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Astronomie für Einsteiger: Zwergplaneten und Plutoiden

Im August 2006 ordnete die Internationale Astronomische Union (IAU) das Sonnensystem neu und rief dabei eine neue Objektklasse ins Leben, die Zwergplaneten. Zurzeit gibt es fünf offiziell anerkannte Zwergplaneten: (1) Ceres, (134340) Pluto, (136199) Eris, (136108) Haumea und (136472) Makemake.
Zwergplanet Ceres am 25. Februar 2015 - I

Die Einführung der Zwergplaneten ist der vorläufige Abschluss einer seit Jahrhunderten anhaltenden Diskussion über den Aufbau und die Systematik des Sonnensystems. Seit 1781 William Herschel (1738 – 1822) von England aus den Planeten Uranus entdeckte und damit unser Planetensystem über die seit dem Altertum bekannten klassischen Planeten hinaus erweiterte, gab es immer wieder Klärungsbedarf.

Am 24. August 2006 verabschiedete die IAU in Prag folgende Definition: Ein Zwergplanet ist ein Himmelskörper auf einer Sonnenumlaufbahn. Seine Masse ist groß genug, damit seine Eigenschwer­kraft die Festigkeit des ihn aufbauenden Materials überwindet. Dadurch ist der Zwergplanet annähernd im hydrostatischen Gleichgewicht, seine Form ist also weit gehend rund. Ein Zwergplanet kann jedoch die anderen Objekte aus seiner näheren Umgebung nicht vollständig einsammeln oder herauskatapultieren, denn er dominiert seine Umgebung nicht gravitativ. Zudem darf er kein Mond eines Planeten sein.

Zwergplaneten im Vergleich | Erde und Mond wirken riesig im Vergleich zu den anerkannten Zwergplaneten Eris, Pluto, Ceres, Haumea und Makemake. Ceres befindet sich im Asteroidengürtel, die anderen Objekte außer Erde, Mond, Vesta, Pallas und Hygiea im Kuipergürtel.

Diejenigen Zwergplaneten, die überwiegend jenseits der Neptunumlaufbahn die Sonne umrunden, werden seit einem Beschluss der IAU vom 11. Juni 2008 nach ihrem Prototypen Pluto als "Plutoi­den" bezeichnet.

Nach der Neuordnung des Sonnensys­tems gibt es drei verschiedene Klassen von natürlichen Himmelskörpern in einer Umlaufbahn um die Sonne: Acht Planeten mit ihren Monden, fünf Zwergplaneten und die Kleinkörper wie Asteroiden, Kuipergürtel-Objekte und Kometen.

Neue Objekte erhitzen die Gemüter

Erzwungen wurde die Neuordnung durch die Entdeckung mehrerer großer Himmelskörper im Kuipergürtel, also von Objekten, welche die Sonne überwiegend jenseits von Neptuns Bahn umrunden. Das erste Mitglied wurde 1992 entdeckt und trägt die Bezeichnung (15760) 1992 QB1. Seitdem stießen die Astronomen mit Hilfe verschiedener ausgeklügelter Suchprogramme auf weit mehr als 1000 solcher Objekte. Es zeigte sich immer deutlicher, dass der 1930 von Clyde W. Tombaugh (1907 – 1997) in Arizona (USA) entdeckte Himmelskörper Pluto kein Planet ist, sondern ein großes Mitglied des Kuipergürtels.

Die Einstufung von Pluto als Planet war schon von Anfang an umstritten, denn er bewegt sich auf einer gegenüber der Ekliptik stark geneigten Bahn mit hoher Exzentrizität, die sogar mit der Umlaufbahn des inneren Nachbarn Neptun überlappt. Auch gelang es selbst mit den leistungsfähigsten erdgebundenen Tele­skopen nicht, die Oberfläche von Pluto als Scheibe aufzulösen. Folglich musste er recht klein sein.

