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News: Zappeln und Konzentrationsschwäche mit nervöser Ursache

Wenn Ihr Kind ständig mit den Armen und Beinen fuchtelt und sich nur schlecht konzentrieren kann, so könnte es einfach daran liegen, dass es durch sein Lieblingsspielzeug oder eine Schokoladendose abgelenkt ist. Im schlimmsten Fall - so zumindest bei Frühgeborenen vor der 34. Schwangerschaftswoche - liegt die Ursache hierfür aber in einer Störung der Zusammenarbeit von Neuronen in bestimmten Gehirnarealen. Verschiedene Forschergruppen fanden heraus, das es zu solchen Beeinträchtigungen im präfrontalen Kortex des Gehirns kommen kann und darüber hinaus bei hyperaktiven und konzentrationsschwachen Kindern ein Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin vorliegt. Mit einer Analyse von Spontanbewegungen der Säuglinge hoffen die Forscher nun, die Schäden früher zu diagnostizieren.
Bis zu zehn Prozent aller Kinder leiden unter Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität. Zu früh Geborene, die vor der 34. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, sind fünf Mal häufiger betroffen als Kinder, die zum üblichen Termin geboren wurden. Diese Störung ist die häufigste neurologische Erkrankung des sich entwickelnden Gehirns. Die betroffenen Kinder können sich nicht konzentrieren und zeigen häufig ein hyperaktives, impulsives und oft sogar anti-soziales Verhalten. Die Hälfte der Betroffenen nimmt die Störungen in das Erwachsenenalter mit – für sie besteht später ein erhöhtes Risiko für Arbeitslosigkeit und kriminelles Fehlverhalten.

Wissenschaftler vom John F. Kennedy Institut in Kopenhagen haben mit bildgebenden Verfahren die Gehirne betroffener Kinder untersucht. "Dabei haben wir ein Netzwerk von Nervenzellen im so genannten präfrontalen Kortex und in damit verbundenen Gehirnarealen entdeckt, in dem Sprache aufgenommen und verarbeitet wird. Dieses neuronale Netzwerk scheint bei den Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen nicht richtig zu funktionieren", erklärt Hans Lou. Dies könne erklären, so der Experte weiter, "warum diese Kinder die Regeln unseres Sozialverhaltens nicht verstehen und etwa nicht auf eine warnende "innere Stimme" hören können." Noch vorläufige Untersuchungsergebnisse der dänischen Forscher deuten darüber hinaus darauf hin, dass in den Gehirnen von zu früh geborenen Babies mit einem Aufmerksamkeitsdefizit ein Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin herrscht.

Schwedische Forscher vom Karolinska Institut in Stockholm berichteten, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen ein beeinträchtiges "Arbeitsgedächtnis" haben. Das Team um Hans Forssberg verglich in einer Studie die Gedächtnisleistung von betroffenen Kindern mit derjenigen gesunder Kinder. Im ersten Teil der Untersuchung mussten die Kinder im Drei-Sekunden-Takt zwischen Wortpaaren unterscheiden, die entweder ähnliche oder nicht-ähnliche Wörter enthielten. Mit zunehmender Dauer der Belastung hatten die Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen Schwierigkeiten, zwischen diesen Wortpaaren zu unterscheiden. In einem anderen Experiment mussten die Kinder Objekte mit jeweils unterschiedlichem Gewicht halten, während ihre Griffstärke registriert wurde. Auch bei diesem Test schnitten die kranken Kinder schlechter ab: Sie hatten Probleme, ihre Griffstärke dem Gewicht des Objektes anzupassen. Wenn Kinder heranwachsen, entwickeln sie normalerweise die Fähigkeit, sich gegenüber Ablenkungen abzuschirmen, sich an Vorhaben und Ziele zu erinnern und Schritte zu unternehmen, um diese Ziele zu erreichen. Diese mentale Fähigkeit wird als exekutive Funktion bezeichnet. "Das so genannte Arbeitsgedächtnis ist eine derartige exekutive Funktion", erklärt Fossberg. "Es speichert Informationen, während eine Aufgabe ausgeführt wird, auch dann, wenn der ursprüngliche Stimulus, der die Information geliefert hat, nicht mehr vorhanden ist. Unsere Studie zeigt, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsdefiziten ein gestörtes Arbeitsgedächtnis haben."

Ein Ärzte-Team von der Universität Groningen (Niederlande) hat eine neue diagnostische Technik entwickelt, um Aufmerksamkeitsstörungen oder andere Hirnschädigungen bereits bei Babies vor dem dritten Monat zu identifizieren. Bei dem neuen Test werden die spontanen Bewegungen von Armen, Beinen, Kopf und Rumpf der Säuglinge analysiert. Diese Bewegungen beginnen bereits im Mutterleib und bleiben bis zu vier Monate nach der Geburt erhalten. Danach werden diese Spontanbewegungen durch gezielte Bewegungen – etwa das Greifen nach Gegenständen – ersetzt. "Normalerweise sind diese Spontanbewegungen der Babies komplex, fließend und stark variabel", erklärt Mijna Hadders-Algra. "Wir konnten jedoch zwei Typen von veränderten Spontanbewegungen unterscheiden: bei der schwächeren Form sind die Bewegungen noch relativ komplex und variabel, aber nicht mehr fließend. Bei stärker gestörten Spontanbewegungen fehlen Komplexität, Variabilität und Flüssigkeit gleichermaßen." Zeigen Kinder stark veränderte Spontanbewegungen, deutet dies auf einen frühkindlichen Hirnschaden, eine Zerebralparese, hin. Sind die Bewegungen in einem geringeren Ausmaß verändert, deuten sie auf Aufmerksamkeits- oder Koordinationsstörungen hin. Die niederländischen Forscher haben damit begonnen, ein Programm zu entwickeln, das Informationen für Eltern betroffener Kinder sowie ein spezifisches Training für die Motorik der Kinder enthalten soll.

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