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Wason-Spiel

Treitz-Rätsel

Dieses Spiel hat der Engländer Peter Wason (1924–2003) in die Denkpsychologie eingeführt. Ich denke mir eine Menge von Objekten, z. B. Zahlen oder Tieren oder Personen …, und nenne einige Beispiele. Sie sollen herausbekommen, welche Menge ich gewählt habe. Dafür dürfen Sie irgendwelche Gegenstände nennen und mich fragen, ob sie zur Menge gehören. Damit ich nicht mogeln kann, habe ich vorher die Lösung aufgeschrieben und verdeckt. – Was ist eine sinnvolle Strategie, und was ist der beliebteste Fehler?

Angenommen, ich habe Amsel, Storch und Pinguin aufgezählt. Werden Sie nun nach Huhn, Schwalbe oder Strauß fragen oder besser nach Hering, Giraffe oder Maikäfer? Oder sogar nach Apfelbaum oder Kieselstein?

Ich könnte Vögel gewählt haben, vielleicht aber auch Wirbeltiere oder überhaupt alle Lebewesen.

Wenn Sie eine Vermutung haben, nennen Sie sofort Dinge, die nach dieser Vermutung Gegenbeispiele sein sollten. Wenn Sie bei den Beispielen Amsel, Storch und Pinguin vermuten, dass ich die Vögel meine, bringt Sie die Frage nach dem Huhn oder dem Strauß buchstäblich nicht weiter (falls Sie nicht eine raffinierte Untergliederung der Vögel kennen, die hier trennt).

Wenn Sie aber nach der Giraffe fragen, erfahren Sie sogleich relativ sicher, ob die Säugetiere dazugehören sollen, und der Kieselstein ist ausgeschlossen, wenn es um Lebewesen geht. Natürlich muss mein Kriterium nicht taxonomisch sein, es könnte auch tiergeografisch sein oder sich nach Größe oder Essbarkeit usw. ausrichten.

Auf jeden Fall ist das Anstreben weiterer Bestätigungen für das, was Sie schon vermuten, ziemlich unfruchtbar. Es ist wie beim Definieren: Wenn Sie jemandem erklären wollen, was ein Fisch ist, können Sie durch noch so viele positive Beispiele nicht klären, ob die Wale und die Tintenfische dazugehören sollen, wohl aber durch relativ wenige Gegenbeispiele.

Wissenschafts-praktisch (ich habe noch von keinem Nobelpreisträger gelesen, wie sehr ihm die Wissenschaftstheorie geholfen hätte …) ist die Sache von größter Bedeutung: Wer eine Hypothese (oder einen Lehrsatz) als vertrauenswürdig erweisen möchte, muss nicht nach Bestätigungen, sondern nach Widerlegungen suchen! Das erscheint auch vielen Kollegen fremd, und entsprechend schlecht schneiden sie beim Wason-Spiel ab. Es gehört zu Sir Karl Poppers wichtigsten Verdiensten, in aller Klarheit auf die Bedeutung der Falsifikation hingewiesen zu haben. Ähnlich hat Feynman beschrieben, wie man zu Naturgesetzen kommt: Schreiben Sie irgend etwas an die Tafel und suchen Sie nach den Konsequenzen, die es haben müsste. Sobald Sie Gegenbeispiele finden, streichen Sie den Satz oder formulieren Sie ihn besser (aber möglichst so, dass nicht nur das einzelne Gegenbeispiel berücksichtigt wird).

Wie kommt es aber nun, dass auch hoch Qualifizierte trotz der klaren Vorzüge der richtigen Strategie die unfruchtbare bevorzugen? Nun, jeder liebt seine Vermutungen und möchte sich Enttäuschungen ersparen. In letzter Konsequenz führt das aber nur zum blinden Glauben an Illusionen.

Theorien, die alle denkbaren Gegenbeispiele automatisch mit-erklären, genießen völlig zu Unrecht hohes Ansehen, denn sie erklären in Wirklichkeit buchstäblich überhaupt nichts. Ein Beispiel, das nur scheinbar lustig ist: Wenn jemand dauernd von Sex redet, kann man ihm mit einigem Recht vorwerfen, dass er sex-besessen sei. Wenn er aber nun nicht davon redet, so ist auch das leicht zu erklären: Er versteckt seine Sex-Besessenheit bewusst. Man folgert also, dass alle Menschen diese Eigenschaft haben, aber worin besteht dann noch diese Aussage?

Pseudo-Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie alles zu erklären behauptet. Richtige Wissenschaft stellt alle ihre Aussagen zur Disposition, in dem sie deutlich macht, bei welchen denkbaren Beobachtungen sie widerrufen oder modifiziert werden müssen. Die Physik funktioniert seit 400 Jahren so beispiellos gut, weil in ihr Ketzer großen Erfolg (seit einem Jahrhundert auch Nobelpreise) einheimsen können und nicht wegen ihrer Ideen misshandelt oder verjagt werden. Jedenfalls nicht von ihren Kollegen und nicht in zivilisierten Ländern.

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