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Demenz: Wie Alzheimer und schlechter Schlaf zusammenhängen

Schädliche Proteinablagerungen im Gehirn rauben uns den Tiefschlaf – und beeinträchtigen so auch unser Gedächtnis. Das macht Schlaf zu einem weiteren Teil im großen Alzheimer-Puzzle.
Schlaflos

Toxische Beta-Amyloid-Plaques, die sich vermehrt im Hirngewebe ansammeln, spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Alzheimerdemenz. Wie genau sie zu dem für die Erkrankung typischen rapiden kognitiven Verfall beitragen, ist allerdings nach wie vor unklar. Einen weiteren Hinweis haben nun möglicherweise Wissenschaftler um Matthew Walker von der University of California in Berkeley entdeckt: Offenbar gehen die schädlichen Proteinablagerungen bei älteren Menschen zunehmend auch mit Schlafstörungen einher – und beeinträchtigen damit die Übertragung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- in den Langzeitspeicher unseres Gehirns.

Walker und seine Kollegen untersuchten 26 gesunde Probanden zwischen 70 und 80 Jahren, die bis dato keine Anzeichen einer Demenz oder anderer neurodegenerativer oder psychiatrischer Erkrankungen zeigten. Mit Hilfe der Positronenemissionstomografie (PET) maßen die Forscher zunächst, wie viel Beta-Amyloid sich bereits in verschiedenen Hirnregionen abgelagert hatte. Anschließend ließen sie ihre Versuchsteilnehmer einen Gedächtnistest absolvieren, bei dem es galt, sich 120 verschiedene Wortpaare zu merken. Nachdem die Wissenschaftler ihre Probanden ein erstes Mal abgefragt hatten, schickten sie sie für acht Stunden schlafen, wobei ihre Hirnströme fortwährend aufgezeichnet wurden. Anschließend mussten die Versuchspersonen erneut unter Beweis stellen, wie viele Wortpaare sie im Gedächtnis behalten hatten – und zwar im Magnetresonanztomografen (MRT), damit Walker und sein Team gleichzeitig einen Blick auf die Hirnaktivität werfen konnte. Ihr besonderes Augenmerk richteten sie dabei auf die Aktivität im Hippocampus, der an der vorübergehenden Speicherung von Gedächtnisinhalten beteiligt ist, bevor sie in den Langzeitspeicher im frontalen Kortex überführt werden.

Mehr Beta-Amyloid – weniger Tiefschlaf

Bei der Auswertung der Testergebnisse, sämtlicher PET- und MRT-Scans sowie der EEG-Kurven der Teilnehmer ergab sich schließlich ein recht eindeutiges Bild: Je stärker Beta-Amyloid sich bereits im Gehirn – insbesondere im Bereich des medialen frontalen Kortex – abgelagert hatte, desto weniger Zeit verbrachten die Probanden im tiefen Non-REM-Schlaf. Dass Schlaf wichtig für die Verarbeitung von Gedächtnisinhalten ist, wissen Forscher schon lange. Die tiefe Non-REM-Phase spielt vor allem für die Übertragung von Faktenwissen ins Langzeitgedächtnis eine große Rolle, wie Walker und seine Kollegen bereits in früheren Untersuchungen gezeigt haben. Bei den Teilnehmern der aktuellen Studie äußerte sich der Verlust des Tiefschlafs entsprechend in schwächeren Leistungen im Gedächtnistest am nächsten Morgen – manche hatten gar die Hälfte von dem vergessen, was sie am Tag zuvor noch korrekt hatten wiedergeben können. Zudem nutzten sie weiterhin stärker ihren Hippocampus und nicht das Langzeitgedächtnis im frontalen Kortex.

Im Schlaf arbeitet das Reinigungssystem unseres Gehirns auf Hochtouren, wie Forscher von der University of Rochester bereits 2013 zeigten: So werden während der Nachtruhe die Zwischenräume zwischen den einzelnen Nervenzellen größer, wodurch die Gehirnflüssigkeit besser hindurchfließen kann. Dabei werden nachweislich mehr Schadstoffe aus dem Gewebe abtransportiert – und zwar auch das Beta-Amyloid. Im Licht der neuen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Schlaf und Beta-Amyloid-Ablagerungen könnte das im alternden Gehirn zu einem fatalen Teufelskreis führen, vermutet Matthew Walker: "Je mehr Beta-Amyloid sich in bestimmten Bereichen des Gehirns ansammelt, desto weniger Tiefschlaf bekommt man und desto schlechter wird das Gedächtnis. Doch mit weniger Schlaf kann der Körper gleichzeitig auch die schädlichen Proteinablagerungen immer schlechter bekämpfen."

Ob dieser Teufelskreis mit zu viel Beta-Amyloid oder zu kurzen Tiefschlafphasen beginnt, wissen die Forscher noch nicht. Diese Frage wollen sie in einer weiteren Studie untersuchen, bei der sie ältere Probanden über mehrere Jahre hinweg begleiten. Möglicherweise, so zumindest die Hoffnung, tun sich dadurch auch neue Therapieansätze für Menschen mit Demenz oder anderweitigen Gedächtnisproblemen auf. Denn Schlafprobleme lassen sich in den meisten Fällen immer noch besser behandeln als eine Alzheimererkrankung an sich.

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