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Wenn der Rhein verstopft

Was würde eigentlich passieren, wenn in der Eifel ein Vulkan ausbräche und seine Lava den Rhein verstopft? Ulrich Schreiber, Geologie-Professor an der Universität Duisburg-Essen, dachte dieses Szenario zu Ende: Gewaltige Wassermassen stauen sich rasend schnell auf, und der gesamte Mittelrhein, das Lahn- und Moseltal müssen sofort evakuiert werden. In der Folge steigt das Wasser bis in den Oberrheingraben; Mainz und Frankfurt werden überflutet.

Mit diesem Plot konnte der Wissenschaftler den Lektor des Science-Fiction-Verlags Shayol, Ronald Hoppe, auf Anhieb überzeugen: "In Händen hielt ich einen der Glücksfälle, die man als Verleger wahrscheinlich nur einmal im Leben hat", schwärmt Hoppe in seinem Web-Blog. "Ein spannenden Science-Thriller – fundiert, kurzweilig und vor allem ohne kreischende Mädchen und selbstverliebte Militärs, dafür mit einem Krisenstab, der auf der einen Seite menschlich ist und auf der anderen Seite weiß, was er tut", schreibt Hoppe weiter.

Und tatsächlich ist die dem Roman zugrunde liegende Geologie real ebenso wie die Diskussionen um das Katastrophenszenario darum herum. Der Vulkanismus in der Eifel ist geologisch sehr jung; es gab während der letzten Million Jahre mehrere aktive Phasen, deren letzte etwa gegen Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12 000 Jahren auftrat – was geologisch betrachtet nur einen Augenblick her ist.

Das Buch ist der beherzte Versuch eines engagierten Geowissenschaftlers, seine Disziplin ins rechte Licht zu rücken. Leider geling Schreiber das nicht immer sehr elegant. So übernimmt die Ehefrau des Protagonisten Gerhard Böhm zu Beginn des Romans die Rolle der geologisch völlig Unwissenden und bietet dem Autor damit die Gelegenheit, mit ihrer Hilfe einige wichtige geowissenschaftliche Fachbegriffe einzuführen. Diese Unwissenheit passt aber nicht zu der wunderbar humorvollen Beziehung, welche die beiden mit 25 Jahren als Paar und drei erwachsener Kinder im Verlauf des Romans vorleben. Wer einander so nahe ist, weiß mehr über die Arbeit seines Partners. Die Dialoge flachen zudem gegen Ende des Buches ab, sind zu kurz und zu direkt, obwohl vielleicht nicht nur ich gerne mehr über diese liebevolle Beziehung erfahren hätte.

Die geologischen Erkenntnisse spielen in der Geschichte eine zentrale Rolle. Wer da wirklich jedes Detail verstehen will, hat einiges zu tun. Trotzdem ist die Handlung auch spannend, wenn man nicht alles auf einer Karte skizziert und nachvollzieht. Man erfährt zudem allerhand Wissenswertes über die Landschaft in der Eifel oder zum Beispiel, dass der Laacher See kein Maar (ein in früher Jugend bereits wieder erloschener unterirdischer Vulkan, der durch Explosionen einen Krater schuf), sondern eigentlich eine Caldera (kein Krater, sondern die eingesunkenen Reste der ehemaligen Magmakammer) ist.

Selbst komplexe Zusammenhänge bindet Schreiber spannend in die Handlung ein: Beispielsweise wird die Interpretation des Dünnschliffs von vulkanischem Material zum entscheidenden Moment bei den Überlegungen über den weiteren Verlauf des Vulkanausbruchs. Der Leser erfährt aber auch ganz banale Realitäten. So kann ein VW-Bus in Geo-Kreisen durchaus zu einem Heiligtum avancieren, denn ohne ihn kommt man mit den unhandlichen Gerätschaften nicht ins Gelände. Wenn er aber kaputt geht, kann er nicht repariert werden, denn dafür gibt es kein Geld. Ohne Geländearbeit gibt es aber auch keine geowissenschaftlichen Erkenntnisse, keine Argumente für Forschungsanträge und – eben auch kein Geld für einen neuen Bus.

Absolute Highlights sind neben den biologischen Ameisen-Extras, die er jedem Kapitel vorangestellt, die Episoden um Morpheus, den intelligenten Kater, der sogar speziell verriegelte Kühlschranktüren öffnen kann. Sie sind eine Wonne, und man wartet voller Vorfreude auf die nächste.

Diese gelungenen Details täuschen natürlich nicht darüber hinweg, dass der Roman das Erstlingswerk eines Geologie-Professors ist. Literarisch kommt er nicht an Bücher wie beispielsweise "Der Schwarm" von Frank Schätzing heran. Das hatte Ulrich Schreiber aber auch bestimmt nicht vor. Er wollte seine Disziplin in ein spannendes Gewand verpacken, mit dem er viele Menschen erreicht, an die er mit Vorlesungen oder wissenschaftlichen Publikationen niemals herankommen würde. Das ist ganz schön mutig, und es wird ihm mit diesem Buch auch gelingen.

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