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Bis der Westen zum Osten wird

Die erste geschichtlich belegte Erdumsegelung wäre fast gescheitert.

Die »Vitoria« machte einen ziemlich abgewrackten Eindruck, als sie Anfang September 1522 in den Hafen von Sevilla einlief. Nur ständiges Pumpen konnte das Schiff vorm Untergang bewahren. Jämmerlich war auch der Zustand ihrer Mannschaft. Nur 18 Mann hielten an Bord die Stellung, von Krankheit, Hunger und Hitze gezeichnet – kein Wunder, denn sie waren jahrelang unterwegs gewesen und hatten als mutmaßlich erste Menschen einmal komplett die Erde umrundet. Anfangs fünf Schiffe und fast 250 Männer stark, war die Expedition am 10. August 1519 Richtung Westen in See gestochen, um nun drei Jahre später aus dem Osten zurückzukehren und damit die erste Weltumsegelung der Geschichte abzuschließen. Nicht unter den Rückkehrern war ausgerechnet der Kommandant der Expedition und jener Mann, dessen Name noch heute für seefahrerische Höchstleistung steht: Generalkapitän Fernão de Magalhães, besser bekannt als Ferdinand Magellan. Er war 1521 während eines Gefechts auf den Philippinen ums Leben gekommen.

Nicht einmal das Geburtsdatum ist bekannt

Magellan war eine der treibenden Kräfte hinter der Unternehmung gewesen, wie Christian Jostmann in diesem Buch sehr anschaulich darlegt. Denn es gelingt dem Historiker und Journalisten nicht nur, Magellans berühmte Weltumsegelung einzufangen, sondern insbesondere im ersten Teil des Buches deren Vorgeschichte detailliert und spannend in Szene zu setzen. Jostmann hat dabei in aufwändiger Recherche die wenigen Puzzleteile über das Leben des »berühmtesten Portugiesen vor Cristiano Ronaldo« zu einem stimmigen Bild zusammengefügt. Was nicht eben einfach ist: Während die Medien die Karriere des Fußballstars nahezu vollständig ausleuchten, kennt man von Magellan nicht einmal das Geburtsdatum.

Eines haben Sportler und Seefahrer aber gemeinsam: Beide wechselten für den Höhepunkt ihrer Karriere zu den Königlichen nach Spanien. Als »Fidalgo«, also als junger Angehöriger des niederen Adels, hatte Magellan zwar einige Fahrten unter portugiesischer Flagge nach Indien und Malakka (eine damalige Metropole im heutigen Malaysia) unternommen, war an Schlachten – etwa der Eroberung Mombasas – beteiligt und leistete Kriegsdienst in Nordafrika. Doch anscheinend blieben ihm weitere Fahrten in die Reichtum versprechenden Gewürzländer des Ostens verwehrt, so dass er sich nach anderen Möglichkeiten umschaute. Gemeinsam mit dem Kaufmann Cristóbal de Haro plante er, eine Flotte zu den Molukken zu schicken, eine indonesische Inselgruppe und damals der einzige Gewürznelken-Exporteur. Für diese Expedition gewannen die beiden schließlich die kastilische Krone, genau genommen den gerade erst gekrönten König Karl V., als Investor. Es wundert nicht, dass die Portugiesen diese Initiative ihres Landsmanns als Hochverrat betrachteten.

Jostmann zeichnet ein lebendiges Bild der Zeit, indem er sich vor allem auf offizielle Dokumente stützt, die Informationen über Verhandlungen und persönlichen Verbindungen liefern. Die damaligen Seefahrtunternehmungen waren höchst politische Angelegenheiten: Portugal und Spanien konkurrierten um nichts Geringeres als die Weltherrschaft. Zwar hatten die beiden Seefahrernationen den Erdball mit dem Vertrag von Tordesillas 1494 unter sich aufgeteilt: Portugal erhielt alles, was sich östlich einer Linie 1770 Kilometer westlich der Kapverdischen Inseln befand, Spanien alles westlich davon. Doch immer wieder entbrannten Konflikte darüber, wo die entsprechende Grenze auf der anderen Seite des Erdballs verlief. Spanien erhob daher Anspruch auf die Molukken. Um eine Route dorthin durch eigenes Territorium zu finden, mussten die Spanier den Weg nach Westen besser erkunden und zudem eine Wasserstraße finden, die den Atlantik und den Pazifik durch Amerika hindurch verband. Die Ausmaße dieses Kontinents konnten die damaligen Zeitgenossen kaum abschätzen.

Auch auf Hoher See hörte die Politik nicht auf. Zwar hatte der Generalkapitän um sich herum einen loyalen Trupp aus Verwandten, Bekannten und Landsleuten geschart, doch andere Führungskräfte begehrten unterwegs gegen ihn auf – sicher auch, weil Magellan nicht unbedingt ein Freund von Transparenz und Kommunikation war. Es entwickelte sich ein Seefahrtabenteuer mit so ziemlich jeder Dramatik: eine blutig niedergeschlagene Meuterei, ein abtrünniges Schiff, Stürme, Skorbut und Konflikte mit Indigenen, etwa auf dem Gebiet des heutigen Brasilien. Jostmann beschreibt das im ebenso spannenden zweiten Teil des Buchs, stellt dabei klar heraus, was Mythos und was belegtes Geschehen ist, und ergänzt seinen weitgehend chronologisch ausgebauten Bericht mit wertvollen Informationen zur Schifffahrt dieser Zeit. Im Inneren des Einbands unterstützen den Leser eine Weltkarte mit der nachgezeichneten Route Magellans sowie eine Grafik, die den Aufbau eines Segelschiffs des 16. Jahrhunderts erklärt.

Die Entdeckung der nach Magellan benannten Meeresstraße nördlich von Feuerland, die seine Schiffe an kargen Bergen vorbei in den Pazifik führte, markierte erst die Halbzeit jener berühmten Weltumsegelung, die so nie geplant war. Nach einer langen, buchstäblichen Durststrecke erreichte die dezimierte Mannschaft schließlich Anfang November 1521 auf zwei Schiffen die Molukken. Magellan war da längst tot. Fast ein Jahr später kehrte allein die »Vitoria« nach Spanien zurück – kaum noch fahrtüchtig, aber mit dem Bauch voller Gewürznelken.

Ebenso erfüllt, aber weit weniger erschöpft lässt das Buch auch die Leser zurück. Jostmann verflicht gekonnt die historischen Quellen zu einer spannenden Erzählung, ohne Überlieferungslücken mit Spekulationen zu füllen und somit den Sachbuchcharakter aufzuweichen. Man merkt, dass der Autor in dem Genre zuhause ist, hat er sich doch bereits in früheren Büchern auf historische Reisen begeben – etwa auf die Spuren Amundsens und Scotts, oder auf alte Pilgerpfaden nach Rom. Seinen Magellan-Bericht bereichert er mit geografischen, sozialen und wirtschaftlichen Exkursen, verliert aber nie das Thema aus den Augen. Zwar wendet sich der Band eher an interessierte Laien, wie die wenigen, eher überflüssigen Fußnoten nahelegen, doch dürfte er auch für Experten einen gelungenen Überblick bieten. Ein hilfreiches Personenverzeichnis sowie eine umfangreiche Bibliografie haben es leider nicht ins Buch geschafft, sondern sind lediglich auf der Webseite des Autors abrufbar.

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