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News: Zuviel des Guten?

Einige Menschen sind sich fast sicher: Vitamin C ist ein Mittel, welches fast ohne Bedenken und mit guter Wirkung gegen Erkältungen und vielleicht sogar Krankheiten wie Krebs eingesetzt werden kann. Und je höher die Dosierung, desto besser. Jetzt weckt eine neue Studie Zweifel an dieser Hypothese.
Vitamin C ist wichtig für die gesunde Entwicklung von Knochen und Zähnen, gesunder Haut und Zahnfleisch, für das Immunsystem sowie für die Verhinderung von Krankheiten wie Skorbut. Das Vitamin hat viele Fans (einschließlich des verstorbenen Nobelpreisträgers Linus Pauling), die glauben, daß hohe Dosen von Vitamin C Krebs, Erkältungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen abwehren können. Aber eine Studie in der Ausgabe von Nature vom 9. April 1998 stellt dessen Wirksamkeit bei hohen Dosen in Frage.

Ian Podmore und seine Kollegen von der University of Leicester in Großbritannien haben herausgefunden, daß durch die Einnahme von 500 mg pro Tag Vitamin C (Ascorbinsäure) das genetische Material, die DNA, beschädigt werden können. Die normale empfohlene tägliche Menge beträgt 60 mg. Die höhere Dosis ist jedoch typisch für manche auf dem Markt erhältliche Vitaminzusätze.

Das Vitamin wird als diätetischer Zusatz vermarktet, teilweise wegen seiner Eigenschaften als Anti-Oxidationsmittel. Reaktive Nebenprodukte des normalen Zellstoffwechsels können die DNA und Proteine beschädigen. Die hervorgerufenen Mutationen können unter anderem zu Krebs, chronischer Polyarthritis und Atherosklerose führen. Die meisten der reaktiven Moleküle werden von Anti-Oxidationsmitteln wie Vitamin C "abgefangen" – deshalb glauben viele, daß das Vitamin gegen verschiedene schwere Krankheiten hilfreich ist.

Aber die Tatsache, daß hohe Dosen von Vitamin C zu DNA-Schäden führen können, zeigt, daß es sich hier nicht nur um ein Anti-Oxidationsmittel handelt. Es kann auch gegenteilige Eigenschaften entwickeln und als sogenanntes "Pro-Oxidationsmittel" dienen. Zu diesem Schluß kamen Podmore und seine Kollegen nach einer Untersuchung an 30 gesunden Freiwilligen, die 6 Wochen lang jeden Tag 500 mg Vitamin C-Zusatz einnahmen. Die Wissenschaftler nahmen bei den Probanden Blutproben vor, während und nach diesem Zeitraum und entwickelten dabei auch eine neue empfindliche Technik für das Erkennen von Anzeichen für DNA-Schäden.

Die Komponenten der DNA verändern sich nach oxidativem Schaden auf sehr charakteristische Weise. Nach diesen veränderten Substanzen suchten die Forscher in einer bestimmten Form von weißen Blutkörperchen. Zwei der offensichtlichen Anzeichen für eine Beschädigung der DNA sind Stoffe, die als Ergebnis von oxidativen Prozessen gebildet werden.

Eines davon, das 8-Oxoguanin, war bisher am leichtesten zu entdecken und zu messen. Während des Zeitraums, in dem die Freiwilligen die Vitamin C-Zusätze einnahmen, fiel die Konzentration der Chemikalie. Dies stützt die traditionelle Ansicht, daß Vitamin C vor DNA-Schäden schützt. Die Forscher entdeckten aber gleichzeitig bestimmte Mengen einer anderen Chemikalie, des 8-Oxoadenins. Die Konzentrationen dieser Chemikalie stiegen als Ergebnis der Einnahme des Vitamins – die Substanz bildete sich ungefähr zweimal so schnell wie normal. Das ist ein sicheres Zeichen für DNA-Schäden.

Die Auswirkungen als Anti- und als Pro-Oxidationsmittel scheinen gemeinsam aufzutreten, wobei das Vitamin mit verschiedenen Teilen der DNA unterschiedlich reagiert. Es gibt offensichtlich eine genau ausgewogene Balance zwischen den nützlichen und schädlichen Auswirkungen. Bisher ist das Gesamtbild aber noch nicht zu überblicken.

Die Wissenschaftler wollen das Vitamin C keinesfalls als schädlich einstufen – es ist schließlich ein wichtiger Teil unserer Ernährung. Bei niedrigeren Dosen als in dieser Studie eingesetzt, glauben sie, überwiegen die nützlichen Auswirkungen. Sie glauben jedoch auch, daß ihr Nachweis eines DNA-Schadens nach der Einnahme eines typischen Vitaminzusatzes "Anlaß zum Nachdenken geben sollte".

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