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Philosophen unter sich

Es ist noch nicht lange her, da war die Philosophie des Geistes hier zu Lande Sache einer kleinen Minderheit. Ein tiefer Graben trennte Philosophen und Hirnforscher; weit verbreitet war die Ansicht, dass die Klassiker der Philosophiegeschichte zu den Problemen von Geist und Bewusstsein bereits alles gesagt hätten, was es hier zu sagen gibt.

Doch das Bild hat sich gewandelt. Die Überzeugung, dass die Philosophie in Sachen Geist und Materie das letzte Wort gesprochen habe, ist auf dem Rückzug, und viele Geisteswissenschaftler suchen mittlerweile das Gespräch mit den Empirikern. Die Philosophie des Geistes hat sich praktisch als eine selbstständige Disziplin etabliert, mit Lehrstühlen, Studiengängen und einem eigenen Bestand an "Klassikern" – auch wenn die, gemessen an philosophiegeschichtlichen Maßstäben, natürlich noch lächerlich jung sind.

Die Kenntnis dieser grundlegenden Texte ist gerade für den Anfänger unverzichtbar, schließlich werden dort Positionen formuliert und Argumente vorgelegt, die auch neuere Theorien immer wieder aufgreifen. Der Mainzer Philosoph Thomas Metzinger stellte daher eine Textsammlung speziell zum Gebrauch in Seminaren zusammen: den

Der erste Band dieser auf drei Teile angelegten Serie liegt nun vor und hat das so genannte Phänomenale Bewusstsein zum Thema, also die Frage nach dem subjektiven Erlebnisgehalt eines mentalen Zustands. In den Bänden zwei und drei wird es um das Leib-Seele-Problem und um Intentionalität gehen. Die Werke sollen die wichtigsten Primärtexte in deutscher Übersetzung präsentieren und nicht nur für Einführungsveranstaltungen geeignet sein. Promovierende etwa sollen sie auch mit Gewinn lesen können. Zusätzlich zu den im Band enthaltenen Haupttexten einschließlich Kommentar gibt es deshalb einen »Serviceteil« mit Literaturempfehlungen speziell für Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengänge.

Die Einleitungen zu den einzelnen Teilen sind sehr informativ und die Literaturangaben hilfreich, dennoch darf man bezweifeln, ob die Spanne zwischen Bachelor- und Promotionsstudenten durch die bloße Lektüre von Zusatztexten überbrückt werden kann: Wer in der Philosophie des Geistes promoviert, der sollte den Großteil der in diesem Band enthaltenen Texte nämlich längst gelesen haben.

Dabei mutet die Entscheidung darüber, welche die wichtigsten Schwerpunkte sind und welche Texte diese am besten abgedecken, gerade in der Philosophie oft etwas willkürlich an. Thomas Metzinger jedoch zeigt bei der Auswahl eine glückliche Hand. Die einleitenden Aufsätze des Schweizers Peter Bieri, der Amerikaner Thomas Nagel und Joseph Levine sowie des Australiers Frank Cameron Jackson gehören zu den grundlegenden Arbeiten zum Thema Bewusstsein. Zudem eignen sie sich durch ihre Verständlichkeit und die zahlreichen plastischen Gedankenexperimente hervorragend für eine Einführung.

Der Philosoph Thomas Nagel illustriert die Probleme und Grenzen bei der naturwissenschaftlichen Erklärung von Bewusstsein etwa so: Egal wie viel wir über die Physiologie von Fledermäusen wissen, lieferte uns das offenbar keine Auskunft über das subjektive Erleben der Tiere. Frank Jacksons Text wirft eine ebenso bekannte wie strittige Frage auf: Zeigen nicht die prinzipiellen Probleme bei der naturwissenschaftlichen Erforschung von Bewusstsein, dass es sich hierbei gerade nicht um eine natürliche Eigenschaft handelt?

Joseph Levine versucht, die theoretische Substanz dieses Themas zu erfassen. Er will zeigen, warum wir uns sicher sein können, dass der wissenschaftliche Fortschritt das "Rätsel Bewusstsein" nicht lösen kann. Unumstritten ist dies aber nicht: Der Amerikaner Daniel Dennett zum Beispiel sieht das als ein reines Scheinproblem. Die phänomenalen Bewusstseinseigenschaften, die man verzweifelt zu erklären versucht, existierten in Wahrheit gar nicht.

Begrüßenswert ist, dass am Schluss des Buchs eine Brücke zu den empirischen Wissenschaften geschlagen wird; bei einigen Texten kann man allerdings bezweifeln, ob sie wirklich in einem Sammelband über Phänomenales Bewusstsein enthalten sein müssen. Insbesondere Thomas Metzingers eigene Arbeit über seine Selbstmodell-Theorie der Subjektivität würde man eher in einer Reihe über Selbstbewusstsein oder Subjektivität erwarten.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich hier um ein sehr empfehlenswertes Unternehmen handelt – auf die weiteren Bände der Reihe darf man gespannt sein.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 9/2006

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