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News: Wie Eis gefriert

Wasser gefriert zu Eis, wenn es kalt genug ist. Doch wie dieser alltägliche Prozess auf mikroskopischer Ebene genau abläuft, ist längst nicht vollständig bekannt. Computer-Simulationen können prinzipiell helfen, die Frage zu beantworten, doch hat es lange gedauert, bis sie Wasser nun endlich auch unter wirklichkeitsnahen Bedingungen beschreiben können und Forscher ein Blick auf den Prozess des Gefrierens werfen lassen.
Eisstruktur
Die Sonne lacht, die Temperaturen steigen und das Verlangen nach einem kühlen Getränk wird wach. Also schnell etwas Wasser in die Eiswürfelform gegossen und ab damit ins Tiefkühlfach. Nun braucht's nur noch ein wenig Zeit, bis die kleinen Eisblöcke bereit sind, den Drink zu temperieren. Aber was genau passiert eigentlich im Eisfach? Wie entsteht Eis – auf mikroskopischer Skala betrachtet?

Um solche Fragen zu beantworten, greifen Wissenschaftler gerne auf den Computer zurück und simulieren das Verhalten der Wassermoleküle bei Temperaturen unterhalb von null Grad Celsius. Doch dazu mussten sie in der Vergangenheit allerlei Annahmen treffen, die zwar die Rechnerei deutlich erleichterten, das betrachtete System allerdings wenig realitätsnah abbildeten. Das Problem ist nämlich, dass sich die Wassermoleküle im flüssigen Zustand in einer recht komplexen Energielandschaft bewegen. Schnell ist eine Bindung zwischen einem der beiden Wasserstoffatome eines Moleküls und einem Sauerstoffatom eines benachbarten geknüpft, ebenso schnell ist sie jedoch wieder aufgelöst und der Brückenschlag zu einem anderen Molekül hergestellt.

Zwar sind all diese kurzlebigen Strukturen durch niedrige Energiebarrieren voneinander getrennt, doch reicht die thermische Energie oberhalb von null Grad Celsius aus, um sie zu überwinden und ständig ein neues Netzwerk zu bilden. Masakazu Matsumoto, Shinji Saito und Iwao Ohmine von der Nagoya University in Japan gelang es nun erstmals, dieses komplizierte Wechselspiel der Wassermoleküle zu simulieren. Wie kompliziert das Unterfangen war, lässt sich daran ermessen, dass die Japaner sechs Jahre brauchten, um derart realistische Simulationen durchzuführen.

Nach vielen, vielen Rechnungen an 512 Molekülen war es dann endlich soweit: Die Wissenschaftler beobachteten, wie Wasser zu Eis gefror. Damit das passiert, muss sich offenbar eine genügend große Zahl langreichweitiger Bindungen spontan von einem Ort ausbilden. So entsteht ein winziger Keim, der zunächst langsam seine Form und Größe ändert und schließlich den Anstoß zur Kristallisation gibt. Von da an geht es meist sehr schnell und das Nass wandelt sich rasch zu Eis. In diesem Aggregatzustand ist nun die anziehende Wechselwirkung zwischen den Molekülen größer als die thermische Anregung. Die Energiebarriere, die verschiedene räumliche Anordnungen voneinander trennt, lässt sich so nicht mehr überwinden – das Wasser erstarrt zu Eis.

Das muss allerdings nicht notwendigerweise bei null Grad Celsius (unter Normaldruck) passieren. Im Gegenteil, reines Wasser lässt sich oftmals auch viel weiter abkühlen, ohne dass es auskristallisiert. Wie ist das möglich? Nun, derart unterkühltes Wasser bildet eigentlich einen so genannten metastabilen Zustand, das heißt, eine kleine Störung in Form einer Erschütterung oder eines Staubkörnchens reicht, um das Wasser schlagartig auskristallisieren zu lassen. Erst in diesem Moment entsteht nämlich der Kristallisationskeim, von dem aus sich der Prozess vollzieht.

Ein entsprechendes Experiment lässt sich auch daheim gut mit destilliertem Wasser durchführen. Von der Anwesenheit unterkühlten Wassers in der Natur kündet zum Beispiel die Bildung von Raureif. Denn dort, wo die Wassertröpfchen mit einem festen Körper in Kontakt kommen, gefrieren sie spontan. An den eingangs erwähnten Eisblöcken wird sich das Phänomen aber vermutlich nur schwerlich beobachten lassen. Die löslichen und unlöslichen Bestandteile normalen Wassers sorgen in aller Regel für genügend Kristallisationskeime, sodass dem kühlen Genuss nichts mehr im Wege steht.

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