Raumfahrt: Zum ersten Mal im All
Am 12. April 1961 gegen 9.00 Uhr Moskauer Zeit ist der 27-jährige
Major erstaunlich entspannt – sein Herz macht
gerade einmal 64 Schläge pro Minute. "Befinden gut.
Zum Start bereit!", meldet er aus seiner winzigen
Kabine. Um 9.07 Uhr schießt die 20 Millionen PS starke
Rakete Juri Gagarin als ersten Menschen ins All.
"Ich möchte diesen ersten Raumflug den
Menschen des Kommunismus weihen, der
Gesellschaft, in die unser sowjetisches Volk bereits
eintritt und in die, davon bin ich überzeugt,
alle Menschen der Welt eintreten werden." Mit
diesen patriotischen Worten hatte Juri Gagarin
seine Ansprache beendet – kurz bevor er den
Aufzug zu der kleinen Kapsel an der Spitze der
fast 40 Meter hohen Rakete bestieg.
Wenn man den blumigen Ausführungen in
seinem Buch "Der Weg in den Kosmos" glaubt,
das wohl nicht von ihm geschrieben wurde, sondern
von Journalisten der "Prawda", dann waren
es wirklich nicht die eigenen Befindlichkeiten angesichts
dieser epochalen Mission, die Gagarin
an diesem denkwürdigen Mittwoch umtrieben.
Stattdessen war er beseelt von sozialistischer
Dankbarkeit. Selbst während seines Flugs im All
war er demnach "eins mit seinem Volk". Oder
seine Gedanken weilten bei den unbekannten
Ingenieuren, deren komplizierte Raketentechnik
"mit der Präzision der Kremluhr" funktionierte.
Während er in dem Raumschiff "Wostok 1" (russisch:
Osten) mit fast 28 000 Kilometer pro Stunde
über seine russische Heimat sauste, verzehrte
er sich in "heißer Sohnesliebe für dieses Land",
das den "Staub der alten Welt abgeschüttelt
und sich zu seiner Riesengröße aufgerichtet hat,
um auf dem von Lenin gewiesenen Weg voranzuschreiten".
Immerhin: Nach dem Start stieg sein Puls
dann doch noch auf den eines Joggers. Ein bisschen
aufgeregt wird er angesichts des Höllenritts
also doch gewesen sein. Tatsächlich verlief
der Start vom kasachischen Weltraumbahnhof
Baikonur wie am Schnürchen. Nach und nach
zündeten die drei Raketenstufen, und auch
wenn diese ihn mit seinem fünffachen Gewicht
in den Sitz pressten, fühlte sich Gagarin stets
wunderbar. Allenfalls mit dem Reden tat er sich
angesichts der Belastung mitunter etwas schwer.
Nach 676 Sekunden dann: plötzliche Stille. In
knapp 200 Kilometer Höhe war die letzte Raketenstufe
abgesprengt worden, die das Raumschiff
auf seine endgültige Umlaufbahn gebracht
hatte. "Ich saß nicht, lag nicht, sondern
schwebte im Raum." Sein Bleistift flog davon.
"Es war wie ein Traum." Als draußen die weite,
von der Morgensonne beschienene Landschaft
Sibiriens vorbeizieht, rief er: "Wie herrlich!". Später
schrieb er: "Doch das Wort blieb mir in der
Kehle stecken. Meine Aufgabe war, kurz und
sachlich zu informieren, und keineswegs, mich
meiner Begeisterung hinzugeben."
Um 9.52 Uhr überflog er Kap Hoorn. "Flug verläuft
normal, fühle mich gut", funkte er zur Erde.
Immer wieder musste er die Rollos schließen, weil
die Sonne hier eine "wahrscheinlich dutzend-,
wenn nicht hundertmal stärkere Leuchtkraft hat
als auf der Erde". Unterdessen
spielte ihm die Moskauer Bodenkontrolle "Amurwellen" in die
Kabine – eines seiner Lieblingslieder.
