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Astronomie für Einsteiger: Wega, Deneb, Atair: Ein ungleiches Trio

Auch ohne besondere Kenntnis des Himmels fällt dem Betrachter beim Blick an den sommerlichen und frühherbstlichen Abendhimmel eine markante Anordnung dreier heller Sterne ins Auge: Wega im Sternbild Leier, Atair im Adler und Deneb im Schwan. Gemeinsam bilden sie das "Sommerdreieck". Obwohl diese Sterne ähnlich hell und in einem weißen Licht leuchten, besitzt jeder von ihnen einzigartige Eigenschaften.
Das Sommerdreieck

Wega und Atair liegen mit Entfernungen von 25 und 17 Lichtjahren in unserer näheren Nachbarschaft. Beide sind Sterne vom Spektraltyp A, sie weisen also eine Oberflächentemperatur von etwa 8000 Grad Celsius auf, sind etwa doppelt so groß wie unsere Sonne und besitzen rund das Doppelte ihrer Masse. Beide verbrennen noch ihren Wasserstoffvorrat. Atair ist etwa 11-mal und Wega rund 37-mal heller als die Sonne, was den höheren Massen geschuldet ist.

Das Sommerdreieck | Für den Hobbyeinsteiger sind die hellen Sterne des Sommerdreiecks eine willkommene Orientierungshilfe. Den Astrophysikern geben sie Rätsel auf.

Beide Sterne ähneln sich darüber hin­aus in einem ganz besonderen Punkt. Dies ist ihre schnelle Rotationsgeschwindigkeit, die bei beiden ungefähr zehn Stunden beträgt und die Sterne deutlich zu Ellipsoiden abflacht. Das wiederum hat zur Folge, dass die Äquatoroberfläche weiter vom Massenzentrum des Sterns entfernt ist als die Poloberfläche. Diese Verformung bewirkt einen interessanten Effekt: Die effektive Gravitation, also die Schwerkraft, die ein hypothetischer Beobachter an einem Ort auf der Sternoberfläche "spüren" würde, ist am Äquator geringer als am Pol. Die effektive Gravitation wirkt sich aber auch auf den Strahlungsfluss und die Oberflächentemperatur des Sterns aus. Je höher die effektive Gravitation ist, desto heißer ist die entsprechende Oberflächenregion. Aus diesem Grund ist Wega am Pol mit rund 9900 Grad Celsius um etwa 2300 Grad Celsius heißer als am Äquator.

Ohne die Kenntnis dieses physikalischen Sachverhalts würden wir Wega als sehr viel heißer einschätzen und falsch klassifizieren; unser Verständnis vom Sternaufbau würde fehlgeleitet. Vor einigen Jahren wurde bei Wega eine deutlich stärkere Infrarotstrahlung entdeckt, als man von einem Stern dieses Spektraltyps erwarten konnte. Infrarotes Licht besitzt größere Wellenlängen als sichtbares Licht und ist für das menschliche Auge unsichtbar. Trotzdem haben wir alltägliche Erfahrungen mit Infrarotstrahlung. Es sind beispielswei­se Wärmelampen, die uns bei einer Erkältung helfen oder auch einfach die Wärmestrahlung einer Heizung.

Wega: Mehr als nur ein Stern

Aus den physikalischen Gesetzen des Strahlungstransports wissen wir, dass Sterne wie Wega zu heiß sind, um einen bedeutenden Teil ihres Lichts im Infraroten abzustrahlen. Sie leuchten hauptsächlich bei kürzeren Wellenlängen, nämlich im optischen und ultravioletten Spektralbereich. Falls dennoch Infrarotlicht gemessen wird, kann es somit nicht von der Stern­oberfläche ausgesendet worden sein. Als Quelle kommen dann nur Staubpartikel in der Umgebung des Sterns in Betracht – größere Ansammlungen von Molekülen, die sich in der Sternumgebung gebildet haben, also dort, wo das energiereiche ultraviolette Licht des Sterns diese Staubkörner von einigen Mikrometer Größe nicht mehr aufbrechen kann.

Wega im Vergleich zur Sonne | Vom Pol zum Äquator nimmt die Oberflächentemperatur der Wega von rund 9900 Grad Celsius auf 7600 Grad Celsius ab (oben). Dies ist eine Folge ihrer schnellen Rotation. Eine Umdrehung dauert nur 12,5 Stunden, bei unserer Sonne sind es 24 bis 27 Tage.

