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Determinismus: Kann sich der freie Wille gegen Newton und Einstein durchsetzen?

Menschen sind nicht zu ihrem Handeln gezwungen, sondern können zwischen vielen Alternativen wählen. Das glauben wir zumindest. Wie aber kann das sein – in einem ansonsten fast völlig deterministischen Universum?
Determinism vs Free Will: Crash Course Philosophy #24

Veröffentlicht am: 15.08.2016

Laufzeit: 0:10:25

Sprache: englisch

Untertitel: deutsch

Der von den YouTubern Hank und John Green ins Leben gerufene und zwischenzeitlich von Google finanzierte Kanal CrashCourse führt mit jeweils zahlreichen Episoden in wissenschaftliche Fächer von Physik bis hin zu Literaturwissenschaft ein.

Der "Crash Course Philosophy" hat seinen Weg in die Hörsäle philosophischer Fakultäten gefunden – und das zu Recht, denn die Videos sind unterhaltsam und formulieren doch präzise Aussagen. In diesem geht es um die weiterhin spannende Frage: Kann der Mensch im deterministischen Universum einen freien Willen haben?

Hank Green illustriert sie mit schönen Beispielen. Von der einfachen Entscheidung, ob wir sein Video zu Ende schauen wollen, bis hin zu Ödipus' Schicksalsfrage (musste er seinen Vater töten?) führen viele Situationen direkt zum Kern der Sache. Das Problem: Determinismus bedeutet Eindeutigkeit – er erlaubt also keine Alternativen zu dem, was geschieht. Diese erscheinen uns aber als zentrale Voraussetzung für die Existenz menschlicher Freiheit. Einen freien Willen zu haben, ist ja geradezu gleichbedeutend damit, dass wir zwischen verschiedenen Alternativen wählen können. Genau diese Position vertritt – unter anderem – der philosophische Libertarismus, den der "Crash Course" hier vorstellt.

Und doch möchte man einwenden: Unser gesamtes physikalisches Universum wird durch deterministische Theorien wie die von Einstein oder Newton sehr gut beschrieben. Unser Denken wiederum steht wohl ebenfalls in enger Beziehung zur Biologie (und letztlich auch zur Physik) des Gehirns. Da liegt die Vermutung nahe, dass auch wir selbst dem Determinismus unterworfen sein könnten.

Natürlich hat schon mancher über Auswege aus diesem Dilemma nachgedacht. Die Physikerin Brigitte Falkenburg etwa diskutiert in ihrem Buch Mythos Determinismus die Frage, welche Rolle nichtdeterministische thermodynamische Prozesse im Gehirn spielen könnten. Was das Video ebenfalls nicht thematisiert, sind die Überlegungen des Physikers Roger Penrose, wie er sie in The Emperor's New Mind (auf Deutsch "Computerdenken") anstellt. Penrose zufolgte könnte die Quantenmechanik zur Lösung beitragen. Sie beschreibt zwar nicht das Universum als Ganzes, wohl aber seine mikroskopischen Bestandteile. Und die folgen nichtdeterministischen Gesetzen: Ihr Verhalten lässt sich nicht vorhersagen, sondern wird vom Zufall bestimmt. Was also wäre, wenn in unserem Gehirn mikroskopische Zustände das Geschehen bestimmen würden?

Seine Theorie wird von den meisten Wissenschaftlern jedoch kritisch gesehen. Insbesondere stellen sie in Frage, ob quantenmechanische Zustände im Gehirn überhaupt aufrecht erhalten bleiben können. Eigentlich müssten sie dekohärieren (siehe zur Dekohärenz etwa diese Rezension auf SciViews), also durch Wechselwirkung mit ihrer Umwelt kollabieren. Dann aber wären sie keine quantenmechanischen, dem Zufall unterworfenen Zustände mehr, sondern würden wie alles andere auch dem Determinismus unterliegen.

Ebenso umstritten ist, welcher Mechanismus im Gehirn einer bewussten Wahl oder Entscheidung entsprechen könnte. Bekanntermaßen besitzen quantenmechanische Systeme nicht immer eindeutige Eigenschaften: So können sie sich zum Beispiel gleichzeitig an verschiedenen Orten aufhalten. Erst wenn, wie Physiker formulieren, solche so genannten Superpositionen auf ganz eindeutige Eigenzustände reduziert werden, sie sich also gewissermaßen für einen konkreten Ort "entscheiden", werden sie greifbar. Doch die Reduktion einer Superposition ist nach heutigem Stand der Wissenschaft immer randomisiert, soll heißen: Es gibt keinen Weg, eine Superposition gezielt auf ein erwünschtes Ergebnis zu reduzieren – stattdessen ist das Ergebnis immer zufällig. Auch unsere Entscheidungen wären somit bestenfalls zufällig, und so verfehlt auch Penroses Ansatz eine zufriedenstellende Freiheitsdefinition

Dennoch: Daumen hoch für das Video! Auch deshalb, weil es den Weg dafür frei macht, über eine weitere mögliche Freiheitsdefinition im deterministischen Universum nachzudenken: den Kompatibilismus. Natürlich auch im Crash Course.

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