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Lebendige Psychologiegeschichte

"Von allen Wissenschaften ist die Psychologie vielleicht die geheimnisvollste und am häufigsten missverstandene" – das Statement des sechsköpfigen Autorenteams verdeutlicht die Intention hinter diesem Buch: Es soll mit "verschwommenen Vorstellungen" über die Disziplin aufräumen und den Lesern spannend und verständlich die bedeutendsten psychologischen Theorien und Konzepte näherbringen. Das ist gelungen.

Das Sachbuch punktet durch seine Übersichtlichkeit. Es ist gut geschrieben, durchdacht gegliedert und enthält viele logische Querverweise. Sieben Kapitel führen den Leser von den philosophischen Anfängen der Psychologie über den Behaviorismus, die Psychotherapie und kognitive Ansätze hin zur Sozial-, Entwicklungs und Persönlichkeitspsychologie. Erkenntnisse aus anderen Bereichen wie der Arbeits- oder der Neuropsychologie fehlen jedoch.

Die zahlreichen Skizzen und Grafiken lassen auf über 300 Seiten die Geschichte des Fachs lebendig werden. Und der Leser lernt dabei viel: über Galens Vier-Säfte- Lehre, Skinners Verstärkungstheorie, das Milgram-Experiment, Bowlbys Bindungstheorie oder Eysencks Persönlichkeitsmodell. Dabei schaffen es die Autoren, eine spannende Mischung von Erkenntnissen präzise auf den Punkt zu bringen. Prägnante Zitate verdeutlichen die Ansichten der jeweiligen Wissenschaftler – etwa im Fall von Elizabeth Loftus, die mit ihrer Forschung zu fehlerhaften Zeugenaussagen die Gedächtnispsychologie revolutionierte: "Die menschliche Erinnerung arbeitet nicht wie ein Videogerät oder eine Filmkamera. Selbst wenn wir von etwas zutiefst überzeugt sind, ist es nicht zwingend auch wahr."

Fast jede Doppelseite widmet sich einer wichtigen Persönlichkeit, die die Psychologie mit ihren Theorien und Ideen vorangebracht hat. Besonders einflussreiche Erkenntnisse wie Banduras Modelllernen, Freuds Psychoanalyse oder die vier Stadien der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget füllen aber durchaus mehrere Seiten.

Die letzten Jahre fehlen

Jede Theorie wird in den Kontext der damaligen Forschung eingeordnet und grafisch veranschaulicht. Oftmals stellen die Autoren auch den Lebenslauf des Wissenschaftlers kurz dar. So kann der Leser nachvollziehen, vor welchem Hintergrund die Forscher ihre Ideen entwickelten. Beispielweise lässt sich John B. Watsons Ansicht, ein Kind gleiche einer Tabula rasa und sei unabhängig von seinem Naturell zu allem erziehbar, leichter verstehen, wenn man die unglückliche Kindheit des Forschers kennt.

Das größte Manko des Buchs: Die Erklärung wichtiger Theorien und ihrer Verfasser endet abrupt Mitte der 1990er Jahre. Neuere Theorien oder aktuelle Forschungsthemen sucht man vergeblich. Über fast 20 Jahre intensiver Forschung klafft eine Lücke. Das erweckt den falschen Anschein, es habe sich in der Psychologie seither wenig getan.

Durch den Mangel an aktuellen Erkenntnissen wird aus dem Werk mit dem anspruchsvollen Titel "Das Psychologie- Buch" eine gelungene Abhandlung über die Geschichte der Psychologie. Für interessierte Laien, aber auch als Nachschlagewerk für Studenten und Schüler ist es empfehlenswert.

Das Ziel, den psychologischen Horizont der Leser auf unterhaltsame Art und Weise zu erweitern, erfüllt das Buch allemal  – nur der Mut, auch aktuelle Forschung mitaufzunehmen, fehlte den sechs Autoren.

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  • Quellen
Gehirn und Geist 5/2013

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