Soziobiologie: keine Glaubensfrage!
Immer wenn die biologische Erkenntnis über ihr grundlagenwissenschaftliches Dasein hinüberschwappt ins menschliche Welt- und Selbstverständnis, dann wird sie disputiert und bedarf der öffentlichen Debatte. In einer solchen Situation ist es wünschenswert, wenn den häufig nicht sehr disputfreudigen Biologen Meister der Rhetorik zu Hilfe eilen, um die wissenschaftliche Erkenntnis zu verteidigen. Aus diesem Grund ist das Buch des Philosophen Voland ein wichtiges Buch, insbesondere da die soziobiologische Debatte, vor 25 Jahren von dem eminenten Evolutionsbiologen Edward Osborne Wilson entfacht, den deutschen Sprachraum wenig tangierte. Nach einer erstaunlich knappen Einleitung stellt Voland in drei übersichtlichen Großkapiteln (Gruppenleben, Partnerfindung und Jungenaufzucht) die großen Themenkomplexe der Soziobiologie und deren Ergebnisse da. Mögliche Verhaltensmechanismen und -erklärungen werden an einer Vielzahl von Fallstudien abgehandelt, was der biologischen Vielfalt der Sozialsysteme nur angemessen sein kann. Allerdings folgt die Beispielsauswahl zu streng der Prämisse (und dem Arbeitsgebiet) des Autors, Affen und Menschen in einen Kontext zu stellen. Die Grafiken, die überwiegend Daten zu einzelnen Beispielen zeigen, wären besser durch konzeptionelle Schemata oder Übersichten ersetzt. Generell mangelt es dem fachkundigen Leser an phylogenetischer Perspektive; der naive Leser wird durch den teilweise anspruchsvollen Sprachgebrauch und die nicht konsequente Übersetzung von englischen Fachtermini gefordert. Kritiker der Soziobiologie werden auf Grund der knappen Darstellung der Grundlagen wohl nicht zu überzeugen sein, aber das Werk ist eine wertvolle Übersicht für Leser, die die evolutionsbiologischen Prinzipien verstanden haben.
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