Anfang 2005 stieß eine Arbeitsgruppe um Mike Brown am California Institute of Technology in Pasadena auf einen Konkurrenten für Pluto. Die Forscher fanden ihn auf Bildern, die sie bereits im Jahr 2003 im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung mit dem 1,2-Meter-Oschin-Teleskop auf dem Mount Palomar aufgenommen hatten. Da 2003 UB313, so die damalige vorläufige Bezeichnung, Pluto an Größe übertraf, feierte sich die Arbeitsgruppe bereits als Entdecker des zehnten Planeten. Diese Schlussfolgerung griff auch die US-Raumfahrtbehörde NASA begeistert auf und verbreitete sie weltweit. Aber nicht alle Astronomen waren damit einverstanden und drängten auf eine Definition des Begriffs "Planet" durch die Internationale Astronomische Union, das höchste Entscheidungsgremium der Astronomen.

Eine unmittelbare Konsequenz dieser Neuordnung war die "Degradierung" Plutos vom Planeten zum Zwergplaneten. Diese Entscheidung nahmen die Astronomen in Europa eher positiv auf und betrachteten das Ergebnis als ein "besser aufgeräumtes" Sonnensystem, in dem jetzt eine klare Ordnung herrscht.

Dagegen brach in den USA eine emotional aufgeladene Diskussion los. Vielen US-Amerikanern passte der Verlust des "American planet" nicht, und auch die Entdecker von 2003 UB313 waren nicht glücklich damit. Noch immer laufen in den USA Unterschriftenaktio­nen und Werbeveranstaltungen mit dem Ziel, den Planetenstatus Plutos wiederherzustellen und 2003 UB313 ebenfalls zum Planeten zu erklären. Diesen Bemühungen werden aber relativ wenige Chancen eingeräumt. Immerhin bewiesen Mike Brown und sein Team einigen Humor, als sie 2003 UB313 den endgültigen Namen (136199) Eris gaben, benannt nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits.

Die fünf Zwergplaneten

Der neue Zwergplanet ist schon recht lange bekannt: (1) Ceres wurde am 1. Januar 1801 von Giuseppe Piazzi von der Sternwarte Palermo entdeckt. Auch der italienische Astronom suchte seinerzeit nach einem Planeten. Dabei ließ er sich durch die von Daniel Titius (1729 – 1796) und Johann Elert Bode (1747 – 1826) empirisch gefundene Regel inspirieren, welche die Berechnung der Abfolge der mittleren Abstände aller bis dahin bekannten Planeten erlaubte. Nach dieser Regel war zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter ein weiterer, unbekannter Planet zu erwarten.

Ceres in Rotation | Am 19. Februar 2015 nahm die US-Raumsonde Dawn eine Bilderserie des Zwergplaneten Ceres aus einem Abstand von 46 000 Kilometern auf. In dieser Animation zeigt sich ein Großteil der stark zerkraterten Oberfläche von Ceres.

An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert waren viele renommierte Astronomen auf der Suche nach dem fehlenden Himmelskörper. Als Piazzi schließlich ein sich bewegendes Objekt ungefähr am richtigen Ort fand, war man sich sicher, den dort erwarteten Planeten dingfest gemacht zu haben. Er erhielt den Namen Ceres nach der römischen Göttin des Ackerbaus. Allerdings konnten auch die besten Teleskope jener Zeit den Himmelskörper nicht als Scheibe auflösen, sondern zeigten nur ein schwaches stern­artiges Lichtpünktchen. Daher prägte schon 1802 William Herschel nach dem griechischen Wort für Stern, aster, den Begriff "Asteroid", der so viel wie "Pseudostern" bedeutet.

Aber die Astronomen stießen in rascher Folge auf drei weitere Objekte, die ebenfalls zwischen Mars und Jupiter ihre Bahnen ziehen, nämlich (2) Pallas, (3) Juno und (4) Vesta. Dennoch wurden Ceres und die anderen drei Himmelskörper rund 50 Jahre lang als Planeten bezeichnet. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich auf Grund zahlreicher weiterer Entdeckungen die Erkenntnis durch, dass es sich um die größten Vertreter einer weiteren Klasse von Himmelskörpern handelte. Sie werden im deutschen Sprachraum als "Planetoiden" oder "Kleinplaneten" bezeichnet; sie bevölkern einen Gürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Für mehr als 150 Jahre blieb es für Ceres bei dieser Einstufung, doch seit 2006 gilt sie als Zwergplanet.

Ceres ist der kleinste und der uns am nächsten gelegene Vertreter der Zwergplaneten. Sie umläuft die Sonne in einem mittleren Abstand von 415 Millionen Kilometern. Dies entspricht dem 2,8-Fachen des Abstands Erde – Sonne oder 2,8 Astronomischen Einheiten.

