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News: Zerreißprobe für Chromosomen

Normalerweise werden bei der Teilung von Zellen die Chromosomen geschwisterlich halbe-halbe aufgeteilt. Doch in Krebszellen geht es manchmal drunter und drüber. Darum haben die Zellen hier am Ende unterschiedliche Anzahlen von Chromosomen, und oft genug haben diese den Teilungsvorgang auch nicht unbeschadet überstanden. Bilder von fluoreszenmarkierten Krebszellen lassen nun erste Schlüsse zu, welche Mechanismen für die ungleiche Verteilung verantwortlich sind.
Zu Beginn der Zellteilung liegen beim Menschen die 23 Chromosomenpaare, die jeweils aus zwei Chromatiden bestehen, nahe beieinander im Zentrum der Zelle. Gleichzeitig bilden sich an den gegenüberliegenden Polen der Zelle die sogenannten Centriolen. Von diesen ziehen sich fadenförmige Mikrotubuli zu den einzelnen Chromatiden und bilden die Spindel. Wenn sich nun die Zelle teilt, trennen sich die Chromatiden voneinander und werden von den Mikrotubuli zu den Polen gezogen. Dort entstehen so zwei identische Chromatidenhäufchen, die jeweils die genetischen Anweisungen für die Tochterzellen tragen. Die Zelle beginnt nun, sich in der Mitte einzuschnüren, bis die beiden Tochterzellen schließlich vollständig getrennt sind.

In Krebszellen läuft dieser Prozeß jedoch nicht so glatt ab. William Saunders, Susanne Gollin und ihre Mitarbeiter von der University of Pittsburgh markierten in Mundhöhlenkrebszellen mit Fluoreszenzfarbstoffen die Zellstrukturen, welche an der Teilung beteiligt sind. Auf diese Weise konnten sie beobachten, was bei der Teilung von Krebszellen so alles schiefgeht (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 4. Januar 2000).

In einer Versuchsreihe konnnten die Wissenschaftler nachweisen, daß sich in den Krebszellen nicht nur zwei, sondern drei oder vier Spindelpole ausbildeten, jeder mit seinen eigenen Mikrotubuli. Dadurch entstanden bizarre, Y-förmige oder kreuzartige Spindelstrukturen. Das in den Spindelpolen vorhandene Nuclear Mitotic Apparatus-Protein (NuMA) spielt dabei – wie schon seit längerem vermutet – eine besondere Rolle: Die Proteinklumpen spalten sich auf und setzen sich auch an anderen zufällligen Stellen fest, wo sich dann neue Pole bilden. Daraufhin wanderten die Chromatiden in verschiedene Zellbezirke. Während der Zellteilung führte die zufällige Anordnung der Chromatiden zu Tochterzellen mit unterschiedlichen Anzahlen und Typen von Chromosomen.

In anderen Experimenten deckten die Forscher auf, wie die Chromatiden in Krebszellen zerbrechen und wieder zusammengefügt werden, wodurch Chromosomen entstehen, die zusätzliche Abschnitte aufweisen. Diese können anomale Zahlen an Genen enthalten, was zum Wachstum von Krebszellen beiträgt. Normalerweise besitzt jedes Chromatid ein Centromer, an dem die Spindelfasern ansetzen. Die Chromosomenenden sind durch die sogenannten Telomere geschützt, damit sie nicht mit anderen verkleben. Manche Stoffe wie zum Beispiel Zigarettenrauch oder radioaktive Strahlung schädigen die Chromatiden jedoch, und sie zerbrechen. Ohne die schützenden Telomere kleben die neuen Enden aber zusammen. Das daraus resultierende Chromosom hat nun zwei Centromere und auch manche Gene des Chromosoms doppelt. Bei der Zellteilung kann es nun passieren, daß die beiden Centromere zu gegenüberliegenden Polen gezogen werden und sich so eine lange "Chromosomenbrücke" zwischen den beiden neu entstehenden Tochterzellen ausbildet. Schließlich bricht das anomale Chromatid auseinander oder bleibt als kleiner generativer Zellkern übrig.

Wenn die Chromosomenenden gebrochen wurden, ist es sehr wahrscheinlich, daß sie sich bei jeder Zellteilung wieder verbinden und die Brücke erneut bilden. Damit erhöht sich auch jedes Mal die Anzahl der ungewollt mehrfach vorhandenen Kopien. Diese vervielfältigten Segmente können so eine ganze Reihe Kopien von Genen enthalten, die das Wachstum von Krebszellen auslösen.

Daß Rauchen die Chromosomen irgendwie schädigt und unter anderem zur Bildung von Mikronuklei führt, ist ebenfalls schon seit längerem bekannt, erklärt Saunders. "Unsere Untersuchung zeigt, wie diese Ereignisse in Krebszellen auftreten könnten. Wenn wir den Prozeß verstehen, sind wir vielleicht in der Lage, einzugreifen und zusätzliche Genvervielfachung zu verhindern, die zum Krebswachstum beiträgt", meint er.

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