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Expedition zu den Planeten

Planeten können schrumpfen, beispielsweise der Merkur: Nach aktuellen Analysen hat sich sein Radius im Lauf seiner Existenz um sieben Kilometer vermindert. Und seine extrem dünne Gashülle bringt kaum 1000 Kilogramm auf die Waage. Hätten Sie's gewusst? Falls nicht, Sie aber dazu mehr wissen möchten, sollten Sie eine "Expedition zu fremden Welten" erwägen. Sie müssen nicht einmal Ihr Sofa verlassen, es reicht, das gleichnamige Buch aufzuschlagen. Sie können dann bequem die Welten des Sonnensystems bereisen – zumindest gedanklich.

Anspruchsvolle deutschsprachige Bücher über dieses Thema sind selten. Es tut deshalb gut, dass renommierte Experten wie Ralf Jaumann und Ulrich Köhler sich dessen angenommen haben. Die Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatten schon früher zwei bildstarke Bände über den Mars und den Erdmond publiziert – nun also das gesamte Sonnensystem. Zu dem 380 Seiten starken Werk, das im November 2017 erschien, haben diesmal zusätzlich weitere Kollegen aus dem Berliner DLR-Institut für Planetenforschung beigetragen.

Blick voraus und Sonne im Rücken

Das Buch ist deutlich fachlicher geraten als seine Vorgänger. Das zweispaltige Layout, die Text-Bild-Mischung und die Fußnoten erinnern ein wenig an das "Physik Journal". Insgesamt zehn Kapitel warten mit aktuellem Wissen auf. Zunächst schildern die Autoren einführend auf knapp 30 Seiten die Architektur des Sonnensystems: Gesteins-, Gas- und Eisplaneten, deren Monde sowie Asteroiden und Kometen. Dabei gehen sie durchaus lehrbuchhaft in Details, etwa wenn es um die keplerschen Gesetze oder die newtonsche Formel zur Schwerkraft geht. Die Geburtsphase der planetaren Körper als Relikt der Sonnenentstehung wird ebenfalls ausgiebig behandelt.

Danach laden die Planetologen ihre Leser auf eine Expedition ein, bei der sie sich zunehmend von der Sonne entfernen. Den kleinen Merkur und unsere vermeintliche Zwillingsschwester, die Venus, treffen sie in Kapitel 2. Über beide gibt es auf über 50 Seiten reichlich zu berichten, zwei Sonden hatten bis vor Kurzem diese sonnennahen Welten jahrelang erforscht. Fast ebenso viel Platz räumen die Autoren dem Doppelplaneten Erde und Mond ein – zweifellos die besterforschten "Himmelskörper" überhaupt.

Als Nächstes folgt der "Nachbar Mars", zu dessen fast 100-prozentiger Kartografierung die Stereo-Kamera des DLR auf der ESA-Sonde "Mars Express" entscheidend beigetragen hat. Auch zu den Asteroiden gibt es viele neue Erkenntnisse. Hier können die Autoren mit reichlich Expertise aufwarten, denn das DLR wirkt an vorderster Front bei der "Dawn"-Mission mit, zu deren Zielobjekten der Zwergplanet Ceres gehörte. Ein überraschendes Detail: Zwar ist die Ceres-Oberfläche trocken, im Untergrund existiert jedoch Wassereis, dessen Masse dem Zehnfachen aller irdischen Seen entspricht.

Im Reich der Gasriesen

Das Jupiter- und das Saturnsystem sind jeweils Thema eines eigenen Kapitels. Während die momentan aktive NASA-Mission "Juno" noch keinen Eingang ins Jupiter-Kapitel fand, sind die vielen neuen Erkenntnisse, die wir der Sonde "Cassini" verdanken, im Saturn-Kapitel breit abgehandelt. Auch in diese Mission waren DLR-Experten involviert.

Uranus und Neptun, die zuletzt vor rund drei Jahrzehnten eine Sonde besuchte, werden kürzer, aber ausreichend behandelt. Weiter außen grenzen der Zwergplanet Pluto und seine fünf Monde, die übrigen eisigen Kuipergürtelobjekte sowie die Oortsche Wolke, aus der die langperiodischen Kometen stammen, das Reich der Sonne zum interstellaren All ab. Die spektakulären Ergebnisse des Kometenjägers "Rosetta" und der Pluto-Sonde "New Horizons" bilden das Highlight dieses Kapitels.

Die Reise endet im letzten Kapitel über die Planeten fremder Sterne. Deren Entdeckung in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Planetenforschung mehr als 3700 neue Studienobjekte beschert. Sie ermöglichen es erstmals, die Gegebenheiten in unserem Sonnensystem in einen umfassenderen Rahmen einzuordnen.

Eine Bemerkung zum Schluss: Natürlich soll der Klappentext Lust auf die Lektüre wecken, wohl deshalb verspricht er "atemberaubende Fotos". Und das Fotomaterial, das die Sonden erdwärts funken, hat zweifellos dieses Potenzial. Doch die Stärke des Buchs sind nicht seine Bilder – dazu sind diese meist zu klein –, sondern deren kundige Analyse und die umfassende Schilderung des aktuellen Forschungsstands. In diesem Sinn ist den Autoren ein lesenswertes Buch gelungen. Es dürfte insbesondere für vorgebildete Laien oder Studenten in verwandten Fächern wertvoll sein.

Hinweis der Redaktion: Spektrum der Wissenschaft und Springer Science+Business Media gehören beide zur Verlagsgruppe Springer Nature. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Rezensionen. Spektrum der Wissenschaft rezensiert Titel aus dem Springer-Verlag mit demselben Anspruch und nach denselben Kriterien wie Titel aus anderen Verlagen.

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