»Unser neues Auge im All«: Aus den Tiefen des Weltraums
Zwar kann man von überall auf der Erde aus in den Himmel schauen, doch selbst mit den besten Teleskopen bleibt dieser Blick limitiert. Sogar Messgeräte im Erdorbit stoßen bezüglich ihrer Reichweite an Grenzen – sie befinden sich immer noch zu nah an der Erde. Einen genaueren Blick in die Tiefen des Weltalls ermöglicht seit Dezember 2021 das James-Webb-Weltraumteleskop. Dieser neue Himmelsbeobachter kreist nicht wie frühere Teleskope im Erdorbit, seine Umlaufbahn ist vielmehr 1,5 Millionen Kilometer weit von der Erde entfernt. Sonne und Erde befinden sich zudem stets in seinem Rücken, und aufgrund seiner besonderen Ausstattung – das Teleskop verfügt über einen Isolationsschutz – werden die Messungen auch nicht mehr durch Wärmestrahlung beeinflusst.
Auch wenn im Internet schon einige der »Webb«-Aufnahmen zu finden sind: Der vorliegende Bildband präsentiert die Fotos des neuen Weltraumteleskops in gebührend hochwertiger Aufmachung; schließlich ermöglicht »Webb« die Abbildung von Galaxien, Planeten und Sternenstaub in bislang unerreichter Auflösung. Till Mundzeck ergänzt die Abbildungen mit fundierten Erklärungen und beantwortet dabei die »klassischen« Fragen zum Weltraum. Wie ist das Universum entstanden? Wie formen sich Galaxien? Wie werden Sterne geboren? Wie bilden sich Sonnensysteme? Gibt es andere Lebensformen? – Zudem enthält das Buch einen kurzen bebilderten Abriss zur Geschichte der wichtigsten und bisherigen Weltraumteleskope: von Uhuru über Hubble bis Gaia. Der Autor war als Physiker mit dem Schwerpunkt Astronomie und Kosmologie tätig und hat zudem als Wissenschaftsredakteur beim Forschungszentrum DESY in Hamburg gearbeitet. Kurz vor Erscheinen des Buches ist er unerwartet verstorben.
Ein Gewimmel von Galaxien
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist in jeder Hinsicht herausragend. Mit 10 Milliarden US-Dollar ist es nicht nur das teuerste und größte »Auge« im All, es kann auch am tiefsten und genauesten ins Universum hineinblicken. Möglich wird dies durch seine Spezialisierung auf einen bestimmten Wellenlängenbereich. Ebenso herausragend ist die visuelle Qualität des Bildbands mit den oft doppelseitigen Fotos. Das hochwertige Papier und die gestochen scharfen Bilder laden zum Blättern und Staunen ein. Ergänzt werden die Fotos durch künstlerische Darstellungen, die zeigen, wie es auf der Oberfläche fremder Planeten aussehen könnte. So gibt es beispielsweise eine künstlich nachbearbeitete Darstellung der Planetenoberfläche von »Proxima b«, eines Planeten des Sterns Proxima Centauri, unseres nächsten Nachbarsterns in der Milchstraße. Denn »Webb« trägt auch dazu bei, dass wir uns ein Bild von der Atmosphäre auf der Oberfläche weit entfernter Planeten machen können.
Der Bildband versammelt nicht nur Fotos aus dem All, einige der Aufnahmen sind auch auf der Erde entstanden. Sie zeigen, wie das James-Webb-Weltraumteleskop nach und nach zusammengebaut wurde. Die dazugehörigen Texte vermitteln weitere wichtige Informationen zum Teleskop. So erfährt der Leser, dass es vom roten, gerade noch sichtbaren Bereich bis in den mittleren, infraroten Wellenlängenbereich misst; oder auch, dass es kalt sein und störende Wärme näherer Objekte von ihm abgehalten werden muss, damit es die schwache Wärmestrahlung sehr ferner Himmelskörper auch unterscheidbar messen kann.
Trotz seiner mächtigen Bilder entfacht das Buch allerdings kein richtiges Feuer der Begeisterung für die fernen Welten. Mundzeck schreibt zwar verständlich und gibt einen guten Einblick in die astrophysikalischen und kosmologischen Aspekte des Themas, aber auf der Textebene ist das Buch eine eher nüchterne Lektüre. Der Autor erklärt dabei vieles zu sehr im Detail, etwa die Spektren der Wellenlängen. Doch manchmal formuliert er auch zu knapp, so dass sich beispielsweise nicht erschließt, warum das Teleskop mit einer hochreflektierenden Goldschicht überzogen wurde. Hier muss man erst selbst recherchieren, um zu erfahren, dass sie notwendig ist, um die einfallende Infrarotstrahlung auf den Sekundärsensor zu fokussieren.
Und so richtig wird auch nicht klar, an wen sich das Buch richtet. Für Astronomie-Einsteiger enthält es zu viel Fachsprache, für Experten ist es oft zu einfach geschrieben. Und wer nur die Bilder bewundern will, den könnten die zwar spektakulären, aber doch oft recht ähnlichen und damit redundanten Aufnahmen der vielen Galaxien irgendwann ermüden. Aber man kann es auch anders betrachten: Irgendwie ist in diesem Buch für alle etwas dabei.
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