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Knapper Abriss eines ereignisreichen Lebens

Etwa zwei Stunden benötigt man, um die Autobiographie von Stephen Hawking zu lesen. Ein schmales Büchlein über ein bewegtes Leben. Und schon während der Lektüre fragt man sich: Ist die Darstellung bewusst so konzise gewählt, oder ist ihre Kürze der Krankheit des Autors geschuldet, aufgrund derer er gerade einmal drei Worte pro Minute kommunizieren kann? Hawking selbst beschreibt seine Krankheit als Glücksfall, der ihn schlagartig den Wert des Lebens habe erkennen lassen.

Stephen Hawking wird 1942 im englischen Oxford geboren. Er wächst im nördlichen Umland von London auf und macht bereits während der Schulzeit durch seine Begabung von sich reden – seine Mitschüler nennen ihn "Einstein". Mit 17 Jahren besteht er die Eingangsprüfung der University of Oxford, wo er Physik studiert. Wenige Monate, nachdem Hawking 1962 zur Promotion nach Cambridge übersiedelt, bricht seine Krankheit aus: amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Seine Ärzte prognostizieren ihm, dass er binnen weniger Jahre sterben wird. Doch stattdessen schlägt Hawking eine äußerst erfolgreiche wissenschaftliche Karriere ein, die bis heute andauert.

Sein Hauptarbeitsgebiet ist die Theorie Schwarzer Löcher. Das hatte er anfangs nicht geplant – typisch für viele Karrieren in der Wissenschaft. Ursprünglich wollte Hawking als Doktorand für den berühmten Astronomen und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001) arbeiten, der ihm jedoch keine Stelle anbieten konnte. "Wahrscheinlich war [dies] das Beste, was mir passieren konnte", kommentiert Hawking. Hätte er bei Hoyle angefangen, dann hätte er dessen "Steady-State"-Theorie verteidigen müssen, wonach die mittlere Dichte im Kosmos trotz Expansion des Universums konstant bleibt, indem Elementarteilchen spontan neu entstehen. Diese Theorie gilt jedoch seit Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung 1965 als widerlegt. Bewusst traf Hawking allerdings die Entscheidung, theoretische Physik mit den Schwerpunkten Kosmologie und Gravitation zu betreiben. Die Teilchenphysik seiner Zeit erschien ihm "der Botanik ein wenig zu ähnlich", und bei einer Laufbahn in Experimentalphysik hätte ihn seine Krankheit zu sehr behindert.

Wie in seinen früheren Büchern beschreibt Hawking auch in dieser Autobiografie Gravitationswellen, den Urknall und Schwarze Löcher, wenn auch jeweils nur in einem kurzen Kapitel. Dazu gesellen sich persönlichere Abschnitte, die über Hawkings Zeit in den USA handeln, seine beiden Ehen und darüber, wie sein berühmtes Werk "Eine kurze Geschichte der Zeit" entstanden ist. Leider vermischen sich diese Passagen manchmal mit physikalischen Inhalten, was zu Lasten der Stringenz und Lesbarkeit des Buches gehen. Vor allem die beiden Kapitel über Zeitreisen und imaginäre Zeit wirken aus dem Rahmen gefallen, zumal sie recht unverständlich sind.

Hawking pflegt einen überwiegend nüchternen Stil. An manchen Stellen verfällt er in einen etwas bemühten Humor – wahrscheinlich glaubt er, dass die Leser den von ihm erwarten. Völlig unangebracht ist dagegen seine Zote, die Freude, die ein Wissenschaftler bei der Arbeit empfinde, sei mit der einer Prostituierten vergleichbar. An anderer Stelle ist man über Hawkings Selbstbewusstsein erstaunt: "Wohl die meisten theoretischen Physiker würden meiner Vorhersage zustimmen, dass es an Schwarzen Löchern zu einer Quantenemission kommt, obgleich ich dafür bisher noch keinen Nobelpreis bekommen habe."

Arroganz kann man Hawking aber nicht vorwerfen. Er weiß nur zu genau, warum er zum Popstar der theoretischen Physik avancierte: Wegen der pikanten Mischung aus Mitleid und Bewunderung, die er beim Publikum hervorruft. Auch ist ihm klar, dass er für seine Fachkollegen "nur ein Physiker unter vielen" ist. Nichtsdestoweniger scheint er mit seinem Leben glücklich zu sein, und schließt sein Buch altersmilde mit: "Falls ich etwas zum Verständnis unseres Universums beitragen konnte, wäre mein Glück vollkommen."

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