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Am Scheideweg

Wir alle sind Astronauten – auf dem "Raumschiff Erde". Mit diesem Bild bringt die gleichnamige Filmreihe drei Dinge ins Bewusstsein: 1. Die Größe der Erde ist begrenzt. 2. Wichtige Vorgänge auf dem Planeten greifen ineinander und hängen voneinander ab. 3. Mit unseren gestalterischen Möglichkeiten tragen wir eine Mitverantwortung dafür. Die fünfteilige Dokumentation wurde im April 2016 auf Arte ausgestrahlt.

"Raumschiff Erde" beleuchtet die derzeitige Umwelt- und Klimaproblematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Letztlich dreht sich aber alles um den ungeheuren Energiebedarf moderner, industrialisierter Gesellschaften. Er wird noch zum größten Teil durch das Verfeuern fossiler Brennstoffe gedeckt. Mit bekannten Konsequenzen: Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration, globale Erwärmung, Auftauen des Permafrosts, Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg, Ozeanversauerung, Artensterben, Häufung von Wetterextremen, Flüchtlings- und Migrationsbewegungen und so weiter.

Ölsucht

Historisches und aktuelles Filmmaterial kombiniert die Dokumentation mit faszinierenden Satellitenaufnahmen und Computersimulationen globaler Kreisläufe. Mit diesem geschickt inszenierten Blick macht sie unter anderem greifbar, welche ökologischen Folgen unsere Sucht nach Öl hat. Zahlen und Fakten aus der Wissenschaft unterlegen das beeindruckende Bildmaterial.

Obwohl die schädlichen Auswirkungen der Konsumgesellschaft für Umwelt und Klima bekannt sind, steigt der Ölverbrauch weiter an. Mehr als 90 Millionen Barrel sind heute täglich nötig, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Das lässt die Ressourcen rasch schwinden. Doch eine vollständige Abkehr von fossilen Energieträgern würde gigantische Kosten verursachen, rechnet Amory Lovins vor, Physiker am Rocky Mountain Institut in Colorado (USA). Stattdessen setzen Regierungen und Unternehmen auf die Ausbeutung unkonventioneller fossiler Quellen, etwa im Rahmen des Frackings. Welche soziale Auswirkungen dies hat und wie ganze Landschaften gesprengt werden, um die letzten Kohlevorkommen zu fördern, zeigen eindrucksvolle Aufnahmen aus Dakota und West-Virginia.

Derweil scheuen Großkonzerne nicht, in kontrafaktischer Weise Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu streuen, wie unlängst aufgeflogen am renommierten Smithsonian Museum in Washington. Ein dort angestellter Wissenschaftler hatte seit Jahren aus dem Umfeld von Mineralölkonzernen und Energieunternehmen (etwa von ExxonMobil, Southern Company und von der Charles G. Koch Charitable Foundation) hohe Geldsummen bezogen, ohne diese den Standards entsprechend in seinen Publikationen offenzulegen. In seinen Studien hatte er versucht darzulegen, dass hauptsächlich die veränderliche Sonnenaktivität und nicht der Mensch den derzeitigen Klimawandel verursache.

Probleme der Wasserkraft

Die fesselnde Doku-Reihe alarmiert aber nicht nur, sondern präsentiert auch Lösungsansätze. Etwa in Island, wo die Menschen hauptsächlich Geothermie nutzen, oder in Brasilien, wo die Wasserkraft 70-80 Prozent des Energieverbrauchs deckt. Die Filme verschweigen aber auch nicht, dass Großvorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen, etwa die Anlage eines riesigen Stausees am brasilianischen Fluss Xingu, neue Probleme nach sich ziehen. Am Xingu wird ein ganzes Flusssystem samt der von ihm abhängigen Ökosysteme zerstört, was unter anderem den dort lebenden Fischern die Lebensgrundlage entzieht.

Europa, erfahren wir, habe sein Potenzial an regenerativer Energieversorgung noch nicht ausgereizt. Ebenso wie die USA verfüge es über große Mengen ungenutzter geothermischer Energie, erklärt Hildigunnur Thorsteinsson, Geschäftsführerin der Forschung- und Entwicklungsabteilung von Reykjavik Energy. Eine Mischung aus verschiedenen regenerativen Quellen, Mikronetz-Architekturen und dezentraler Stromversorgung, flankiert von besserer Wärmedämmung und einem Ausbau des Transportwesens, könne die Situation deutlich entspannen, ist Lovins überzeugt. David S. Wilson, Evolutionsbiologe an der Universität Binghamton (New York), unterstreicht die Notwendigkeit einer neuen gesellschaftlichen Moral, die Altruismus und nicht persönliche Gier belohnt. Atomenergie dagegen ist nach Meinung des Regisseurs keine Lösung, wie er anhand von Filmaufnahmen aus Fukushima klarmachen möchte.

Weichenstellung

Der Film vermittelt eine deutliche Botschaft: Sollte es nicht gelingen, für alle Menschen den Zugang zu günstiger und nachhaltiger Energie zu gewährleisten, und zugleich die Landwirtschaft hinreichend ergiebig und ökologisch verträglich zu gestalten, wird die Zivilisation an ihren Problemen zugrunde gehen. Eine Umsiedlung auf andere Welten im Kosmos ist keine ernstzunehmende Option.

Dreieinhalb Stunden teils traumhafter, teils erschütternder Filmdokumente führen den Zuschauern detailreich, plausibel und unmissverständlich vor Augen, dass die Welt an einer Wegscheide steht.

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