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Nicht alles über einen Nano-Kamm scheren!

Seit Jahren missbrauchen Interessengruppen den Begriff "Nano" – entweder als Werbelabel, um Aufmerksamkeit zu erregen und ökonomische Vorteile daraus zu ziehen, oder als Bezeichnung für ein die Menschheit bedrohendes Schreckgespenst. Doch taugt das Kürzel weder als pauschaler Warnhinweis noch als Symbol für Wundertechniken. Die Nano-Welt ist weder gut noch böse. Anliegen dieses Buchs ist es, die manchmal überspannt wirkende Diskussion zu versachlichen.

Im ersten Teil gibt der Autor, seit kurzem Mitbegründer eines Online-Wissenschaftsmagazins für Nanotechnologie, einen Überblick über die Entwicklung, den Stand und die Perspektiven der Technik. Spektrum-Lesern dürfte vieles davon bekannt vorkommen. Das Forschungsgebiet ist stark aufgegliedert, deswegen spricht der Autor in seinem Buch von den "Nanotechnologien", er nutzt also konsequent den Plural. Zumal es noch nicht einmal eine offizielle Definition des Begriffs gibt, auch wenn sich die EU-Kommission daran versucht.

Intensiv beschäftigt sich der Autor mit dem Gefahrenpotenzial einiger Nanotechnologien. Dabei lässt er sich zu keinem Pauschalurteil hinreißen. Die Frage nach den Risiken sei genauso wenig allgemein zu beantworten wie die, ob alle Chemikalien gefährlich seien. Von rund 100 000 künstlich hergestellten Chemikalien seien maximal einige Hundert besorgniserregend, rechnet der Autor vor – und so wie für sie gebe es auch für Nanomaterialien keine Sippenhaft. Dennoch müsse die nanotoxikologische Forschung strukturierter ablaufen und an Qualität gewinnen. Nennt der Autor doch Schätzungen, die besagen, dass nur rund ein Drittel aller einschlägigen Forschungsarbeiten wissenschaftlich etwas taugt.

Nötig sei eine gesellschaftliche Debatte über die Risiken und ethischen Fragen der Nanotechnologie, schreibt Meier. Die finde jedoch kaum statt. Vielmehr versuchten diverse Interessengruppen, die Bevölkerung zu manipulieren. Das gelte für die Industrie ebenso wie für namhafte Umweltschutzverbände. Während die eine Seite Nanotechnologien durchweg positiv darstelle, verdamme die andere sie wider besseren Wissens nahezu ausnahmslos. Beide Seiten behinderten damit eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung.

Stattdessen betreiben die Beteiligten vielfach Augenwischerei. Selbst die Frage, wie viele Tonnen Nanopartikel pro Jahr weltweit hergestellt werden, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Es gibt lediglich Schätzungen, und die schwanken stark. Die mangelnde Informationspolitik behindert nach Auffassung des Autors massiv eine notwendige Risikoanalyse.

Wie dem Buch zu entnehmen ist, werden Zahlen zur ökonomischen Bedeutung der Nanotechnologien künstlich aufgebläht, etwa um bei Geldgebern Eindruck zu schinden. Und die Politik spielt munter mit: Addierten sich im "Faktenbericht Forschung 2002" die unter "Nanotechnologie" gelisteten Ausgaben des Bundesministeriums für Forschung und Entwicklung (BMBF) noch auf bescheidene 72 Millionen Euro, schnellten sie wenige Monate später bereits auf knapp 350 Millionen Euro hoch, konstatiert der Autor. Große Teile der Werkstofftechnik, Medizin oder Biotechnologie lassen sich rasch mit dem Etikett "Nanotechnologie" versehen, sofern es dem Vorteil dient. Im Jahr 2010 betrug das Nanotechnologie-Budget des BMBF zwischen knapp 10 Millionen Euro und gut 200 Millionen Euro – je nachdem, welche Publikation des Ministeriums man heranzieht. "Taschenspielertricks" nennt der Autor das zu Recht.

Als treibende Kraft dahinter macht Meier oft die Industrie aus. Mit dem Totschlagargument "internationale Wettbewerbsfähigkeit" verlangen Unternehmensverbände vom Gesetzgeber am liebsten Untätigkeit, und die ist politisch leicht umsetzbar. Hätte das EU-Parlament nicht die Initiative ergriffen, gäbe es die nun bestehenden Regulierungen zu den Nanotechnologien auf EU-Ebene – und damit auch in Deutschland – wohl nicht. Seit 2013 schaffen sie zumindest bei einigen Produkten eine gewisse Markttransparenz, etwa bei Kosmetika, Lebensmitteln oder Bioziden.

Die Nanotechnologien haben gute Chancen, Großes zu bewirken – aber auch moralisch überaus Fragwürdiges. Wer wissen will, was auf uns zukommen könnte und welche Akteure derzeit versuchen, uns zu manipulieren, dem sei die Lektüre wärmstens empfohlen.

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