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Wiens Befreier

Den polnischen König Jan III. Sobieski (1629–1696) kennt in Wien heute jedes Schulkind. Als Oberbefehlshaber des alliierten Entsatzheeres hatte er 1683 die knapp zweimonatige Belagerung Wiens beendet, indem er spektakulär über die Truppen des Osmanischen Reichs siegte und sie zum Rückzug zwang. Der Nationalstolz der Polen speist sich bis heute unter anderem aus diesem militärischen Erfolg.

Das Belvedere-Museum in Wien widmet Sobieski nun, in Kooperation mit vier polnischen Residenzen, die Ausstellung "Jan III. Sobieski: Ein polnischer König in Wien". Bis zum 1. November 2017 können Besucher dort diese herausragende Persönlichkeit des europäischen Barock kennen lernen. Aus ganz Europa haben die Kuratoren verschiedene Objekte zusammengetragen, die eine umfassende Perspektive auf den König erlauben. Sobieski erscheint als hochgebildeter, militärisch begabter Staatsmann, als Familienmensch, Mäzen der Künste und Wissenschaften – und als König, der trotz seiner Macht und Stellung menschlich zugänglich blieb.

Erster unter Gleichen

Wer die Reise nach Wien nicht antreten möchte, ist auch mit dem vorliegenden Katalog zur Ausstellung gut beraten. Der großformatige Band besticht mit hochwertiger Verarbeitung, reicher Bebilderung und angenehmer Haptik. Die dargestellten Kunstobjekte, Kupferstiche, Karten und Porträts machen den Katalog opulent und laden zum Betrachten ein. Ergänzend dazu haben renommierte polnische, deutsche und österreichische Wissenschaftler kompakte Beiträge verfasst.

Einleitend präsentieren sechs kurze, kenntnisreich verfasste Aufsätze den historischen Kontext Sobieskis und einige Kernkonzepte. Der erste Beitrag etwa erläutert die damals einzigartige Stellung des Königreichs Polen als Wahlmonarchie, in der alle Adligen stimmberechtigt waren und der König als primus inter pares ihnen zumindest nominell gleichranging blieb. Ausgestattet mit diesem Wissen, lassen sich Sobieskis spätere misslungene Versuche, eine Dynastie zu begründen, besser einordnen. Maike Hohn, Kuratorin der Sammlung Barock im Belvedere, macht in einem anderen Aufsatz die bis heute herausragende Stellung des Königs verständlich, war doch der Sieg von Wien der letzte große Erfolg der polnisch-litauischen Union vor den Teilungen Ende des 18. Jahrhunderts. Jan III. tritt somit als "letzter Held" und Repräsentant verlorener Größe und Einheit in Erscheinung – nach der erneuten Unabhängigkeit 1918 half seine historische Figur, wieder eine polnische Identität zu stiften.

Brief mit zahlreichen Empfängern

Im Weiteren widmet sich der Katalog verschiedenen Aspekten von Sobieskis Persönlichkeit und des Siegs von Wien. In gut verdaulichen Häppchen bringen die Autoren ihre Themen den Lesern näher, erklärt an und untermalt mit ausgewählten Objekten. Unter "Sobieski privat" erfahren wir etwa, dass der König ein Familienmensch war und für seine Zeit höchst moderne Erziehungsmethoden praktizierte. Seine Tochter nannte er liebevoll "Püppchen", und seiner Frau empfahl er pragmatisch, sie möge den Brief, in dem er ihr von seinem Sieg bei Wien berichtete, der Einfachheit halber gleich unverändert im ganzen Land veröffentlichen – komplett mit zärtlicher Anrede. Neben Porträtbildern seiner Angehörigen gibt es auch eines vom König selbst zu bewundern, das ihn ungewöhnlich privat zeigt.

Wien sollte der letzte große Sieg Jans III. bleiben. Die wachsende innerpolnische Opposition vereitelte weitere Erfolge, und es gelang Sobieski nicht, das herrschende Wahlkönigtum durch eine neue Dynastie zu ersetzen. Den Frieden mit dem Osmanischen Reich erlebte er nicht mehr. Nach seinem Tod entflammte der Kampf um den polnischen Thron; Sobieskis Sohn Jakub, den er als Nachfolger vorgesehen hatte, brachte es nie zu einer bedeutenden politischen Karriere.

Das Andenken Jans III. ist daher durchwachsen. Auf der einen Seite erhielt er imposante Ehrenmale und wurde als Verteidiger der Christenheit gefeiert; auf der anderen kritisierte man seine Politik und schätzte seinen Anteil an der Befreiung Wiens über die Jahrhunderte hinweg mal größer und mal geringer ein. Die politischen Akteure, die nach seinem Tod an seinem Bild rüttelten oder es für sich zu vereinnahmen suchten, stellt Johannes Feichtinger von der Universität Wien im Überblick dar.

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