Heute wissen wir, dass Wega von einer Staubscheibe über seinem Äquator umgeben ist, die sich mindestens 80 Astronomische Einheiten, also über das 80-Fache der Entfernung Erde – Sonne, ausdehnt. Dies entspricht rund elf Lichtstunden. Die Ursache dieser Staubscheibe vermuten die Astronomen heute in Kollisionen zwischen kleinen Körpern, die den Stern in großer Entfernung umkreisen, ähnlich wie der Kuipergürtel in den Außenbezirken unseres Sonnensystems. Ob auch Wega eigene Planeten besitzt, ist allerdings bis heute ungeklärt.

Deneb ist der Größte

Wiewohl sich Atair und Wega sehr ähneln, ist der dritte Stern des Sommerdreiecks, Deneb, völlig anders. Eigentlich ist er mit einer Oberflächentemperatur von rund 8100 Grad Celsius nicht sehr viel heißer als Atair und Wega (es gibt Sterne, die zehnmal heißer sind). Er sollte von diesem Standpunkt eigentlich nicht viel heller sein als die beiden anderen Sterne. Somit würde man ihn angesichts einer ähnlichen scheinbaren Helligkeit am Himmel auch in ähnlicher Entfernung vermuten – doch so ist es nicht. Deneb ist etwa 3000 Lichtjahre von uns entfernt und damit fast 200-mal weiter als beispielsweise Atair. Daraus lässt sich errechnen, dass Deneb in Wirklichkeit etwa 250 000-mal heller leuchtet als unsere Sonne und mehr als 2000-mal heller als Atair. Die Energie, die unsere Sonne in rund drei Tagen abstrahlt, liefert Deneb innerhalb einer Sekunde.

Wega, Atair und Sonne im Vergleich zu Deneb | Im Vergleich zu Deneb erscheinen Wega, Atair und erst recht unsere Sonne winzig. Deneb und die Sonne drehen sich relativ langsam um ihre Achse, daher sind sie im Unterschied zu den übrigen beiden Sternen nicht abgeplattet.

Was ist also die Ursache für diesen dramatischen Unterschied, obwohl die Oberflächentemperaturen aller drei Sterne so ähnlich sind? Es sind die Sterndurchmesser und die ihnen entsprechenden unterschiedlich großen Oberflächen. Deneb ist bis zu 300-mal größer als die Sonne und damit rund 150-mal größer als Wega und Atair. Damit ist er ein "Überriese". Könnten wir ihn an den Ort der Sonne setzen, so würde er die Erdbahn einschließen.

Außerdem dreht sich Deneb relativ langsam, in etwa 80 Tagen, um seine Achse und ist damit nicht abgeflacht. Die Größe von Deneb deutet darauf hin, dass er sich recht weit entwickelt hat. Sein ursprüngliches Brennmaterial, den Wasserstoff, hat der Stern schon vor einigen zehntausend Jahren aufgebraucht. Der nach außen gerichtete Strahlungsdruck kann der Gravitation dann nicht mehr hinreichend entgegenwirken, und der Stern schrumpft. Dabei erhöht sich die Kerntemperatur auf rund 100 Millionen Grad Celsius, bis die "Asche" des Wasserstoffbrennens, Helium, im Kern zünden kann. Dies setzt sich nach dem Ende der Heliumbrennphase im Kern über Kohlenstoff und Neon fort. Wasserstoff brennt in diesen Phasen nur noch in der Sternhülle.

Durch diese Prozesse wächst der Gasdruck im Innern des Sterns. Dadurch dehnt er sich aus, was wiederum zu einer Absenkung der Temperatur im Außenbereich führt – der Stern wird röter. Die Ausdehnung geht so weit, bis wiederum ein Gleichgewicht zwischen Gas- und Strahlungsdruck einerseits und der Gravitation andererseits erreicht ist. Manche Sterne werden dabei bis zu 1000-mal größer als die Sonne. Was mit Deneb passiert, hängt davon ab, wie viel Materie er durch den in der Zeit als Überriese zwangsläufig entstehenden Sternwind verliert: Deneb sendet einen 100 000-mal intensiveren Sternwind aus als unsere Sonne. In der Spätphase der Entwicklung kann ein Planetarischer Nebel um den Stern entstehen.

Hält sich der Massenverlust in Grenzen, so schrumpft Deneb zwar wiederum, doch könnte er anschließend erneut zum Überriesen werden. Diesen Wechselprozess könnte er mehrfach durchlaufen und entsprechend wieder Material abwerfen. Daraus entstehende Schichtungen haben die Astronomen beispielsweise beim Ringnebel im Sternbild Leier nachgewiesen. Irgendwann jedoch kommt der Brennprozess im Kern zum Erliegen, und er kollabiert schlagartig. Dann stürzt das restliche Sternmaterial zusammen und stößt elastisch auf den sich im Kern bildenden Neutronenstern – der Stern explodiert als Supernova.

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