Die Umlaufbahn von Ceres weicht nur geringfügig von der Kreisform ab, und für einen Umlauf um die Sonne benötigt sie 4,6 Jahre. Mit Hilfe erdgebundener Großteleskope mit adaptiver Optik zur Ausschaltung der Luftunruhe und mit dem Weltraumteleskop Hubble ließ sich die Oberfläche von Ceres als Scheibe auflösen, und seit dem 6. März 2015 umrundet die US-Raumsonde Dawn den Zwergplaneten. Die Aufnahmen enthüllen einen eintönig gefärbten Himmelskörper mit einem mittleren Durchmesser von 950 Kilometern, der in etwas mehr als neun Stunden einmal um seine Achse rotiert. Die Oberfläche ist von Einschlagkratern übersät, was auf ein hohes Alter hinweist. Monde wurden bislang nicht entdeckt.

Ceres ist das größte Mitglied des inneren Asteroidengürtels und vereint rund ein Drittel von dessen gesamter Masse auf sich, was etwa 1,3 Prozent der Masse unseres Erdmonds entspricht. Nach derzeitigem Kenntnisstand enthält der Zwergplanet in seinem Inneren einige Prozent Wasser, das einen bis zu 100 Kilometer dicken Eismantel um den aus Silikatgesteinen bestehenden Kern bildet.

Der Gott der Unterwelt

Der wohl bekannteste Zwergplanet und Namensgeber der Plutoiden ist Pluto, eigentlich ein Doppelsystem aus zwei größeren Himmelskörpern. (134340) Pluto, so die offizielle Bezeichnung, weist einen mittleren Durchmesser von 2350 Kilometern auf und wird von dem 1978 entdeckten Mond Charon mit einem Durchmesser von 1200 Kilometern umrundet. Pluto wurde nach dem römischen Gott der Unterwelt benannt, Charon nach dem mythischen Fährmann über den Fluss Styx, die Grenze zur Unterwelt.

Pluto und Charon umlaufen einen gemeinsamen Schwerpunkt, der außerhalb beider Himmelskörper liegt; ihr mittlerer Abstand beträgt 22 000 Kilometer. Beide rotieren gebunden, das heißt, sie weisen sich stets die gleiche Seite zu. Da sie bei ihren Umläufen um den Schwerpunkt scheinbar starr aufeinander ausgerichtet sind, wird dies auch als "Hantelrotation" bezeichnet. Einem Beobachter auf Pluto erschiene Charon wie "festgenagelt" am Himmel, während sich der Himmelshintergrund bewegt. Von der anderen Plutohemisphäre aus ist Charon also niemals zu sehen. Weiter außen umkreisen die viel kleineren Monde Nix, Hydra, Kerberos und Styx den Schwerpunkt von Pluto und Charon. Sie wurden erst in den Jahren 2005 bis 2012 mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgespürt. Derzeit befindet sich die US-Raumsonde New Horizons im Anflug auf Pluto und wird den Zwergplaneten am 14. Juli 2015 in geringem Abstand passieren.

Pluto weist eine mittlere Dichte von zwei Gramm pro Kubikzentimeter auf und besteht aus Wassereis und silikatischen Gesteinen; Charon ist ähnlich zusammengesetzt. Die Masse von Pluto entspricht etwa 18 Prozent derjenigen des Erdmonds, Charon erreicht rund zwei Prozent der Mondmasse.

Pluto umrundet die Sonne auf einer sehr exzentrischen Umlaufbahn, welche die Bahn des Neptun berührt. Dennoch besteht keine Gefahr einer Kollision mit dem äußersten Planeten, da sich die beiden Himmelskörper in einer 3:2-Resonanz befinden: Während dreier Neptunumläufe um die Sonne umkreist Pluto unser Zentralgestirn zweimal. So ist sichergestellt, dass sich Neptun und Pluto niemals zu nahe kommen können und die Umlaufbahn des Zwergplaneten auch über Milliarden Jahre hinweg stabil bleibt. Tatsächlich befinden sich zahlreiche kleinere Himmelskörper auf ähnlichen Bahnen wie Pluto und weisen ebenfalls eine 3:2-Resonanz zu Neptun auf. Sie werden auch als "Plutinos" bezeichnet, nicht zu verwechseln mit den Plutoiden.

