ist noch in einem weiteren Punkt besonders: Zwei der Planeten kreisen extrem eng um ihren Zentralstern, und zwar in 0,1018 (Kepler-56b) und 0,1652 Astronomischen Einheiten (Kepler-56c; die AE bezeichnet den mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde). Nach kosmischen Maßstäben werden sie "demnächst" von ihrer roten Riesensonne verschluckt werden – das heißt in rund 130 beziehungsweise 155 Millionen Jahren. Zum Vergleich: Der innerste Planet unseres Sonnensystems, Merkur, umrundet unsere Sonne in 0,39 AE, die die Erde in exakt 1 AE, rund 150 Millionen Kilometer Distanz.

Das System Kepler-56 | Das System von Kepler-56 besteht aus bis zu drei Planeten, die ihr Zentralgestirn auf stark geneigten Bahnen umrunden. Der Nordpol des Sterns ist rund 45 Grad in Richtung unserer Sichtlinie gekippt (Line of Sight). Die beiden inneren Planeten laufen aus unserer Perspektive als Transitplaneten periodisch vor ihrem Zentralgestirn vorbei und schwächen dabei dessen Licht geringfügig ab. Aus anderen Untersuchungen schließen Astronomen auf einen weiteren massereichen Sternbegleiter, der in größerer Entfernung das Zentralgestirn umrundet. Dessen Bahn sollte wiederum deutlich gegenüber den Orbits der beiden inneren Welten geneigt sein. Seine Existenz ist aber noch nicht endgültig belegt.

Steht der Erde ein ähnliches Schicksal bevor wie den beiden Kepler-56-Trabanten? Sicher ist, dass das Schicksal eines Planeten vom Typ des Zentralsterns und dessen weiterer physischer Entwicklung abhängt. "Sonnenähnliche Sterne befinden sich viele Milliarden Jahre lang auf der so genannten Hauptreihe im Hertzsprung-Russell-Diagramm. Im Fall unserer Sonne sind es bereits 4,6 Milliarden Jahre", erklärt Eike Guenther vom Observatorium Tautenburg. "In dieser Phase 'verbrennen' sie Wasserstoff zu Helium und ändern sich nur sehr wenig. Am Ende dieses Entwicklungsabschnitts dehnen sich die Sterne aus und wandeln sich zu Riesensternen. Hier werden die inneren Planeten verschluckt."

Im Fall unseres Sonnensystems wird sich die Sonne, die dann ein Alter von rund 11 Milliarden Jahre erreicht haben wird, tatsächlich etwa bis zur Erdbahn ausdehnen und damit Merkur und Venus verschlingen, womit ihr physisches Ende gekommen wäre. Die Erde wird das zwar überleben; "aber da die Sonne in dieser Phase viel Masse verliert", so Guenther, "wird die Erde sich nach außen bewegen" – ,und ob sie das übersteht, ist unklar.

Die Sonne heizt

Auf jeden Fall aber wird es lange vorher auf der Erde so heiß werden, dass Leben nicht mehr möglich ist: Die Temperatur unserer Atmosphäre wird dann der eines heißen Exojupiters ähneln. Die Vorboten dieses Prozesses sind übrigens bereits heute messbar: Schon jetzt wird die Sonne – ohne dass es den meisten von uns auffällt – langsam, aber sicher heller und größer. Dieser Prozess wird sich im Lauf der nächsten Jahrmilliarden fortsetzen, weil die Sonne im Zuge einer immer effizienteren Wasserstofffusion in ihrem Kern den Energieausstoß um etwa zehn Prozent vergrößert. Und je höher die Sonnentemperatur, desto stärker wird sich das Gas der Erdatmosphäre erhitzen.

Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung Göttingen erklärt, was dann passiert: "Es werden sich zuerst die leichteren Gase verflüchtigen, denn je leichter ein Gas ist, desto schneller bewegen sich seine Moleküle in der oberen Atmosphäre, bis deren Geschwindigkeit ausreicht, das Schwerefeld der Erde zu verlassen. Dieser auch Jeans-Escape genannte Prozess könnte – je nach Temperaturverteilung in der Atmosphäre – zunächst zu einer Art Separierung der Molekülmasse führen."

Letztlich werde die Sonne dann allmählich die Ozeane verdampfen, so Hartogh weiter: "Verschiedene Prozesse, zum Beispiel hervorgerufen durch intensive UV-Strahlung, hochenergetische Teilchen des Sonnenwinds und schließlich sehr hohe Oberflächentemperaturen zersetzen das Wasser und führen zu einem starken Anstieg der atmosphärischen Wasserstoffkonzentration." Damit wird sich vermutlich jener als Hydrodynamic Escape bezeichnete Prozess wiederholen, der bereits bei der Erdentstehung eine wichtige Rolle gespielt hat. Es kommt es zu einem sehr starken "Wind" von Wasserstoffmolekülen in den Weltraum, der auch die meisten wesentlich schwereren Moleküle mit sich reißt, bis dann nur die schwersten Elemente übrig bleiben.

Wird unsere Sonne die Erde schlucken?

Die Erde wird im Zuge dieser Prozesse lebensfeindlich werden: Mit der zunehmend heißen Sonne hat sich die "habitable Zone" des Sonnensystems, in der eine gemäßigte Oberflächentemperatur flüssiges Wasser und Leben ermöglicht, nach außen verlagert. Daher dürften Mars und der Saturnmond Titan gemütlicher werden.

Den inneren Planeten – Merkur und Venus mit ihrem geringeren Abstand zur Sonne – steht indes ein anderes Schicksal bevor: Sie werden von unserem sich ausdehnenden Zentralgestirn geschluckt. Ein typisches Szenario in alternden Sonnensystemen: "Wir kennen inzwischen sehr viele solcher Planeten", erläutert Eike Guenther. "Und es sind bereits viele Planeten von Riesensternen entdeckt worden, deren Lebensdauer sehr begrenzt ist." Allerdings, so der Wissenschaftler, seien die Zusammenhänge dabei etwas kompliziert, da sich die Bahnen der Planeten nicht nur dadurch verändern, dass der Stern Masse verliert, sondern auch durch die Gezeitenwirkung mit dem Stern.

Ehemaliger Roter Riesenstern und seine Planeten | Diese Illustration veranschaulicht, wie ein Stern nach seinem Stadium als Roter Riese eng von zwei Planeten umkreist wird.

Je nach Umlaufperiode des Planeten und der Rotationsperiode des Sterns, den er umkreist, kann der Planet nach innen oder nach außen wandern. So bewegt sich ein Planet nach innen, wenn seine Umlaufperiode kürzer ist als die Rotationsperiode des Sterns. Hier würden Astronomen gerne Anschauungsunterricht an Exoplanetensystemen wie Kepler-56 nehmen, die gerade die kritische und spannende Phase durchlaufen. Aber "leider konnte bei Kepler-56 die Masse seiner Planeten nur indirekt aus der Wirkung ihrer Schwerkraft abgeschätzt werden."

Überhaupt bleibt "Planeten-Kannibalismus" durch eine riesige rote Sonne auch für den Zentralstern nicht ohne Folgen, erklärt Guenther: "Da Planeten viele schwere Elemente enthalten, kann es zu einer Anreicherung schwerer Elemente in den höheren Schichten eines Sterns kommen. Nachdem in den Jahren 2003 bis 2007 klar wurde, dass das Verschlucken von Planeten häufig vorkommt und sich dies auf die chemischen Häufigkeiten von Sternen auswirkt, hat der ESO-Astronom Luca Pasquini zwei ganz originelle Begriffe dafür geprägt: Er sprach vom 'Cappuccino-' oder 'Tiramisu-Effekt'."

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