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Was macht eigentlich ...?

"Es gibt keinen Roman über eine Ehefrau! " Sasha Alexandrovich schreit. Es ist seine erste Sitzung in der Psychotherapie. Mit endlosen Worthülsen berichtet der Schriftsteller über seine Erfolge in der Damenwelt – und im Leben überhaupt. Schnell wird klar: Der Mann leidet unter einer anhaltenden Schreibblockade. Der Therapeut und Ich-Erzähler Robert Akeret diagnostiziert einen klaren Fall von Narzissmus. Kunst oder geistige Gesundheit – für Akeret stellt sich nun die Frage: Soll er Sasha eine Therapie vorschlagen, obwohl der Patient die Behandlung beständig ins Lächerliche zieht und nur an seiner Selbstdarstellung interessiert ist? Oder sind nicht Narzissmus und Einsamkeit einfach der Preis, den Künstler für ihre Kreativität zahlen müssen?

Der Analytiker entschließt sich abzuwarten, bis sein Klient bereit ist, an der Behandlung mitzuarbeiten. Jahre vergehen, bis er sich wieder auf die Suche nach Sasha macht und nach Paris reist. Akeret will wissen, was aus dem einstigen Lebemann geworden ist. Der Mensch, der ihm schließlich entgegentritt, ist tatsächlich ein gefeierter Dichter. Doch der Therapeut erkennt: Sasha ist nur mehr ein Schatten seiner selbst – medikamentensüchtig und depressiv.

Solche und andere Patientengeschichten hat der Psychoanalytiker für sein Buch "Eine Couch auf Reisen" aufgeschrieben. Ähnlich wie der berühmte Bestsellerautor Irvin D. Yalom schöpft der Amerikaner aus seinem reichen Erfahrungsschatz und webt einen belletristischen Erzählrahmen darum. Akeret, ein Schüler Erich Fromms, berichtet von seinen ersten Begegnungen mit Patienten, von Therapien und vom anschließenden Wiedersehen viele Jahre später.

Es sind skurrile Fälle zuweilen, wie der des jungen Mannes, der sich bis über beide Ohren in eine Eisbärin verliebt und sein Leben für diese Leidenschaft riskiert. Schizophrenie, sexuelle Störungen, Narzissmus, Depressionen – Akeret zeigt, wie man aus diesem Stoff spannende Geschichten strickt. Dabei gleitet er nicht ins Kitschige oder Klischeehafte ab. Vielmehr zählen zu seinen Überlegungen auch persönliche Zweifel und philosophische Betrachtungen, die ebenso spannend sind wie die Therapien selbst. Denn diese sind kein einseitiger Prozess, sondern beständige Interaktion – ein Geben und Nehmen, bei dem auch der Behandler viel über sich erfährt.

So gehen Akerets Geschichten nicht immer gut aus, und längst nicht jede Therapie führt zum gewünschten Erfolg. Zuweilen muss sich der Psychologe viele Jahre später sein eigenes Scheitern eingestehen. Ein fesselndes Buch, das man ungern aus der Hand legt, ein Roman für lange Winterabende auf dem Sofa. "Eine Couch auf Reisen" ist unbedingt empfehlenswert!

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  • Quellen
Gehirn und Geist 3/2006

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