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Zwischen Krieg und Karitas

Wer heute das achtspitzige weiße Kreuz auf rotem Grund erblickt, verbindet damit aktiv gelebte Nächstenliebe. In Deutschland wirken unter diesem Zeichen die Johanniter Unfall-Hilfe und der Malteser Hilfsdienst, aber auch die Mutterorganisationen Johanniter und Malteser. Vielen ist nicht bewusst, dass beide Gemeinschaften denselben Ursprung haben und die Johanniter heute den protestantischen, die Malteser den katholischen Zweig repräsentieren. Noch weniger dürften wissen, dass die karitativ tätigen Organisationen einmal mächtige Kriegerorden waren, deren Mitglieder das Schwert für Kirche und Glauben schwangen.

Diese eigentümliche Ambivalenz von Kriegsdienst und Krankenfürsorge hat der englische Mediävist Anthony Luttrell einmal zugespitzt, aber treffend als eine Art "Verbindung zwischen Nato und Rotem Kreuz" bezeichnet. Karin Schneider-Ferber arbeitet sie in diesem lehrreichen und spannenden Buch noch einmal deutlich heraus. Die Journalistin erzählt – von den Anfängen bis in die Gegenwart – sehr anschaulich die Geschichte der Ritter vom "Hospital des hl. Johannes zu Jerusalem", wie der Johanniterorden offiziell hieß. Mit großer Quellenkenntnis zeichnet sie die Strukturen des geistlichen Ritterordens nach, beleuchtet dessen Selbstverständnis und stellt sein historisches Wirken zwischen Kämpfen und Karitas gebührend heraus.

Schlagkräftige Mönchsritter

Hervorgegangen aus einer Bruderschaft, die seit dem späten 11. Jahrhundert sowohl Pilger als auch Kranke in einem Hospital versorgte, übernahmen die Johanniter während der Kreuzzüge ab 1099 zunehmend militärische Aufgaben. Sie schützten Pilger, unterhielten wichtige Burgen in den Kreuzfahrerstaaten und nahmen bald auch als "Soldaten des Herrn" aktiv am Kampf um das Heilige Land teil. Streng organisiert wie ein Mönchsorden und zugleich unbarmherzig hart auf dem Schlachtfeld, stiegen die Johanniter zu einem der bedeutendsten geistlichen Ritterorden des Mittelalters auf – neben den Templern und dem Deutschen Orden.

Nach dem Verlust der letzten christlichen Festung im Heiligen Land (1291) gelang es den Ordensrittern, sich mit der Eroberung von Rhodos einen neuen Stützpunkt zu erschließen. Fortan verlegten sie sich darauf, als Seeräuber gegen Muslime zu kämpfen. Zwischen "Korsarenschiff und Spitalsaal" (Schreiber-Ferber) tanzten sie, nur einen Steinwurf vom Osmanischen Reich entfernt, ständig am Rand des Abgrunds. Ihr Wirken fand 1522 ein jähes Ende, als die Osmanen unter Sultan Süleyman die Insel eroberten.

Mit Hilfe Kaisers Karl V., der sich die Verteidigung des christlichen Abendlands gegen die Muslime auf die Fahnen geschrieben hatte, erhielten die Johanniter auf Malta eine neue Heimat. Dort versuchten sie den alten Ordensidealen neues Leben einzuhauchen. Es begann die neuzeitliche Epoche des Ordens, der kaum, dass er sein neues Zuhause bezogen hatte, in die Wirren der Reformation geriet – was zur Spaltung in einen katholischen und einen protestantischen Zweig führte. Ihre schwerste Probe bestanden die Ritter im Jahr 1565, als sie – gemeinsam mit maltesischen Milizionären und spanischen Söldnern – ein weit überlegenes osmanisches Invasionsheer abwehrten, das Malta belagerte. Die Kämpfe zogen sich monatelang hin und kosteten Zehntausende das Leben. Hätten die Verteidiger damals nicht standgehalten, die Geschichte Europas wäre mit Sicherheit deutlich anders verlaufen. Erst Napoleon Bonaparte beendete 1798 die Herrschaft des Ordens auf Malta.

Den Sattel gegen die Schiffsplanken getauscht

Aus dem Heiligen Land nach Rhodos und weiter nach Malta: Die Johanniter waren stets aufs Neue "Ritter im Exil". Als Kreuzritter, Korsaren und Krankenpfleger gelang es ihnen, in einer sich wandelnden Welt immer wieder Fuß zu fassen und Reputation zu erlangen. Heute sind sie in der Moderne angekommen, doch ihre mehr als 900 Jahre währende Ordensgeschichte lässt sich nicht ohne Rückblick auf das Mittelalter verstehen.

Dem wird die Autorin hinreichend gerecht. Es gelingt ihr, die Entwicklung von der Hospitalbruderschaft über den kämpfenden Ritterorden bis hin zu seinem derzeitigen karitativen Wirken klar herauszuarbeiten und übersichtlich darzustellen.

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