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Fälschungsvorwürfe: Zweifel an Stammzellen aus Säurebad

Maus mit stressinduzierten Stammzellen

Das Riken-Zentrum in Kobe, eine der führenden Forschungsinstitutionen Japans, strengt Untersuchungen über die Glaubwürdigkeit der vor Kurzem veröffentlichten und als bahnbrechend eingestuften Stammzellstudie an. Von verschiedener Seite waren Zweifel an der Veröffentlichung geäußert worden.

Am vergangenen Freitag teilte das Zentrum mit, Nachforschungen über angebliche Unregelmäßigkeiten in den Veröffentlichungen der Biologin Haruko Obokata aufgenommen zu haben, die am Riken forscht und arbeitet. Sie war im vergangenen Monat als Hauptautorin zweier Studien schlagartig bekannt geworden: Darin war ein sehr einfacher Weg beschrieben worden, adulte Zellen von Mäusen in einen embryonalen Zustand zurückzuversetzen. Als Auslöser seien bloße Stressreize notwendig, etwa die Zugabe von Säure oder Druck auf die Zellmembranen. Die Untersuchungen des Riken-Zentrums begannen jetzt, nachdem in verschiedenen Blogs Auffälligkeiten gemeldet wurden – etwa über das mehrmalige Verwenden von identischen Fotografien in den Veröffentlichung von Obokata sowie über mehrere gescheiterte Versuche, ihre Ergebnisse zu reproduzieren.

Die Suche nach dem Reset-Knopf

Aus dem Embryonalzustand heraus sind Zellen in der Lage, sich zu den verschiedenen unterschiedlichen Zelltypen des Körpers zu entwickeln; sie gelten daher als ideale Quelle für ein patientenspezifisches Zell-Ersatzteillager. Zudem eignen sie sich gut, um das Voranschreiten von Krankheiten oder die Wirksamkeit von Medikamenten zu untersuchen; sie können außerdem recht einfach in kranke Organe transplantiert werden, um diese zu regenerieren. Forscher hatten 2006 erstmals Wege aufgezeigt, Stammzellen zurückzuprogrammieren; damals hatten Wissenschaftler mit der Zugabe von vier Genen wie auf Knopfdruck so genannte "induzierte pluripotente Stammzellen" hervorgerufen. Allerdings blieb wegen der Zugabe der vier Gene auch unsicher, welchen Status die Zellen eigentlich exakt haben. Obokatas Studie propagierte nun einen deutlich weniger komplizierten Weg – was die Wissenschaftswelt mit einigem Staunen und gelinder Skepsis aufgenommen hat.

In der vergangenen Woche ist die Schar der Skeptiker deutlich gewachsen: PubPeer und andere Blogs wiesen auf problematische Passagen in den beiden Studien und einer früheren Veröffentlichung aus dem Jahr 2011 hin, in der das Potenzial von adulten Stammzellen in ausdifferenziertem Gewebe behandelt worden war. In diesem Paper von 2011, für das Obokata als Erstautorin zeichnete, zeige eine Grafik Balken, um die Konzentration eines bestimmten Stammzellmarkers anzuzeigen; diese Balken scheinen aber gespiegelt und andernorts erneut eingesetzt worden zu sein – um dort nun einen anderen Stammzellmarker zu dokumentieren. Ein weiterer Bereich der gleichen Grafik scheint wiederum in wieder einer anderen Abbildung einen dritten Marker zu repräsentieren. Zudem enthalte das Paper mutmaßlich noch ein kopiertes Duplikat.

Verwirrung um Grafiken

Der verantwortliche Autor dieser Studie – Charles Vacanti, ein Anästhesist der Harvard Medical School in Boston – äußert gegenüber "Nature", er habe erst in der vergangenen Woche von "einem Durcheinander einzelner Grafiken" gehört. Er hat daraufhin beim Journal um eine Korrektur gebeten. "Jedenfalls sieht das doch nach einem unabsichtlichen Fehler aus, der nichts an der Datenlage ändert – oder etwa den Schlussfolgerungen oder anderen Aussagen des Papers", findet Vacanti.

Auch die Auffälligkeiten in den beiden aktuellen Veröffentlichungen in "Nature" – jeweils mit Obokata als Erstautorin – betreffen Grafiken. Im ersten Paper [1] könnte ein Abschnitt der Genomanalyse in die erste Abbildung hineinkopiert worden sein. In der zweiten Veröffentlichung [2] ähneln sich die Abbildungen zweier Plazentas verdächtig, obwohl sie aus unterschiedlichen Experimenten stammen sollen.

