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Mentales Training: Zen-Meditation kann den Tastsinn schärfen

Durch intensives Training lässt sich unsere Sinneswahrnehmung verbessern. Eine Studie an erfahrenen Zen-Schülern zeigt nun, dass dafür unter bestimmten Bedingungen sogar schon die Kraft der Vorstellung genügt.
Meditation

Besonders geübte Zen-Schüler können offenbar allein durch Meditation das Gefühl in ihren Fingerspitzen verbessern. Das berichten Wissenschaftler um Hubert Dinse von der Ruhr-Universität Bochum im Fachmagazin "Scientific Reports". Sie untersuchten 20 Probanden, die seit Jahren ausgiebig die Zen-Meditation praktizierten, während eines viertägigen Meditationsseminars. Neben der klassischen Praxis, die im Wesentlichen daraus bestand, dass die Teilnehmer täglich acht Stunden lang in kompletter Stille schlicht Gedanken und Umgebung ohne Wertung wahrnahmen, ließen die Forscher die Hälfte der Zen-Schüler eine spezielle Übung absolvieren, bei der diese sich zwei Stunden pro Tag ausschließlich auf ihren rechten Zeigefinger konzentrieren und alle Empfindungen an dieser Stelle bewusst wahrnehmen sollten.

Vor und nach Übungsbeginn bestimmten Dinse und sein Team bei allen Zen-Schülern die so genannte Zwei-Punkt-Diskriminationsschwelle, die Auskunft darüber gibt, wie sensibel der Tastsinn ist. Hierfür wird gemessen, wie weit zwei Reize voneinander entfernt sein müssen, damit sie auf der Haut auch noch als zwei verschiedene Reize wahrgenommen werden können. Bei den Probanden, die regelmäßig die Zeigefinger-Meditation durchgeführt hatten, verbesserte sich im Gegensatz zur Kontrollgruppe dieser Schwellenwert im Lauf der Zeit um durchschnittlich rund 17 Prozent für den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Das kommt jener Verbesserung erstaunlich nahe, die auch sehbehinderte Menschen erreichen: Da sie stärker auf ihr Fingerspitzengefühl angewiesen sind, haben sie in aller Regel einen um 15 bis 25 Prozent schärferen Tastsinn als Menschen ohne Sehbeeinträchtigung; Ähnliches gilt etwa auch für geübte Musiker.

In den Augen von Dinse stellt dieses Ergebnis vieles auf den Kopf, was Wissenschaftler bisher über Lernvorgänge zu wissen glaubten. Dass man durch intensives Training seine Wahrnehmung verbessern könne, sei nichts Neues. Das hänge vor allem mit der Neuroplastizität des Gehirns zusammen, in deren Rahmen neue Nervenverbindungen stetig auf- und abgebaut werden, je nachdem, welche Bereiche gerade besonders stark genutzt werden. Auch die Effekte von Meditation auf das Gehirn sind inzwischen gut untersucht – bis hin zu der Erkenntnis, dass das jahrelange Praktizieren bestimmter Techniken offenbar sogar die Hirnstrukturen von buddhistischen Mönchen verändern kann. Dass rein durch mentale Prozesse aber auch in kürzester Zeit solch prägnante Lerneffekte erreichbar sind, lässt sich nun zum ersten Mal belegen.

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