Wider Zahl und Formel
Und was hat das mit mir zu tun? Das
fragt sich so mancher Schüler im
Matheunterricht. Der Psychologe André
Frank Zimpel, der selbst Mathematik an
einer Sonderschule unterrichtete, wertet
dieses Unbehagen an der Zahl als Ausdruck
eines tiefer liegenden Problems.
Allzu oft hätten die Formeln an der Tafel
nicht nur gar nichts mit unserem Alltag
zu tun; die Mathematik zwinge uns zudem
in ein Zahlenkorsett, schere uns über
den Kamm der Statistik und missachte
den Einzelfall, um unzulässig zu verallgemeinern.
Das Grundproblem liegt laut Zimpel im Prinzip der Abstraktion: Wer abstrahiert, entfernt sich vom Menschen und verfehlt eine sinnvolle Beschreibung komplexer Phänomene wie etwa Emotionen oder menschengerechte Problemlösungen. Der Psychologe plädiert deshalb für eine "Humanmathematik". Sie soll die Faustformeln stärken, mit denen wir im Alltag rechnen, und die Forscher aus den Klauen der Beschreibungsformalismen befreien. Zimpel fordert, den technikgläubigen Zeitgeist in Frage zu stellen. Mittels der Mathematik lasse sich auch Subjektives wie Emotionen und Bewusstsein beschreiben – und auf diese Weise werde aus der Wissenschaft der Axiome und Beweise eine Mathematik der "Sensibilisierung für Entwicklungsmöglichkeiten ".
Diese Neudefinition wird manchen Leser überraschen oder sogar befremden, dienen Zahlen und Formeln doch dazu, Sachverhalte so zu beschreiben, dass sich aus ihnen Schlussfolgerungen oder Vorhersagen ableiten lassen – etwa in der Statistik oder der Linguistik, die sprachliche Phänomene mit formalen Mitteln beschreibt. Vielen Sprachliebhabern missfällt das aber, weil sie sich dagegen sträuben, an geisteswissenschaftliche Inhalte mit naturwissenschaftlichen Methoden heranzutreten.
Psychologe Zimpel will das Beschreibungsinstrumentarium der Mathematik deshalb offenbar gleich ganz abschaffen – jedenfalls in der Form, wie wir es kennen. Denn eigentlich lehnt er nicht das Hantieren mit Zahlen und Formeln ab, sondern die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeitsweise: Abstraktion und Verallgemeinerung bedeuten für ihn, lebende in tote Materie zu verwandeln. Doch diese grundsätzliche Abneigung begünstigt ein anderes Extrem: zusammenhangloses Beschreiben von Einzelfällen, ohne damit zu einem verwertbaren Ergebnis zu kommen.
Entsprechend unpräzise argumentiert Zimpel selbst. So fragt er zum Beispiel, warum Säuglingshirne nicht an Vogelhirne heranreichen, was das Erfassen von Zahlen betrifft, obwohl die reine Rechenkapazität des größeren Babyhirns dies leicht ermöglichen sollte. Folglich, so das merkwürdige Argument, seien wir doch nicht solch mathematische Wesen, wie uns die Ingenieurwissenschaften vorgaukeln wollten. Was er genau unter dem "Erfassen von Zahlen" versteht und welche Vögel das überhaupt können, führt der Autor allerdings nicht aus. Überdies ist die Metapher vom Gehirn als Rechner heute längst veraltet.
Vielleicht hat die Mathematik Forscher dazu verleitet, sich mehr mit dem Messund Berechenbaren zu befassen als mit dem, was den Menschen wirklich ausmacht. Um ihn so präzise wie möglich zu beschreiben, brauchen wir die Mathematik (so, wie wir sie kennen) aber unbedingt.
Das Grundproblem liegt laut Zimpel im Prinzip der Abstraktion: Wer abstrahiert, entfernt sich vom Menschen und verfehlt eine sinnvolle Beschreibung komplexer Phänomene wie etwa Emotionen oder menschengerechte Problemlösungen. Der Psychologe plädiert deshalb für eine "Humanmathematik". Sie soll die Faustformeln stärken, mit denen wir im Alltag rechnen, und die Forscher aus den Klauen der Beschreibungsformalismen befreien. Zimpel fordert, den technikgläubigen Zeitgeist in Frage zu stellen. Mittels der Mathematik lasse sich auch Subjektives wie Emotionen und Bewusstsein beschreiben – und auf diese Weise werde aus der Wissenschaft der Axiome und Beweise eine Mathematik der "Sensibilisierung für Entwicklungsmöglichkeiten ".
Diese Neudefinition wird manchen Leser überraschen oder sogar befremden, dienen Zahlen und Formeln doch dazu, Sachverhalte so zu beschreiben, dass sich aus ihnen Schlussfolgerungen oder Vorhersagen ableiten lassen – etwa in der Statistik oder der Linguistik, die sprachliche Phänomene mit formalen Mitteln beschreibt. Vielen Sprachliebhabern missfällt das aber, weil sie sich dagegen sträuben, an geisteswissenschaftliche Inhalte mit naturwissenschaftlichen Methoden heranzutreten.
Psychologe Zimpel will das Beschreibungsinstrumentarium der Mathematik deshalb offenbar gleich ganz abschaffen – jedenfalls in der Form, wie wir es kennen. Denn eigentlich lehnt er nicht das Hantieren mit Zahlen und Formeln ab, sondern die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeitsweise: Abstraktion und Verallgemeinerung bedeuten für ihn, lebende in tote Materie zu verwandeln. Doch diese grundsätzliche Abneigung begünstigt ein anderes Extrem: zusammenhangloses Beschreiben von Einzelfällen, ohne damit zu einem verwertbaren Ergebnis zu kommen.
Entsprechend unpräzise argumentiert Zimpel selbst. So fragt er zum Beispiel, warum Säuglingshirne nicht an Vogelhirne heranreichen, was das Erfassen von Zahlen betrifft, obwohl die reine Rechenkapazität des größeren Babyhirns dies leicht ermöglichen sollte. Folglich, so das merkwürdige Argument, seien wir doch nicht solch mathematische Wesen, wie uns die Ingenieurwissenschaften vorgaukeln wollten. Was er genau unter dem "Erfassen von Zahlen" versteht und welche Vögel das überhaupt können, führt der Autor allerdings nicht aus. Überdies ist die Metapher vom Gehirn als Rechner heute längst veraltet.
Vielleicht hat die Mathematik Forscher dazu verleitet, sich mehr mit dem Messund Berechenbaren zu befassen als mit dem, was den Menschen wirklich ausmacht. Um ihn so präzise wie möglich zu beschreiben, brauchen wir die Mathematik (so, wie wir sie kennen) aber unbedingt.
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