Direkt zum Inhalt

News: Zu viel des Guten

Die Entwicklung wirksamer Medikamente hat dazu geführt, dass die Tuberkulose heute in den Industrieländern fast in Vergessenheit geraten ist. Doch in den Ländern der Dritten Welt wütet diese Seuche nach wie vor. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie konnten jetzt zeigen, dass Tuberkulose-Erreger stark von Eisen abhängig sind.
Zusammen mit AIDS gehört die Tuberkulose, die von dem Bakterium Mycobacterium tuberculosis hervorgerufen wird, weltweit zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten des Menschen. Diese Bakterien töten jährlich fast zwei Millionen Menschen. Derzeit müssen von Tuberkulose Betroffene eine Kombination aus mindestens drei verschiedenen Medikamente über den Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten einnehmen. Die Tuberkulose-Impfung ist nicht in der Lage, Erwachsene gegen Lungentuberkulose zu schützen. Aus diesen Gründen ist seit langem die Suche nach neuen therapeutischen und prophylaktischen Bekämpfungsmethoden für Tuberkulose ein wichtiges Forschungsziel.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts stellte der französische Arzt Armand Trusseau bei der Behandlung einer an Blutarmut leidenden Patientin die Hypothese auf, die Tuberkulose könnte durch Eisenmangel in Schach gehalten werden. Diese Hypothese wurde damals nicht weiter verfolgt. Doch in den letzten Jahren zeigten epidemiologischen Untersuchungen in Afrika, dass Menschen mit Eisenüberladung aufgrund eines hohen Eisengehaltes ihrer Nahrungsmittel ein erhöhtes Risiko tragen, an Lungentuberkulose zu erkranken und daran zu sterben. Eisenmangel kann aber auch positive Effekte haben. So verschlechterte sich beispielsweise bei den Massai, einem Hirtenvolk in Ostafrika, der Zustand bei Patienten mit chronischer Tuberkulose, als man sie mit Medikamente behandelte, die ihnen wieder Eisen zuführen.

Ulrich Schaible und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin entdeckten jetzt, dass Tuberkelbazillen in Gegenwart von zu viel Eisen, sei es im Kulturmedium, in der Zellkultur, oder auch in Modellorganismen, schneller wachsen. Ihr Befund erklärt auch, warum bestimmte Mausstämme, denen das Protein Beta-2-Mikroglobulin fehlt, auf Tuberkulose empfindlicher reagieren als normale Mäuse. Dieses Protein aktiviert die Killer-T-Lymphozyten, die an der Immunabwehr gegen die Tuberkulose beteiligt sind. Beta-2-Mikroglobulin ist jedoch auch an der Funktion anderer Proteine beteiligt, wie dem Protein HFE, das die Aufnahme von Eisen in der Zelle steuert. Ist die Funktion von HFE gestört, kommt es zur Hämatochromatose, einer Erbkrankheit des Menschen, die zur Eisenüberladung im Gewebe führt. Auf Grund einer erhöhten Eisenaufnahme im Darm erhöht sich dabei der Gesamteisengehalts im Organismus von üblicherweise 4 bis 5 auf bis zu 80 Gramm.

Doch als die Berliner Forscher Tuberkulose-Infizierten und mit Eisen überladenen Mäusen Lactoferrin verabreichten – ein eisenbindendes Protein, das auch in Milch und anderen Körperflüssigkeiten vorkommt – trat eine überraschende Wirkung ein: Die Zahl der Keime in den Tieren verminderte sich um das Hundertfache. Dieses Ergebnis war auch deshalb überraschend, weil andere Krankheitserreger wie Salmonellen bei Eisenentzug sogar schneller wachsen. Denn in Abwesenheit von Eisen funktioniert ein wichtiger Abwehrmechanismus gegen Salmonellen – toxische Sauerstoffverbindungen – nicht. Dieser Mechanismus scheint hingegen bei der Tuberkulose keine Rolle zu spielen. Vielmehr führt die hohe Eisenkonzentration zu einem ungehemmten Wachstum der Erreger, das durch Eisenentzug mit Lactoferrin wieder korrigiert werden konnte.

Bereits in früheren Untersuchungen hatten Wissenschaftler Belege dafür gefunden, dass Tuberkulose-Erreger stark von Eisen abhängig sind, denn sie produzierten effiziente eisenbindende Moleküle. Als man diese Proteine ausschaltete, erhielten die Forscher Erreger mit einer viel geringeren Virulenz. Tuberkulose-Erreger verfügen also über die Fähigkeit, in den Fresszellen ihres Wirtsorganismus, den Makrophagen, zu überleben. In diesen Zellen richten sie sich in einer Nische ein, die in direktem Kontakt zum Eisenaufnahmesystem der Wirtszelle steht. "Auf diese Weise sichern sich die Mykobakterien den Zugang zu dem für sie lebensnotwendigen Eisen", erklärt Schaible. "Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bakterien bei eingeschränkter Eisenversorgung in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Eisen als ein wichtiger Wachstumsfaktor für Tuberkulose-Erreger kann somit bei überhöhter Konzentration die Krankheit verschlimmern. Umgekehrt eröffnen sich damit neue Ansätze, um diese Seuche vor allem in Gegenden, wo Eisenüberladung und Tuberkulose zusammen auftreten, wirksamer als bisher behandeln zu können."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.