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Filmkritik: "Mars": (Über-)Leben auf dem Mars

In der Wissenschaftsgemeinde herrscht wieder Aufbruchstimmung. Bald könnten wir Menschen zum Roten Planeten schicken, um dort eine dauerhafte Kolonie zu errichten. Eine TV-Miniserie zeigt ein realistisches Szenario.
MARS: Trailer #2 | MARS

Veröffentlicht am: 29.07.2016

Laufzeit: 0:01:43

Sprache: englisch

Untertitel: ohne Untertitel

Die 1888 in den USA gegründete National Geographic Society fördert geografische Forschungsprojekte und macht die Leser seines Magazins National Geographic mit Menschen, Problemen und Regionen bekannt.

Auf den Mars wollen sie alle: der Internetmilliardär Elon Musk, der Technologiekonzern Lockheed Martin, die NASA und die russische Regierung. Jeder von ihnen möchte, in voneinander unabhängigen Projekten, noch vor 2040 eine Gruppe von Astronauten zum Roten Planeten schicken; Musk sogar schon im Jahr 2024. Konkrete Pläne, wie diese dort überleben soll, gibt es noch nicht, Ideen aber reichlich. Deren Umsetzung wird über den Erfolg der Mission entscheiden.

In seiner Serie "Mars" zeigt der Fernsehableger der renommierten National Geographic Society in sechs 45-minütigen Folgen, wie man dieses Ziel erreichen kann. Klar ist: Die Astronauten müssen auf dem Mars auf jeden Fall mehrere Monate lang durchhalten. Denn erst dann öffnet sich wieder ein Startfenster für den Rückflug zur Erde. Und wenn Menschen wirklich dauerhaft auf dem roten Planeten siedeln wollen, müssten die ersten Ankömmlinge dafür sorgen, dass auch ihre Nachfolger ausreichend Platz in einem Habitat finden – ob Höhle, High-Tech-Zelt oder umgebautes Landegerät.

Tatsächlich entwickelt "Mars", basierend auf dem Buch "How we'll live on Mars" des US-Journalisten Stephen Petranek, ein wissenschaftlich fundiertes Szenario für eine Marsbesiedlung. Eine spannende Spielhandlung kombiniert die Serie mit Interviews und Hintergrundberichten. Recht realistisch geht der Plot davon aus, dass im Jahr 2033 erstmals ein internationales Astronautenteam den Mars betritt, finanziert von einer privaten Initiative. Trotz diverser Widrigkeiten bauen die mutigen Frauen und Männer in einer gigantischen, vor Urzeiten von vulkanischer Lava geformten Röhre ein dauerhaftes Habitat in Form von Wohnkuppeln mit Verbindungsgängen auf. In den Folgejahren kommen die ersten Auswanderer an, zumeist hochklassige Spezialisten für den Aufbau lebenswichtiger Systeme: Botaniker für die Pflanzenzucht oder Elektroingenieure für den Aufbau der Energieversorgung.

Die Geschichte, die mit einer sensationellen Zufallsentdeckung enden wird, wird immer wieder von dokumentarischen Szenen unterbrochen. Zum Beispiel erklärt Raketenpionier Musk, warum Menschen eine multiplanetare Spezies werden müssen und weshalb er den Mars als ideales Sprungbrett dafür hält. Ansteckenden Enthusiasmus versprühen auch der Wissenschaftsjournalist Neil deGrasse Tyson oder Robert Zubrin, der Gründer der Mars Society. Die enormen Kosten und Risiken leugnen die Experten nicht: Ein kurzer Kontakt mit dem Mond, den man schon im Verlauf eines verlängerten Wochenendes erreicht, ist schließlich eine gänzlich andere Herausforderung als die Besiedelung eines Planeten, zu dem man mindestens 250 Tage unterwegs ist.

Justin Wilkes, der Produzent der Miniserie, hat sein Projekt nicht als Science-Fiction, sondern als Wissenschafts-Kino mit Drama-Elementen angelegt. Was er zeigt, gibt die Forschung in den meisten Fällen auch tatsächlich her. Lavaröhren beispielsweise – entstanden durch sich hangabwärts bewegende vulkanische Lava, die zunächst an ihrer Oberfläche erstarrte, während darunter weiterhin Material floss – können Schutz vor Strahlung und Sandstürmen bieten. Die Existenz solcher Strukturen wiesen die Viking-Marsorbiter bereits in den 1970er Jahren nach, mittlerweile weiß man auch, dass sie lebensnotwendiges Wassereis enthalten dürften.

Auch mögliche Vorkehrungen gegen schwere und lang anhaltende, saisonal auftretende Sandstürme auf dem Mars stellt die Serie korrekt dar. Wegen der dünnen Atmosphäre ist der Winddruck das geringere Problem, wohl aber die monatelange Dunkelheit, die das Gedeihen von Pflanzen in den Gewächshäusern beeinträchtigt (und damit einen Teil der Sauerstoffproduktion) sowie die Stromversorgung durch Solarmodule.

Die Konstruktion des Habitats wirkt dagegen nicht ganz überzeugend. Könnte es wirklich eine einfache Tür nach draußen geben, die, wenn sie geöffnet wird, alle Luft entweichen lässt? Und wären die Gewächshäuser nicht besser auf der Oberfläche aufgehoben, wo sie kein künstliches Licht brauchen, das wertvolle Energie verschlingt?

Die Probleme des Transfers zum Mars – die von Strahlung, Schwächung des Immunsystems bis hin zu Langeweile reichen – lässt die Serie bewusst aus, um sich ganz den Nöten der Kolonisatoren zu widmen. Tiefschürfende Diskussionen über physikalische oder medizinische Probleme darf man trotzdem nicht erwarten.

Den szenischen Hintergrund bietet die grandiose marokkanische Wüstenlandschaft, die Wohnkuppeln wurden in den Hallen der Origo-Studies bei Budapest in Originalgröße aufgebaut. Ein spannender wissenschaftlicher Exkurs führt zudem in die wüstenhaften Trockentäler der Antarktis. Die Umweltbedingungen dort sind jenen auf dem Mars so ähnlich, wie das auf der Erde überhaupt möglich ist.

Seit Andy Weirs von Ridley Scott im Jahr 2015 verfilmtem Welterfolg "Der Marsianer" – in dem ein zurückgelassener Astronaut jahrelang allein auf dem Roten Planeten klar kommen muss und dazu all seine wissenschaftlich-technische Begabung benötigt – scheint auch in die Wissenschaftsgemeinde der Optimismus zurückzukehren. Das Gefühl, dass man es diesmal wirklich schaffen könnte, ist wieder da. Genau diese Aufbruchstimmung fängt "Mars" hervorragend ein.

Mars, DVD, BluRay, VoD. USA 2016. Produktion: Justin Wilkes

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