Direkt zum Inhalt

News: Wir Spinnen

Ob wir mehr Fliegen oder Spinnen ähneln, sollte Entwicklungsbiologen nicht Jacke wie Hose sein: Ein Gliedertier-Typus hält das gemeinsame genetisches Erbe mit der Menschheit offenbar höher in Ehren.
<i>Cupiennius salei</i>
An Fliegen zu forschen hat Vor- und Nachteile: Die Versuchstiere sind klein und genügsam, ihr Körperbau bis ins kleinste Detail bekannt und etwas weniger verzwickt als der größerer Organismen. Demnach liefert Forschung am Taufliegenmodell Drosophila melanogaster oft etwas schnellere Antworten auf Fragen nach grundlegenden Mechanismen des Lebens, die Menschen und Fliegen gleichermaßen erfolgreich beherrschen müssen. Etwa jenen, die aus der Eizelle – in einem eleganten Tanz aufeinanderfolgender, sich gegenseitig beeinflussender zellulärer Prozesse – einen funktionsfähigen Organismus mit seinen vielfältigsten Geweben unterschiedlicher Form und Funktion entstehen lassen.

Irgendwie nachteilig an der Taufliege ist allerdings, dass sie kein Mensch ist. Wirklich gesteigertes Interesse bei Laien und Forschungsgeldgebern wecken daher oft nur die aufgedeckten Analogien zwischen Fliegen und Menschen. Davon gibt es, bei allen Unterschieden, durchaus einige. Und so wurden anfänglich auch Gemeinsamkeiten vermutet zwischen den Regelmechanismen der Segmentierung heranwachsender Fliegenembryonen und der Entsprechung bei den im klassisch Sinne unsegmentierten Menschen und Mäusen – der so genannten Somitogenese –, bei der im Embryo die spätere Körpergliederung erstellt wird.

Schnell zeigte sich aber, dass hier die Evolution bei Menschen und Fliegen doch unterschiedliche Wege gegangen war. Vergleichende Untersuchungen offenbarten, dass Segmentierung und Somitogenese durch unterschiedliche genetische Regelnetzwerke kontrolliert werden. Kernstück der genetischen Regulatoren der Somiten-Bildung von Wirbeltieren sind die Produkte der notch-Gene: in die Zellmembranen integrierte Eiweißrezeptoren, die auf Befehl eines von außen kommenden Signals zum Transkriptionsfaktor werden und in die Genaktivität ihrer Zelle eingreifen. In Drosophila kommen notch-Gene zwar durchaus vor – bei der Segmentbildung aber spielen sie keine Rolle. Sind hier demnach Insekten und Wirbeltiere auf ihrem Evolutionspfad bei ähnlichen Problemstellungen völlig unterschiedliche Wege gegangen?

Nicht unbedingt, meint Angelika Stollewerk von der Universität Köln mitsamt ihrer Kollegen. Die Forscher untersuchten die Segmentbildung der tropischen Spinne Cupiennius salei, eines evolutiv ursprünglicheren Gliederfüßer-Verwandten der eher hochentwickelten Taufliegen-Zweiflügler. Wie sie entdeckten, spielen während der Segmentbildung der Spinne notch-Gene und die – ebenfalls bei Wirbeltieren bekannten – Notch-Bindungspartner Delta-1 und -2 durchaus eine Rolle: Nachdem die Forscher sie in Spinnenembryonen durch RNA-Interferenz ausgeschaltet hatten, konnten diese keine ordentlichen Segmente mehr ausbilden. Funktionsfähige Notch-Proteine regulieren vermutlich bei den Spinnen Genregionen mit so genannten basalen helix-loop-helix-Abschnitten (bHLH) – genau wie dies im Rahmen der Entwicklung von Mäusen, Menschen, Hühnern und Zebrafischen der Fall ist.

Bei Spinnen also scheint der Mechanismus der Körpergliederung noch funktionell dem ähnlich zu sein, der auch in Wirbeltieren abläuft. Vielleicht ist im Segmentbildungsbetrieb die notch-Gen-lose Drosophila die Ausnahme: Erst nachdem ihre Entwicklungslinie von dem gemeinsamen Stammbaum der Gliederfüßer – mitsamt den Vorfahren der nun untersuchten Spinne – abzweigte, bildete sie ihr eigenständiges Segmentierungsverfahren heraus. Dies zeichnet sich unter anderem auch dadurch aus, dass die späteren Segmente in einem syncytialen Zellverband angelegt werden – in dem keine membranumhüllte Einzelzellen existieren. Ein membrangebundener Rezeptor wie Notch würde in diesem Umfeld ohnehin keinen Sinn machen.

Drosophila wäre demnach nicht das geeignetste Modell, um übergeordnete Prinzipien sich entwickelnder Körpergliederungen zu erforschen, meinen die Wissenschaftler. Spinnen und andere ursprüngliche Gliederfüßer könnten sich da als erfolgversprechender herausstellen: Ein gemeinsames genetisches Erbe teilen sie jedenfalls mit uns, den Mäusen und den Zebrafischen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.