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Antarktis: Woher kommt das Riesenloch im Gletscher?

Der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis macht Klimaforschern Sorgen: Der Gigant zieht sich mit beschleunigtem Tempo zurück - und verliert auch von innen an Masse.
Thwaites-Gletscher

Sie ist zehn Kilometer lang, vier Kilometer breit und bis zu 300 Meter hoch – und macht Klimaforscher Sorgen. Unter der Oberfläche des westantarktischen Thwaites-Gletschers haben Pietro Milillo vom Jet Propulsion Laboratory der NASA und sein Team eine riesige Höhle entdeckt, die zum größten Teil erst während der letzten drei Jahre entstanden ist, wie sie in »Science Advances« schreiben. Insgesamt gingen im letzten Jahrzehnt 14 Milliarden Tonnen Eis durch den Hohlraum verloren, kalkulieren die Glaziologen. Angesichts der Gesamtmasse des Gletscherriesen, dessen Front rund 160 Kilometer breit ist und der eine Fläche von der Größe Floridas einnimmt, ist dies noch relativ wenig. Solche Löcher destabilisieren allerdings die Eiszungen als Ganzes, so dass sie leichter zerfallen können – was weitere Verluste dramatisch beschleunigt und den Meeresspiegelanstieg antreibt. Schon jetzt habe allein der tauende Thwaites-Gletscher etwa vier Prozent des kompletten Meeresspiegelanstiegs der letzten Jahre verursacht, so die Wissenschaftler.

Aufgefallen ist der Hohlraum auf der Westseite des Gletschers durch Radaraufzeichnungen der Eiszunge: Sie zeigten, dass die Oberfläche in diesem Bereich abgesackt ist. »Wir hatten seit Jahren vermutet, dass der Gletscher nicht fest mit dem Untergrund verbunden ist«, so Koautor Eric Rignot von der University of California in Irvine in einer Mitteilung. Die Größe und das explosive Wachstum hätten sie jedoch überrascht. Eher hätten sie viele kleinere Kanäle erwartet, wie sie sich noch auf der Ostseite des Thwaites finden. Diese sind bis zu einem Kilometer breit und reichen weit unter den Gletscher, so dass er auch hier schneller schmilzt: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Gletscherlinie an der Ostflanke zurückzieht, verdoppelte sich im letzten Jahrzehnt von 600 Metern pro Jahr zwischen 1992 bis 2011 auf mittlerweile 1,2 Kilometer pro Jahr von 2011 bis 2017 – insgesamt sei der gesamte Eisverlust aber immer noch geringer als auf der Westseite, schreiben die Forscher. Dort ziehe sich die Grundlinie des Eises – also der Bereich, wo es auf dem Untergrund liegt – seit 1992 relativ stetig mit 600 bis 800 Metern pro Jahr zurück.

Dadurch schwimmen immer neue Teile des Gletschers auf dem Wasser, weshalb auf größerer Fläche warmes Meerwasser in Kontakt mit dem Eis kommen könne: Je mehr davon unter den Gletscher dringen könne, desto schneller gehe die Schmelze voran, so Milillo. Zudem kann sich dadurch die Fließgeschwindigkeit erhöhen, was den Wissenschaftlern ebenfalls Sorgen macht. Der Thwaites-Gletscher wirkt wie ein Korken oder eine Barriere für andere Eiszungen der Region. Verschwindet der Sperrriegel, können diese ebenfalls das Meer erreichen und stärker schmelzen. Würde der Thwaites-Gletscher komplett schmelzen, stiege der Meeresspiegel um 65 Zentimeter; durch die Nachbargletscher könnten weitere 1,8 Meter hinzukommen. Die Daten aus dieser Region passen dabei ins Bild: Die Antarktis verliert heute jedes Jahr etwa dreimal so viel Eis wie noch am Anfang des Jahrtausends – mehr als 200 Milliarden Tonnen, wie eine Studie in »Nature« 2018 vorgestellt hat. Und der größte Teil der Verluste stammt aus der Westantarktis, wo der Thwaites-Gletscher liegt.

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