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Nichts Neues

Verspricht ein Buch im Untertitel "Neues", darf der Leser auch "Neues" erwarten. Der dtv-Verlag legte nun die Originalausgabe eines Buchs über den Mond vor, in dem man "Neues" aber vergeblich sucht.

Im ersten Kapitel erfährt der Leser, die beiden größten erdgebundenen Teleskope seien der Fünf-Meter-Spiegel auf dem Mount Palomar und der Sechs-Meter- Spiegel im Kaukasus. Diese altertümliche Aussage findet sich übrigens fast wörtlich auf einer nicht mehr aktualisierten Internetseite: www.manfredholl.de/schwindl. htm. Hier ignoriert eine astronomische Neuerscheinung die Entwicklungen mehrerer Jahrzehnte, die in summa das goldene Zeitalter der Astronomie ausmachen, in dem wir uns derzeit befinden.

Naturwissenschaftliche Fakten werden zumeist oberflächlich angerissen. Eher stehen Nebensächlichkeiten im Vordergrund, die mit dem Mond selbst nichts zu tun haben. Es ist keine Systematik erkennbar, wenn Inhalte an verschiedenen Stellen aufgegriffen werden, ohne sie zu vertiefen. So hakt Röthlein auch die einzelnen Mondmissionen der NASA und ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse nur peripher ab. Zur geologisch interessanten Apollo-15-Mission zur Hadley- Rille beispielsweise fehlen wesentliche Ergebnisse, hingegen berichtet Röthlein so Banales wie: "Die Astronauten fotografierten".

Auf 28 Seiten legt die Autorin hingegen dar, was eher eine Frauenzeitschrift ziert: Das Leben der Mondastronauten nach ihren Mondfahrten und wer wie oft verheiratet beziehungsweise geschieden war. Wikipedia ist übrigens keine akzeptable Quelle für ein wissenschaftsjournalistisches Buch; mehrfach finden sich Übereinstimmungen zwischen Sätzen aus Wikipedia-Einträgen und Textpassagen bei Röthlein.

Die "neuesten Erkenntnisse", von denen im Rückentext die Rede ist, füllen drei Kapitel und beschränken sich auf angebliche Einflüsse des Mondes auf Mensch, Fauna und Flora. Man kann diese mit der Bauernregel zusammenfassen: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder’s bleibt, wie’s ist." Auch Röthlein teilt diese Erkenntnis. Warum sie diesen zerplatzten Seifenblasen aber ein Drittel ihres Buchs opfert, bleibt rätselhaft.

Zwar enthält das Buch keine Tabellen oder Diagramme, hingegen aber einige Bilder, die meist ohne Erkenntniswert bleiben. Die Nachlässigkeit des dtv-Lektorats zeigt sich in nuce in Bildunterschriften, wenn zum Beispiel Apollo 16 auf das Jahr 1994 datiert wird. Ein Foto zeigt gar Neil Armstrong beim Ausstieg aus dem "Adler". Die Bildlegende übergeht großzügig die seit nunmehr 40 Jahren geführten Diskussionen, weshalb Edwin "Buzz" Aldrin seinen Kollegen während der ersten bemannten Mondlandung nur selten fotografierte.

Verlag und Autorin betreiben mit dem Titel des Buchs Etikettenschwindel, da es nicht für naturwissenschaftlich orientierte Zeitgenossen geschrieben ist, sondern für Leute mit einem Mondkalender an der Wand. Diese schlecht redigierte und oberflächliche Publikation ist den Preis von 16,90 Euro nicht wert und bleibt hoffentlich nur ein ärgerlicher Ausrutscher des dtv-Verlags.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 08/2009

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