Um 10.15 Uhr erreichte er Afrika – und den Anfang vom Ende seiner Reise. Und dann passierte es: Kurz nach der Zündung der Bremsrakete kam es zu einem ernsten Zwischenfall. Eigentlich hätte sich in diesem Moment die kugelförmige Landekapsel vom Rest des Raumfahrzeugs lösen müssen, doch die Trennung erfolgte nicht vollständig – beide Komponenten blieben zunächst durch eine Reihe loser Kabel miteinander verbunden. Die Kapsel begann, sich unkontrolliert zu drehen. Gagarin verlor zwar die Orientierung, nicht aber die Nerven. Nach Hause funkte er, alles laufe normal, in seinem Buch heißt es gar, dass er schallend sein Lieblingslied "Die Heimat hört, die Heimat weiß" sang. So oder so: Am Ende ging alles glatt. In 7000 Meter Höhe öffnete sich der Hauptfallschirm, wenig später sprengte sich Gagarin planmäßig mit seinem Schleudersitz aus der Kapsel und landete um 10.55 Uhr – eine Stunde und 48 Minuten nach seinem Start – auf einem Acker rund 500 Kilometer östlich von Dnipropetrowsk. "Gut Freund, Genossen, gut Freund!", rief er den Bauern zu, die ihn gleich erkannten und "umarmten und küssten wie Brüder".
"Durch Ihre Heldentat haben Sie unserem Heimatlande großen Ruhm gemacht", lobte ihn wenig später Staatschef Nikita Chruschtschow, während US-Präsident John F. Kennedy nach dem "Sputnikschock" von 1957 im Wettlauf um den ersten Menschen im All nun eine weitere Niederlage einstecken musste. Niemand sei an diesem Tag so müde wie er, sagte er einem Journalisten. Es werde wohl einige Zeit dauern, bis die Sowjetunion eingeholt werden könne. Tatsächlich vergingen gut acht Jahre, bis Neil Armstrong am 21. Juli 1969 den Mond betrat – und die Sowjetunion den großen Wettkampf des Kalten Kriegs am Ende doch verlor. Gagarin erlebte das nicht mehr. Er kam am 27. März 1968 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
PS: Auf dem Weg zur Startrampe hatte Juri Gagarin übrigens den Bus anhalten lassen – um sich in letzter Minute vom Druck seiner Blase zu erleichtern. Seither pinkeln alle Kosmonauten und Astronauten kurz vor dem Start in Baikonur in seinem Gedenken an die Busreifen.
Um 10.15 Uhr erreichte er Afrika – und den Anfang vom Ende seiner Reise. Und dann passierte es: Kurz nach der Zündung der Bremsrakete kam es zu einem ernsten Zwischenfall. Eigentlich hätte sich in diesem Moment die kugelförmige Landekapsel vom Rest des Raumfahrzeugs lösen müssen, doch die Trennung erfolgte nicht vollständig – beide Komponenten blieben zunächst durch eine Reihe loser Kabel miteinander verbunden. Die Kapsel begann, sich unkontrolliert zu drehen. Gagarin verlor zwar die Orientierung, nicht aber die Nerven. Nach Hause funkte er, alles laufe normal, in seinem Buch heißt es gar, dass er schallend sein Lieblingslied "Die Heimat hört, die Heimat weiß" sang. So oder so: Am Ende ging alles glatt. In 7000 Meter Höhe öffnete sich der Hauptfallschirm, wenig später sprengte sich Gagarin planmäßig mit seinem Schleudersitz aus der Kapsel und landete um 10.55 Uhr – eine Stunde und 48 Minuten nach seinem Start – auf einem Acker rund 500 Kilometer östlich von Dnipropetrowsk. "Gut Freund, Genossen, gut Freund!", rief er den Bauern zu, die ihn gleich erkannten und "umarmten und küssten wie Brüder".
"Durch Ihre Heldentat haben Sie unserem Heimatlande großen Ruhm gemacht", lobte ihn wenig später Staatschef Nikita Chruschtschow, während US-Präsident John F. Kennedy nach dem "Sputnikschock" von 1957 im Wettlauf um den ersten Menschen im All nun eine weitere Niederlage einstecken musste. Niemand sei an diesem Tag so müde wie er, sagte er einem Journalisten. Es werde wohl einige Zeit dauern, bis die Sowjetunion eingeholt werden könne. Tatsächlich vergingen gut acht Jahre, bis Neil Armstrong am 21. Juli 1969 den Mond betrat – und die Sowjetunion den großen Wettkampf des Kalten Kriegs am Ende doch verlor. Gagarin erlebte das nicht mehr. Er kam am 27. März 1968 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
PS: Auf dem Weg zur Startrampe hatte Juri Gagarin übrigens den Bus anhalten lassen – um sich in letzter Minute vom Druck seiner Blase zu erleichtern. Seither pinkeln alle Kosmonauten und Astronauten kurz vor dem Start in Baikonur in seinem Gedenken an die Busreifen.
© epoc
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