Teruhiko Wakayama, ein Klonierungsexperte der Yamanashi University in Japan, war als Koautor an beiden Studien beteiligt und hat den größten Teil der Plazenta-Abbildungen erstellt. Er gesteht zu, dass die fraglichen Plazentas identisch aussähen – womöglich handle es sich schlicht um eine versehentliche Verwechslung. Wakayama, der Riken gerade verließ, während das Manuskript des Papers vorbereitet wurde, erinnert sich, dass er mehr als 100 Bilder an Obokata geschickt hat – vielleicht habe das Verwirrung darüber geschürt, welche davon verwendet werden sollen. Er habe gerade begonnen, diese Frage aufzuklären.

Fehlende Reproduzierbarkeit

Angefacht wird die Skepsis auch durch die Schwierigkeiten, die neuen Resultate von Obokata im Labor nachzuvollziehen: Keinem einzigen von zehn renommierten Stammzellforschern, die sich nach einer Anfrage von "Nature" zur Verfügung gestellt hatten, war dies gelungen. Ein Blog, das die Erfahrung analoger Experimente aus der Forschergemeinschaft zusammenträgt, konstatiert bisher neun fehlgeschlagene Versuche. Allerdings hat keiner der dort genannten Experimentatoren mit der Stammzelllinie aus Obokatas Labor arbeiten können.

Einige Forscher wittern demzufolge derzeit noch kein echtes Problem. Qi Zhou, Klonforscher des Institute of Zoology in Peking, meint etwa, dass allein "das Ansetzen des Versuchs schon knifflig ist": Die meisten seiner Mäusezellen haben die Säurebehandlung nicht überstanden. Tatsächlich könne es ja schon "extrem schwierig sein, ganz simple Experimente einer fremden Arbeitsgruppe im eigenen Labor nachzuvollziehen. Ich möchte mich daher lieber nicht über die Authentizität der Arbeit äußern – allein auf der Grundlage meiner Versuche, sie zu replizieren."

Jacob Hanna, Stammzellbiologe am Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, findet, "wir alle sollten uns davor hüten, neue Erkenntnisse zuerst einmal per se abzulehnen". Gleichzeitig sei er allerdings "extrem besorgt und skeptisch": Er werde nun erst einmal mindestens zwei Monate lang experimentieren, bevor er die Idee beerdigen könne.

Womöglich ist das experimentelle Protokoll nur besonders kompliziert und fehleranfällig – selbst Wakayama hatte anfangs Schwierigkeiten mit der Reproduktion der Ergebnisse. Er und ein Student seines Labors konnten das Experiment aber vor der Veröffentlichung replizieren, nachdem Obokata sie persönlich ausführlich eingewiesen hatte. Seit er an die Yamanashi University gewechselt ist, gelang dies nicht mehr: "Am Anfang sieht das nach einer einfachen Technik aus – einfach Säure zugeben –, aber das ist es eben nicht", so der Forscher.

Schwieriges Versuchsprotokoll?

Wakayama ergänzt, dass auch ihn letztlich nur der persönliche Erfolg, die Methode nachkochen zu können, überzeugt hat: Die Technik funktioniere aber. Tatsächlich seien die von Obokata produzierten Zellen ja auch die einzigen Exemplare, die – abgesehen von frisch befruchteten Embryonen – in der Lage sind, Plazentagewebe zu bilden. Die Ursache dafür könnten demnach nicht etwa irgendeine Art von Austauschzellen sein: "Ich habe das selbst gemacht, ich weiß, dass die Resultate unzweifelhaft stimmen."

Viele Forscher hatten bei einem oder mehreren der Autoren weitere Einzelheiten über das experimentelle Prozedere angefragt, jedoch keine Antwort bekommen. Hongkui Deng, Stammzellbiologe der Peking University in der chinesischen Hauptstadt, hat dabei erfahren, dass "die Autoren planen, in Kürze ein detaillierteres Methodenprotokoll zu publizieren". Vacanti lässt mitteilen, er hätte nichts dagegen, die Experimente zu wiederholen, und ergänzt, er werde Obokata selbst bitten, das Versuchsprotokoll beizusteuern, damit "jede möglicherweise verwirrende Abweichung vermieden wird". Obokata selbst hat sich bislang gegenüber "Nature News" nicht geäußert.

Ein Sprecher der Nature Publishing Group, in der auch das Magazin "Nature" erscheint, teilt mit, dass "Nature" "auf den Fall aufmerksam gemacht wurde und nun eigene Untersuchungen eingeleitet hat".


Der Artikel erschien unter dem Titel "Acid-bath stem-cell study under investigation" in "Nature News".
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