Der größte Zwergplanet

(136199) Eris ist der größte zurzeit bekannte Zwergplanet. Er umkreist die Sonne auf einer mit 44 Grad stark gegen die Ekliptik geneigten Umlaufbahn. Im Mittel ist er rund zehn Milliarden Kilometer von unserem Zentralgestirn entfernt und benötigt für einen Umlauf 557 Jahre. Sein minimaler Durchmesser wurde zu 2400 Kilometer bestimmt, könnte aber bis zu 2600 Kilometer betragen. Wegen der großen Entfernung lässt sich Eris selbst mit dem Weltraumteleskop Hubble nur mit Mühe als Scheibe auflösen.

Hubble-Aufnahme des Zwergplaneten Eris | Diese Hubble-Aufnahme lässt (136199) Eris mit ihrem Mond Dysnomia erkennen. Eris wurde absichtlich überbelichtet, um die lichtschwache Dysnomia abbilden zu können.

Ein etwa 100 Kilometer großer Mond namens Dysnomia umkreist Eris. Aus seiner Umlaufperiode ließ sich die Masse von Eris genauer bestimmen: Sie ist rund 27 Prozent größer als diejenige von Pluto und erreicht etwa 23 Prozent der Masse des Erdmonds. Derzeit befindet sich Eris auf dem am weitesten von der Sonne entfernten Abschnitt ihrer Umlaufbahn und wird sich bis zum Jahr 2036 im Sternbild Walfisch aufhalten. In rund 260 Jahren wird sie uns mit 37,8 AE näher sein als der Zwergplanet Pluto.

Die Zwergplaneten in Zahlen

Weitere Plutoiden

Schon bei der Verabschiedung der neuen Definitionen war klar, dass es nicht bei drei Zwergplaneten bleiben wird. Rund zehn weitere Objekte mit Durchmessern von mehr als 1000 Kilometern sind mittlerweile im Kuipergürtel bekannt, für die der Status "Zwergplanet" in Betracht kommt. Im Jahr 2008 wurden die Objekte (136472) Makemake und (136108) Haumea zu Zwergplaneten beziehungsweise Plutoi­den ernannt.

(136472) Makemake wurde vom gleichen Forscherteam entdeckt, welches auch (136199) Eris aufspürte. Es handelt sich um einen rund 1600 Kilometer gro­ßen Himmelskörper, der die Sonne innerhalb von 310 Jahren in einem mittleren Anstand von 46 AE umrundet. Makemake ist nach Eris und Pluto das drittgrößte bisher entdeckte Mitglied des Kuipergürtels. Bislang wurde noch kein Mond nachgewiesen.

Interessant ist (136108) Haumea, das von einem spanischen Astronomenteam um José Moreno am Observatorio de la Sierra Nevada aufgespürt wurde. Es handelt sich um einen im Mittel 1500 Kilometer großen Himmelskörper, der jedoch nicht kugelförmig ist. Er ist fast 2000 Kilometer lang und zwischen 1500 und 1000 Kilometer breit. Die ungewöhnliche Form ist wohl auf die extrem schnelle Rotation zurückzuführen, denn Haumea rotiert in weniger als vier Stunden um seine Achse. Der Himmelskörper umrundet die Sonne in 285 Jahren auf einer um 28 Grad gegenüber der Ekliptik geneigten Bahn. Haumea wird von zwei Monden begleitet, die ihn auf stark gegeneinander geneigten Umlaufbahnen umkreisen.

Die zwischen 1200 und 1800 Kilometer große Sedna ist, von Kometen und kleineren Kuipergürtel-Objekten einmal abgesehen, einer der am weitesten entfernten Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Sie umrundet die Sonne in einer hochelliptischen Bahn, auf der sie sich bis zu 975 AE von uns entfernen kann. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt sie 12 050 Jahre. Derzeit ist sie rund 90 AE von uns entfernt. Im Jahr 2075 erreicht sie mit 76 AE ihren geringsten Abstand zur Sonne. Sedna harrt bislang noch der offiziellen Einstufung zum Plutoiden durch die IAU.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften mit der fortschreitenden Beobachtungstechnik weitere große Objekte im Kuipergürtel aufgespürt werden, die zu den Zwergplaneten beziehungsweise Plutoiden gezählt werden müssen.

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