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Familienbande

Håkan Bravinger erzählt die tragische Geschichte der Gebrüder Bjerre, zweier bedeutender schwedischer Seelenforscher, die zeitlebens keinen Weg zueinander fanden. Der Ältere, Poul (1876 – 1965), eitel und mit Hang zur Selbstüberschätzung, zugleich wechselhaft in seinen Launen, ist ein angesehener Nervenarzt und führt die Psychoanalyse in Schweden ein. Beruflich erfolgreich und mit dem kühlen Blick des Analytikers distanziert er sich von seinem jüngeren Bruder Andreas (1879 – 1925) – einem brillanten Kriminologen, der jedoch unter Depressionen, Minderwertigkeitsgefühlen und Schreibblockaden leidet.

1904 heiratet Andreas eine junge Aristokratin. Als wenig später bekannt wird, dass deren Mutter und Poul ein Verhältnis haben, spitzt sich der Konflikt zwischen den Brüdern zu. Obwohl jeder auf seine Weise mit den Irrungen und Wirrungen der Seele vertraut ist, endet die gemeinsame Geschichte unversöhnlich. 1925 nimmt sich Andreas das Leben.

Bravinger fungiert als Erzähler und Biograf, der unter anderem anhand von fiktiven Briefen und Tagebucheinträgen den persönlichen und beruflichen Werdegang der Brüder, ihre Ehen und amourösen Verhältnisse beschreibt. Er schildert, wie in den zunehmend erstarrenden Familienbeziehungen alle Regeln der Vernunft aussetzen – der bekannte Kommunikationsforscher Paul Watzlawick (1921 – 2007) beschrieb ein solches System einst als "Labyrinth von Spannungen, Streitereien und Versöhnungen, deren Logik widerspruchsvoll ist".

Über die schwedische Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts, in der die Protagonisten lebten, erfährt der Leser eher wenig. Außerdem hat sich der Autor die künstlerische Freiheit genommen, reale Ereignisse zu verschieben und einige Szenen und Charaktere frei zu erfinden. Doch seinem Sujet wird der Autor gerecht. Andreas Bjerre formuliert es in einem seiner Briefe so: "Wenn man einen Menschen beschreibt, deutet man ihn. Jede Biografie ist per se ein Roman."

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  • Quellen
Gehirn&Geist 3/2011

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