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Auf dem falschen Gleis?

Konrad Kleinknecht, experimenteller Physiker und ehemaliger Klimabeauftragter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, macht im ersten Teil seines Buches eine detaillierte Bestandsanalyse der fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle. Wie lange reichen die bekannten Reserven? Und welches sind Ressourcen, deren Abbau sich derzeit wirtschaftlich nicht lohnt? Anschließend untersucht er die neuen Energien von Wasserkraft bis Photovoltaik auf ihre Effizienz und Zukunftsfähigkeit. Als ein Hauptproblem diagnostiziert er hierbei die noch immer unzureichenden Möglichkeiten, Strom aus Windkraft und Photovoltaik zu speichern.

Kleinknecht kritisiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Es belaste die Stromkunden mit derzeit 20 Milliarden Euro pro Jahr – Geld, das seiner Meinung nach besser für Hochschulen und die Verbesserung maroder Infrastruktur ausgegeben werden sollte. Zudem erreiche das EEG das selbstgesteckte Ziel nicht, eine Reduzierung der CO2-Emissionen zu bewirken. Insbesondere beanstandet er den Kernenergieausstieg in Deutschland: Wegen diesem entfalle eine gesicherte CO2-freie Versorgungsleistung, die hauptsächlich durch emissionsintensive Leistungen von Braunkohlekraftwerken ersetzt werde. Ein solches Gesetz müsse grundlegend reformiert oder abgeschafft werden.

Dauerthema Kohlendioxid

Auch dem Zusammenhang zwischen anthropogenen CO2-Emissionen und Erwärmung der Erdoberfläche widmet sich der Autor. Er stellt einige Klimamodelle und -prognosen infrage und bringt insbesondere das Argument, in den vergangenen 17 Jahren habe sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stark erhöht, ohne dass die mittlere Oberflächentemperatur der Erde gestiegen sei. Damit spielt er auf die "Erwärmungspause" an, die These, dass die globale Erwärmung aufgehört habe – je nach Studie seit einem Zeitpunkt zwischen 1993 und 2003. Diese These war allerdings von Anfang an umstritten und stößt bei Klimaforschern auf Ablehnung. Viele einschlägige Fachartikel, die das Wort "Pause" verwendeten, meinten damit nicht die Abwesenheit von Erwärmung, sondern eine Diskrepanz zwischen Klimamodell-Prognosen und Beobachtungen. So oder so kommt Kleinknecht zu dem Ergebnis, die Klimamodellrechnungen seien zu ungenau, um daraus schon jetzt politische Konsequenzen ableiten zu können. Eine Einschätzung, die im Hinblick auf das gerade beschlossene Weltklimaabkommen verwunderlich anmutet.

Kleinknecht polemisiert mitunter gegen Politiker, die seiner Meinung nach ignorant sind, ebenso wie gegen eine "grüne Lobby" und eine unwissende Öffentlichkeit. Dabei beklagt er beispielsweise, dass einige Länder und Regionen das Fracking verboten haben – ohne hinreichende fachliche Grundlage, wie er meint.

Am Schluss versucht Kleinknecht, "Wege aus der Sackgasse" zu finden. Einer davon sei der Ausbau des europäischen Verbundnetzes und damit die Möglichkeit, Leistungsspitzen wie das Überangebot regenerativer Leistung an hellen, windigen Tagen abzufedern, indem man sie im Netz verteilt – einschließlich aller daran angeschlossenen Speicher. Unterm Strich ein Buch, das zwar mit interessanten Analysen aufwartet, diese aber in einen Kontext stellt, der speziell in der Diskussion um die Klimaerwärmung ein wenig seltsam wirkt.

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