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Künstliche Denkanstöße

Pillen für bessere Konzentration, Nahrungsergänzung für optimierte Gehirnleistung, Hightech-Kappen zum Anregen der Kreativität – der Traum, dem Denkorgan auf die Sprünge zu helfen, ist uralt, und es gibt zahlreiche Forschungsansätze, die dieses Ziel verfolgen. Doch wie realistisch ist die Idee vom optimierten Gehirn, und wo lauern die Gefahren?

Die Debatte um Chancen und Risiken des Hirndopings ist hitzig und wird oft hochemotional geführt. Gut, dass sich die Biologin und Wissenschaftsjournalistin Wiebke Rögener in ihrem Buch "Hyper Hirn" dem Thema annimmt. Sachlich und sorgfältig recherchiert führt sie darin durch die vermeintlich schöne neue Neurowelt. Sie beschreibt, was heute schon möglich ist und welche künftigen Entwicklungen vorstellbar erscheinen. Dabei kritisiert sie unter anderem die Medien, aber auch Wissenschaftler, die plakative Prophezeiungen verbreiten. So behauptete etwa der US-Hirnforscher Michael Gazzaniga im Jahr 2007: "Viele Intelligenzpillen befinden sich bereits im klinischen Versuchsstadium und könnten in weniger als fünf Jahren auf den Markt kommen" – eine absolute Fehleinschätzung. Dennoch ist Hirndoping heute ein Thema, wie Umfragen unter Studierenden an deutschen Hochschulen bestätigen. Rezeptpflichtige Substanzen wie Ritalin oder der Wachmacher Modafinil sind übers Internet recht einfach zu beziehen.

Ritalin ist als ADHS-Medikament, Modafinil als Therapeutikum bei Narkolepsie zugelassen. Auch andere Methoden, die sich für Hirndoping eignen, werden in medizinischen Anwendungen getestet. So soll die tiefe Hirnstimulation, bei der Elektroden bestimmte Gehirnareale anregen, gegen die Parkinsonkrankheit und Depressionen helfen. Und die "transkraniale Magnetstimulation" (Verabreichung von Magnetfeldern durch die Schädeldecke hindurch) vermag zumindest kurzzeitig Linderung bei Tinnitus zu verschaffen. Im therapeutischen Zusammenhang erscheint die Verbesserung der Hirnleistung mitunter durchaus sinnvoll.

Gefährliche Manipulation eines hochkomplizierten Organ

Die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung existiere aber, warnt Rögener. Schließlich sei auch Heroin ursprünglich als Medikament entwickelt worden. Zu dem Zeitpunkt, als es auf den Markt kam, seien seine Nebenwirkungen noch längst nicht geklärt gewesen – ähnlich wie heute beim Hirndoping.

Der drohende Missbrauch stößt zudem eine wichtige ethische Debatte an. Was etwa, wenn das Militär mittels Neuro-Enhancement Soldaten zu Killermaschinen "optimiert"? Zwar liegen solche Horrorvisionen derzeit noch nicht im Rahmen des Machbaren. Forschungsprojekte, die in diese Richtung zielen – etwa um Kampfgeräte über Gedanken zu steuern – gibt es aber.

Wiebke Rögener stellt das komplexe Thema ausgewogen und gut verständlich dar. Für alle, die es genauer wissen wollen, vertieft sie einzelne Aspekte in gesonderten Kästen. An anderer Stelle lässt sie Experten im Interview zu Wort kommen. So ist der Autorin ein durchweg empfehlenswertes Werk gelungen – eine echte Bereicherung für die beinahe schon überstrapazierte Debatte um das Hirndoping.

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