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Forstwissenschaft: Zurück zum Wald

Die einträgliche Rinderzucht aufgeben und dafür Bäume pflanzen, die erst in Jahrzehnten Ertrag bringen? Klingt nicht nach einer lockenden Alternative. Kann es aber sein, wenn staatliche Gelder den schwierigen Start fördern.
Koa-Baum
Wo heute Rinder weiden, stand einst Wald – dichter, unberührter Urwald, ein Paradies für eine vielfältige Lebewelt. Nur zehn Prozent davon haben in den Hochlagen Hawaiis überlebt, ein Schicksal, das die Inseln mit vielen anderen tropischen Regionen teilen: Wo sich der gewinnstrebende Mensch ausbreitet, müssen Ureinwohner, Tier und Pflanze weichen.

Zurück zur Natur ist daher zwar eine weltweit geäußerte Forderung, realisiert aber wird sie nur selten. Denn die abgeholzten Areale wieder aufzuforsten, kostet zunächst einmal Geld, viel Geld. Und bis durch nachhaltiges Wirtschaften womöglich sogar wieder Einkünfte erzielt werden können, vergehen Jahrzehnte. Das aber ist es, was für den Privateigentümer zählt: dass sein Geldbeutel auch weiterhin gut gefüllt bleibt. Mag es ein hehres Ziel sein, mit der Wiederaufforstung auch andere ökologische Faktoren wie Trinkwasserversorgung, Artenvielfalt, Kohlenstoffspeicherung und vieles mehr zu verbessern – es klingelt dadurch eher selten in der Landbesitzerkasse.

Könnte es aber, haben Joshua Goldstein von der Universität Stanford und seine Kollegen durchgerechnet. Die Forscher modellierten die Einkünfte aus verschiedenen Bewirtschaftungsstrategien auf einer Parzelle von 200 Hektar. Anhand von Freilandstudien, Literaturrecherchen und intensiven Gesprächen mit Wissenschaftlern, Forstwirtschaftlern, Einheimischen und Staatsbediensteten entwickelten sie die Randbedingungen der verschiedenen Zukunftsszenarien und simulierten damit deren Entwicklung. Sie verglichen dabei das Beharren auf reiner Viehwirtschaft, eine Kombination von Wiederbewaldung mit Beweidung, reine Aufforstung zu forstwirtschaftlichen Zwecken und das Handeln mit Kohlenstoffäquivalenten nach dem Vorbild des von den Europäern eingeführten Emissionshandels. Diese Modelle verknüpften sie zudem mit verschiedenen Versionen staatlicher Förderung zu Naturschutzzwecken.

Koa-Pflanzung nach fünf Jahren | Einst der Waldbildner in den Bergwäldern Hawaiis, ist der Koa-Baum heute selten geworden. Aufforstung jedoch kann sich lohnen: Hier eine Aufnahme aus einem fünfjährigen Bestand.
Als Baum der Wahl pickten sich die Forscher den Koa-Baum (Acacia koa) heraus: Einst der natürliche Waldbildner der Region, ist das harte Holz dieses Akazien-Verwandten seit Jahren sehr begehrt und erzielt bessere Preise als der schneller wachsende Eukalyptus oder andere Arten, die sich zu regelrechten Plagen auswachsen können oder über deren forstwirtschaftliche Nutzbarkeit noch recht wenig bekannt ist. Ein Wunschkandidat also aus naturschützerischer wie ökonomischer Sicht.

20 Jahre alte Koa-Bäume | Nach zwanzig Jahren wird noch einmal durchgeforstet, der erste Einschlag lohnt sich ab 35 Jahren. Dann jedoch können die Einkünfte auf das Neunfache dessen steigen, was Rinderzucht liefert – sofern die Anfangsinvestitionen und die lange Zeit bis zum ersten Ertrag durch staatliche Förderung gemildert werden.
Und siehe da: Nutzten die hypothetischen Landeigentümer staatliche Zuschüsse, um die hohen Investitionskosten zu Beginn des Umstiegs auf Forstwirtschaft zu überbrücken, winkte ihnen mit der Holzernte das bis zu neunfache Einkommen pro Hektar im Vergleich zur herkömmlichen Rinderzucht. Auch ohne Förderungsprogramme lagen die Erträge mit Beginn des Holzeinschlags deutlich höher als mit Viehweide – dann allerdings mussten die Landbesitzer insbesondere in den ersten Jahren noch gravierende Verluste hinnehmen. Milderten sie diese, indem sie fünf Jahre nach Pflanzung der Setzlinge wieder Rinder in die jungen Wälder trieben, fiel der Holzeintrag später durch Verbissschäden magerer aus. Die Gewinnspanne aber lag immer noch höher als bei reiner Weidenutzung.

Nur ein Konzept versagte völlig: der Emissionshandel. Die Wissenschaftler hatten einen Preis von 15 Dollar pro Tonne Kohlendioxid-Äquivalent angesetzt – ein Drittel mehr als das, was derzeit im europäischen Emissionshandel bezahlt wird, und das knappe Vierfache des Wertes, der beim Chicago Climate Exchange (CCX), einem amerikanischen Pendant, an der Tagesordnung ist. Als Goldstein und seine Kollegen den Erlös auf 30 Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent verdoppelten, erreichten sie gerade einmal plusminus Null.

Damit sich Aufforstung zu Emissionshandelszwecken für die Landbesitzer bezahlt macht, müsste der Preis also noch erheblich weiter steigen. Nach dem massiven Einbruch vor wenigen Wochen ein eher unwahrscheinliches Ereignis.

Als größter Unsicherheitsfaktor hinsichtlich der Prognosen entpuppte sich dabei die Entwicklung des Holzmarktes: Er machte über neunzig Prozent der Variabilität aus, wobei insbesondere der Holzpreis den größten Einfluss hatte. Die Investitionen hingegen rüttelten kaum am Endergebnis. Da diese Anfangskosten und der erst zeitversetzte Ertrag jedoch die größte Hürde für den Umstieg bilden, seien die staatlichen Fördergelder trotzdem von zentraler Bedeutung.

Wichtig ist den Forschern, dass ihre Analyse kein regionales Phänomen ist, sondern sich auf viele tropische Regionen übertragen lassen müsste. Schließlich wurden entsprechende einheimischen Harthölzer auch anderswo geholzt und stehen aber ebenfalls seit Jahren im Fokus des Interesses bei Projekten zu naturverträglicher Nutzung.

Mag die Alternative also auf den ersten ökonomischen Blick nicht lohnend wirken, auf den zweiten kann sie es – bei sinnvoller Ergänzung – sehr wohl sein. Sogar weitaus lohnender als die waldzerstörerische Viehzucht.

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